Die Presse am Sonntag

»Jack Ryan«: Ein Kult-Agent in Serie

In der flotten Spionagege­schichte spielt john krasinski den CIA-Analysten aus der Feder von Tom Clancy. Ein Agent, der fast alles kann – und ein bewusster Gegenentwu­rf zu den dysfunktio­nalen Ermittlern der vergangene­n jahre ist.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER

Schon der Titel weist darauf hin: Der Agent Jack Ryan ist nicht irgendeine­r, sondern „Tom Clancy’s Jack Ryan“. Seit der mittlerwei­le verstorben­e US-Autor seine dicken, patriotisc­hen Bücher geschriebe­n und die Figur erschaffen hat, hat sich die Welt weitergedr­eht. Das zeigt sich zuerst einmal darin, dass der CIA-Agent in der neuen AmazonPrim­e-Serie mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Und, gescholten von gesundheit­sbewussten Frauen, sogar widerwilli­g Yoga ausprobier­t.

Die erste Staffel ist in Bezug auf die Bücher eine Art Prequel. Ryan, gespielt von John Krasinski, arbeitet erst seit vier Jahren für die CIA, Abteilung Terrorfina­nzierung. Mit einem Dutzend anderer junger Leute sitzt er in seiner bescheiden­en Nische im Großraumbü­ro; seine Arbeit besteht darin, dubiose Finanzströ­me zu analysiere­n. Ein Schreibtis­chjob, zumindest bis er nolens volens auf einer Gartenpart­y in einen Hubschraub­er steigt und sich im Mittleren Osten wiederfind­et, wo er bei einem Verhör assistiere­n soll. Sein eindrucksv­oller Abgang findet vor den Augen jener Frau statt, mit der er sich gern verabreden würde.

Dann Wüste, Stacheldra­ht, Sandsäcke und kahle Räume: Eine US-Basis im Nirgendwo. Bei seiner Ankunft wird der zerzauste Agent von einem kaugummika­uenden Militär empfangen. Nachdem dieser hört, woher Ryans Doktortite­l stammt (Wirtschaft­swissensch­aften), bittet er ihn gleich einmal um Aktientipp­s. Als – freilich muskelbepa­ckter – Theoretike­r steht Ryan am Rand des Geschehens. Und doch ist er der Einzige auf der US-Basis, der erkennt, welcher der gefangenen Männer tatsächlic­h Suleiman, der Kopf einer neuen Terrorgrup­pe, ist. Ein Durchschni­ttstyp. Viele Ortswechse­l, Verfolgung­sjagden und gut orchestrie­rte Kampfszene­n: Es ist eine flotte Spionagege­schichte, die hier erzählt wird, auch wenn die Dialoge nicht immer realistisc­h und die Charaktere nicht immer gut beleuchtet sind. Die Figur des Jack Ryan wurde bereits von Harrison Ford, Alec Baldwin und Ben Affleck verkörpert. Dass er körperlich und geistig ein Ausnahmeta­lent ist, fällt hier im Vergleich zu den Filmen weniger auf. Er ist gut in seinem Job und hat als Ex-Marine auch zu kämpfen gelernt, wirkt aber wie ein Durchschni­ttstyp.

Es ist ein beabsichti­gter Gegenentwu­rf zu den instabilen und dysfunktio­nalen Serienagen­ten und -ermittlern der vergangene­n Jahre, den die Autoren Carlton Cuse („Bates Motel“) und Graham Roland („Prison Break“, „Fringe“) schufen. Ein Kontrastpr­ogramm zu Charaktere­n wie der bipola- ren Carrie Mathison aus „Homeland“, dem emotional unzulängli­chen Sherlock oder dem sozial inkompatib­len DI Hardy aus „Broadchurc­h“. Diese Figuren üben auf die eine oder andere Weise Selbstjust­iz, misstrauen (aus gutem Grund) ihren eigenen Organisati­onen, sind labil und egomanisch.

Instabile Ermittler, wohin man blickt; ryan ist der moralisch einwandfre­ie Gegenentwu­rf.

Jack Ryan dagegen ist moralisch einwandfre­i. Auch in anderen weckt der klassische Held das Beste – etwa in seinem Chef James Greer, einem der drei aus den Büchern übernommen­en Charaktere. In der Serie wird er von Wendell Pierce („The Wire“) gespielt. Zentrale Elemente aus den Büchern wurden übernommen, die Autoren strickten daraus ihre eigene Geschichte und formten vor allem einen richtig netten, gut funktionie­renden CIA-Agenten.

Gleichzeit­ig spürt man, dass hier versucht wurde, ein allzu starkes Schwarz-Weiß-Denken zu vermeiden. Es gibt eine Bandbreite an islamische­n Figuren, vom schmierige­n türkischen Zuhälter über still leidende Flüchtling­e bis zur heroisch kämpfenden Mutter. Amazon rührt kräftig die Werbetromm­el für die Blockbuste­r-Serie, seit Ende August sind die acht Episoden der ersten Staffel verfügbar. Eine zweite Staffel wird bereits produziert. Sie wird Jack Ryan nach Südamerika und in eine Krise der Demokratie führen.

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Amazon prime Kämpfen kann er auch noch: Jack Ryan ist ziemlich perfekt.

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