Räder, Autos, Mopeds, Scooter: Was rollt
Sharing. Kaum sind die Massen an Billigrädern entsorgt, kommen schon die nächsten Fahrzeuge zum Teilen: E-Mopeds und Tretroller. Vom großen Versprechen, Erfolg und Scheitern gemeinsam genutzter Fahrzeuge.
Shared Mobility ist einer der großen globalen Verkehrstrends – vor allem in Metropolen: Hier ist Platz knapp, die Verkehrsdichte hoch, und es ergibt wenig Sinn, Autos zu besitzen, um sie kaum zu nutzen, sondern sie im Schnitt 23 Stunden am Tag stehen zu lassen – also könne man sie gemeinsam verwenden, so die Idee. Langsam breitet sich das Konzept in Wien aus: Was mit Autos und Rädern begann, wird nun mit E-Mopeds oder Tretrollern versucht.
Dabei ist der Sharing-Gedanke nicht neu. Seit bald 60 Jahren werden etwa landwirtschaftliche Fahrzeuge via Maschinenring getauscht, auch das Konzept des Autoteilens via Genossenschaften oder später Carsharing ist schon Jahrzehnte alt. Neu sind aber die digitalen Möglichkeiten: Apps, die das Finden, Mieten, Zurückgeben und Bezahlen massiv vereinfacht haben.
Und die Shared Mobility wird sich in den kommenden Jahren weiter etablieren – vor allem in Großstädten. Das geht etwa aus einer Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger hervor. Demnach stecken dahinter vier globale Megatrends: Eine veränderte Konsumkultur – vom Besitzen hin zum Nutzen –, Ressourcenknappheit, Digitalisierung und Demografie. Die Experten von Roland Berger gehen von der Mobilität als einem der am stärksten wachsenden Sektoren der SharingÖkonomie aus. Mit gemeinsam nutzbaren Autos, Fahrrädern, mit Mitfahrgelegenheiten oder Parkplatzdiensten ließen sich jährliche Zuwachsraten von um die 30 Prozent erreichen – global werde der Markt in den nächsten Jahren ein Multimilliardenbusiness. Die Zahl der Autos nimmt nicht ab. Und auch der VCÖ, der Verkehrsclub Österreich, geht in einer aktuellen Publikation von erheblichem Potenzial in Österreich aus: Demnach nutzen bereits mehr als 100.000 Haushalte Carsharing. Österreichweit nutzt je ein Fünftel nur selten, ein Fünftel nie ein Auto. Am größten ist das Potenzial in Städten: In Wien geben vier von zehn Limettengrün werden sie sein – und vermutlich anfangs ein ziemlich ungewohnter Anblick: Tretroller mit elektrischem Antrieb, die man sich künftig in Wien teilen können wird. Hinter dem jüngsten Sharing-Neuzugang in der Stadt steckt das Start-up „Lime“, das Ende September im Testbetrieb mit 200 bis 300 Rollern starten möchte.
Die Roller können per Smartphone ausgeliehen werden, fixe Mietstationen gibt es nicht. Wie bei den (in Wien gescheiterten, siehe Artikel rechts) Freefloating-Leihrädern wird man die E-Tretroller überall im Stadtgebiet abstellen können. Lime versprach im Vorfeld, sich an die von der Stadt definierten Regeln zu halten und auch die Nutzer per App aufzufordern, die Roller nicht dort zurückzulassen, wo sie verboten sind (etwa in Grünanlagen) oder den Fußgängerverkehr nicht zu behindern. Der Akku der Roller soll einen Tag lang halten – jeden Abend sollen sie von Mitarbeitern eingesammelt und aufgeladen werden. Die Miet- Befragten an, nur wenige Male im Monat oder seltener ein Auto zu nutzen.
Studien hätten gezeigt, dass ein Carsharing-Fahrzeug drei bis 15 private Pkw ersetzen kann – vor allem die Zweit- und Drittwagen in Familien.
Noch hat das aufstrebende Carsharing allerdings noch nicht dazu geführt, dass in Wien weniger Autos unterwegs sind, im Gegenteil. Die Anzahl der Autos steigt. Das liegt allerdings an der wachsenden Bevölkerung, der Motorisierungsgrad, also die Zahl der Autos je Bewohner, sinkt leicht.
Laut VCÖ hat sich das Mobilitätsverhalten in Wien durch das Sharing schon verändert: Nutzer von Free-floating-Systemen wie Car2go würden beispielsweise dadurch weniger mit dem Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und mehr zu Fuß gehen. Ein Phänomen der Großstädte. Auch wenn Wien als Topstadt beim Carsharing gilt, Wien hat aufzuholen. „In Paris und Berlin gibt es viel mehr Systeme als in Wien. Etwa Transporter, die ich ausborgen kann“, erzählt Jonathan Gleixner vom Start-up goUrban. Gleixner bietet nicht nur E-Mopeds in Wien an, die Software dahinter wird für Fahrzeuge vom Fahrrad bis zum Hubschrauber in alle Welt verkauft.
Die Zukunft, sagt Gleixner, liege in dynamischen Modellen, etwa, was die Geschäftsgebiete betrifft, in denen man Fahrzeuge nutzen kann. Damit ein Sharing-Konzept funktioniert, brauche es in erster Linie genügend Verfügbarkeit. Und das limitiert das Phänomen weitgehend auf Großstädte. Dennoch sieht der VCÖ etwa auch Potenzial auf dem Land: Mit Anrufsammeltaxis, Gemeindebussen oder Bike-Sharing. Aber das bleibt wohl vorerst eher Nischenprogramm als die große Revolution, weg vom individuellen Autobesitz.
Wien gilt als Topstadt beim Carsharing, aber in Paris oder Berlin gibt es schon viel mehr.
gebühr wird einen Euro betragen, für jede gefahrene Minute werden 15 Cent berechnet. Ob die Wiener, die sich mit den Freefloating-Fahrrädern nie so recht anfreunden konnten, künftig ihre Liebe zu E-Rollern entdecken, wird sich weisen. In anderen Ländern ist Lime jedenfalls schon seit Längerem präsent. Die Roller sind nicht die einzigen Newcomer am Wiener Markt, der wächst auch um E-Mopeds. Mit ihrer gelben Farbe erinnern sie an die eher unglücklichen asiatischen Leihfahrräder, das Unternehmen dahinter ist aber durch und durch österreichisch. Der ÖAMTC ist Ende August mit 150 E-Mopeds unter dem Namen „Easy Way“ins Sharing-Geschäft eingestiegen. Die Roller sind über die Stadt verteilt und können (weil Moped) von jedem gefahren werden, der einen Autoführerschein hat. Die Registrierung erfolgt via App. Vier Euro kostet eine halbe Stunde, ab dann wird pro Minute abgerechnet, die zehn Cent kostet. 4200 Menschen hätten das auch schon getan, und 1500 Fahrten abgewickelt, heißt es auf Nachfrage.
Der ÖAMTC ist damit der prominenteste, aber bei Weitem nicht der erste E-Roller-Anbieter in Wien. Mit dem Start-up goUrban gibt es bereits 50 E-Roller zum Ausborgen in Schwarz und Weiß in der Stadt. Auf ihnen können (im Gegensatz zu Easy Way) auch zwei Personen sitzen, abgerechnet wird gleich von Anfang an pro Minute, die je nach Paket zwischen 14 bis 21 Cent liegt. 6000 Nutzer hat das Startup, hinter dem Jonathan Gleixner steht, bereits – und es werden regelmäßig mehr. Weswegen man eine Erweiterung plant. „Wir sind komplett ausgelastet“, sagt Gleixner. Das Unternehmen arbeitet daher an mehr Verfügbarkeit und anderen (weiteren) Geschäftsgebieten. In Wien dürfte es jedenfalls einen Markt für Mopeds geben. Mit Mo2Drive gibt es auch einen (benzinbetriebenen) Vespa-Sharer in Wien, der 19 Cent die Minute verlangt.
Um den gleichen Minutenpreis bekommt man auch sowohl benzinbetriebene als auch E-Mopeds von Sco2t. Um rund 30 Euro gibt es die Mopeds des Unternehmens auch für den ganzen Tag. Wer zum Autoführerschein eine kleine Zusatzprüfung macht (oder einen Motorradführerschein hat), der kann bei Sco2t auch einen 125 ccm Roller, also ein kleines Motorrad, ausborgen. Mit denen darf man dann freilich schneller fahren als die 45 km/h mit Mopeds. Nein, nicht alle Leihfahrräder in der Stadt sind verschwunden. Es gibt auch erfolgreiche Modelle, die sich etabliert haben: Die Citybikes – mit ihren für alle Leihfahrräder üblichen harten Vollgummireifen – gibt es freilich als längsten (und auch gut funktionierenden) Anbieter noch. Da sie in eigenen Stationen abgeholt und geparkt werden müssen, und es die Bankomatkarte zur Registrierung braucht, hält sich der Vandalismus dort in Grenzen. Der Nachteil: Ist eine Station voll muss man weiterfahren, um das Rad abzustellen. Ist sie leer, muss man weitersuchen, um sich eines auszuborgen – und in unmittelbarer Nähe sind sie oft auch nicht, außer man ist bei einer U-Bahnstation. Auch das dänische Start-up Donkey Republic ist mit 230 orangen Fahrrädern noch in der Stadt. Das dürfte daran liegen, dass der Verleihprozess zwar auch über die App funktioniert, die Fahrräder aber – ähnlich wie die Citybikes – nur an bestimmten Orten in der Stadt ausgeborgt und zurückgegeben werden können. Nicht, dass man deswegen weniger Autofahren würde – und nicht, dass es das eigene Auto für Wochenenden und Urlaube ersetzen würde: Aber die kleinen blaue Car2gos sind schon wahnsinnig praktisch. Wenn es regnet, wenn ein Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu umständlich wäre – dann ersetzen sie letztlich wohl viele Taxifahrten: Man braucht nicht einmal mehr eine Karte, App reicht, und eines der Autos findet man auch stets innerhalb von ein paar Minuten: Car2go hat sich mit den Smarts in den vergangenen sieben Jahren in Wien etabliert – jüngst vermeldete Car2go, man habe die 150.000-Kundenmarke geknackt, ein Plus von 17 Prozent binnen eines Jahres, mit 800 Fahrzeugen (es sind mittlerweile nicht nur kleine Smarts, es gibt auch Mittelklasse-Mercedes), steht in Wien eine der größten