»In zehn Jahren fliegen wir mit Drohnen«
Verkehrsminister Norbert Hofer ist ein Technik-Freak. Im Interview spricht er über Drohnentaxis, seine Geschwindigkeitsübertretungen, über Neonazi-Aufmärsche in Chemnitz und die Frage, ob er wieder Bundespräsident werden will.
Sie sind ein leidenschaftlicher Hobbypilot. Reinhard Mey singt über das Fliegen, dass alle Ängste und Sorgen unter den Wolken verborgen bleiben. Ist das so? Norbert Hofer: Das ist tatsächlich so, weil man sich nur mit dem Fliegen beschäftigen kann. Man ist konzentriert, man hat keine Zeit, sich Sorgen oder Gedanken zu machen. Wie oft schaffen Sie es, mit der Cessna fliegen zu gehen? Ich versuche, einmal in der Woche in der Luft zu sein. Es gibt Wochen, da ist es nicht möglich. Aber es gibt keine Zeitspanne von mehr als zwei Wochen, in der ich nicht geflogen bin. Wenn Sie herunten auf der Erde sind, was macht Ihnen da Sorgen? Das, was allen anderen Menschen auch Sorgen macht: Welchen Start werden meine Kinder ins Leben haben? Passiert den Kindern nichts, wenn sie am Abend unterwegs sind? Ich kann jedenfalls nicht so gut schlafen, wenn die Kinder unterwegs sind. Und politisch? Wir stehen vor ganz großen gesellschaftlichen Veränderungen. Da ist es wichtig, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen, das bedarf vieler Überlegung und Vorbereitung. In meinem Bereich sind das Entscheidungen für die Zukunft, die 5G-Netzwerke, die Investitionen in Schiene und Straße – hier darf man nichts versäumen und nicht zu spät dran sein. Wenn Sie nach Chemnitz schauen, wo Neonazis durch die Straße marschieren – macht Ihnen so etwas Sorge? Das muss man vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Teils Deutschlands sehen. Da schlägt das Pendel jetzt völlig in die andere Richtung aus. Aber das, was in Chemnitz passiert, wäre in Österreich undenkbar, das kann ich mir bei uns überhaupt nicht vorstellen. Manche sagen, solche Stimmungen würden bei uns dadurch abgefangen werden, dass die Rechten in der Regierung sind. Rechts ja, aber nicht rechtsextrem. Ich sehe uns als rechtskonservative Partei, und das soll auch so bleiben. Schreiben Sie der FPÖ zugute, dass man diese Stimmungen nicht unterdrückt, sondern immer öffentlich thematisiert hat – etwa, als man vor der Umvolkung durch die Zuwanderung gewarnt hat? Ich glaube, dass es in Österreich einfach diesen radikalen Rand wie in Deutschland nicht gibt. Oder anders: Es gibt ihn vielleicht, aber es sind einige wenige Narren. Apropos Stimmung machen: Finden Sie es in Ordnung, wenn eine Familie, die die Mindestsicherung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu 100 Prozent ausschöpft, öffentlich dargestellt wird, wie das ein Parteifreund von Ihnen gemacht hat? Das ist sehr heikel. In dem Fall, den Sie ansprechen, ist es erst anonymisiert passiert, später wurde die Identität bekannt. Ich bin in all diesen Fällen sehr vorsichtig. Ich teile auch ungern Dinge auf Facebook, die andere Menschen betreffen, weil ich nicht für sie die Verantwortung übernehmen will. Ich teile eher Privates von mir. Wie oft haben Sie sich in den vergangenen Monaten gedacht: Ich als Bundespräsident hätte das ganz anders gemacht als Alexander Van der Bellen? Mir fällt jetzt kein konkretes Beispiel ein, aber das war wirklich nur ganz selten der Fall. Ich habe den Eindruck, dass er das gut macht, die Amtsführung ist nicht schlecht. Natürlich würde ich Dinge anders machen und andere Schwerpunkte setzen. Ich habe aber keinen Grund, seine Amtsführung zu kritisieren.
Norbert Hofer
(geboren 1971 in der Steiermark) ist seit Dezember 2017 Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.
Beruflich
arbeitete er einst als Flugtechniker. Die Faszination für das Fliegen kostete ihn 2003 fast das Leben, als er mit einem Paragleiter abstürzte. Heute hat Hofer eine Privatpilotenlizenz und fliegt regelmäßig.
Politisch
begann er seine Karriere nach Anfängen in der FPÖOrganisation als Stadtparteiobmann in Eisenstadt (1994–2006), später war er unter anderem Landesparteisekretär der FPÖ, Nationalratsabgeordneter und Dritter Präsident des Nationalrats.
2016
trat Hofer bei der Bundespräsidentenwahl an, unterlag aber Alexander Van der Bellen. Aber 2022 wird er mit Ihnen einen Gegenkandidaten haben, falls er wieder zur Wahl zum Bundespräsidenten antritt? Ich lasse mir diese Entscheidung offen. Ich habe jetzt schon viele Gespräche dazu geführt, aber es ist ja noch einige Jahre hin. Ich mache das, was ich mache, sehr gern. Sollte ich antreten, sind meine Chancen, die Präsidentschaft zu gewinnen, intakt. Aber man kann nicht so weit in die Zukunft planen, jetzt ist es einmal mein Hauptinteresse, dieses Amt als Verkehrsminister gut auszuführen. Sie waren ja auch schon als Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Burgenland 2020 im Gespräch. Da haben Sie vor einer Woche auch gesagt, dass Sie intensiv darüber nachdenken und viele Gespräche führen werden. Fünf Tage später haben Sie bereits abgesagt. Hat Sie Ihr Parteichef, HeinzChristian Strache, zurückgepfiffen? Ich habe tatsächlich mit vielen Personen gesprochen, mit meiner Familie und auch mit H.-C. Strache. Die Entscheidung, es nicht zu machen, gab es aus folgendem Grund: Es war angedacht, dass ich es als Spitzenkandidat probiere, und wenn ich nicht Landeshauptmann werde, Verkehrsminister bleibe. Das wollte ich nicht: Wenn ich etwas mache, dann mache ich das zu 100 Prozent, also hätte ich mein Ministeramt zurückgelegt. Sollte Strache bei der Gemeinderatswahl in Wien antreten wollen, werden Sie ihn dann zurückpeifen? Es steht mir nicht zu, dem Vizekanzler etwas zu empfehlen. Aber um es diplomatisch auszudrücken: Wir brauchen ihn ganz, ganz dringend in der Bundesregierung. Sie waren immer ein vehementer Gegner der Homosexuellen-Ehe. Diese Regierung muss jetzt ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs umsetzen und wird eine Homo-Ehe ermöglichen. Wie geht es Ihnen damit? Für mich ist das kein emotionales Thema. Die Ehe ist daraus entstanden, dass man einen Schutz für die gemeinsamen Kinder haben wollte. Und weil die Ehe so gedacht war, war ich der Meinung, dass es nur ein Modell für heterosexuelle Paare sein soll. Wenn das das Höchstgericht anders sieht – wie gesagt, das ist für mich keine emotionale Sache. Jeder soll so leben, wie er leben will: in einer gleichgeschlechtlichen oder heterosexuellen Beziehung. Da soll es keine Vorschriften geben, und das ist auch gut so. Aktuell läuft ein Testversuch zu 140 km/h auf der Autobahn. Hand aufs Herz: Wie oft sind Sie schon auf der Autobahn schneller als 140 km/h gefahren? Ich will nicht herumflunkern: nicht sehr selten. Ich bin wie viele Österreicher einer, der schon etliche Male schneller gefahren ist. Aber seit ich Verkehrsminister bin, achte ich sehr darauf, alle Verkehrsregeln genau einzuhalten, weil man in der Funktion ja auch eine Vorbildwirkung hat. In der Realität fahren alle auf der Autobahn 140 bis 150 km/h. Was bringt ein Testversuch zu einem Geschwindigkeitslimit, das in der Praxis ohnehin jeder überschreitet? Wir haben bisher gesehen, dass sich die Menschen auf der Teststrecke sehr genau an das Tempolimit halten. Es gibt vor allem auch in der linken Spur nicht mehr diese langsamen Kriecher, die den ganzen Verkehr aufhalten. Das passiert auf diesen Strecken viel seltener. Der Verkehr ist flüssiger. Ich glaube, dass unsere Autobahnen 140 km/h vertragen – nicht überall, aber auf weiten Strecken. Ich würde die 140 nach dem Testversuch gern generell einführen. Vielleicht entscheiden ohnehin bald die Autos für uns, wie schnell gefahren wird, so schnell, wie sich das autonome Autofahren entwickelt. Oder wir fahren gar nicht mehr. Ich habe in Hongkong Drohnen gesehen, mit denen man von A nach B transportiert wird. Der Besitzer des Unternehmens hat für das nächste Jahr die ersten autonomen Testflüge für Menschen angekündigt. Die Technik ist da, es fehlt noch der rechtliche Rahmen. Drohnen als Taxis sehen Sie bei uns in wie vielen Jahren? Das wird schneller gehen, als man glaubt. In zehn Jahren fliegen wir mit Drohnen. Ich hätte es noch gern schneller. Erste Versuche werden Sie auf jeden Fall noch unter mir als Verkehrsminister erleben. Ich höre, Sie hätten zu Hause in fast jedem Zimmer eine Alexa stehen, den intelligenten Lautsprecher von Amazon. Machen Sie sich keine Sorgen, dass den jemand hackt und hört, was Sie privat sprechen? Mir ist vollkommen bewusst, dass es möglich ist. Aber auch über mein Smartphone, das auf dem Tisch liegt, kann ein raffinierter Hacker mithören. Ich habe keine großen Geheimnisse, wenn ich gehackt werde, werde ich halt gehackt. Wenn Sie das System weiterdenken, bereitet Ihnen die künstliche Intelligenz Bauchweh? Unter anderem hat Bill Gates vor der Entwicklung gewarnt. Im Gegenteil. Mein Ministerium hat in den vergangenen Jahren 300 Mio. Euro in die künstliche Intelligenz investiert. Es gibt bei uns im Haus einen Robotikrat, der wird ergänzt werden mit dem Thema künstliche Intelligenz. Ich sehe diesen Bereich als riesige Chance, der uns in der Zukunft enorm helfen und uns viel abnehmen kann. Vielleicht irgendwann sogar die Aufgaben eines Verkehrsministers. (Lacht.) Ein Computer kann zweifellos logische Entscheidungen treffen. Was er nicht kann, ist Empathie zu zeigen – und das ist bei politischen Entscheidungen ganz wichtig.