Die Presse am Sonntag

Räder, Autos, Mopeds, Scooter: Was rollt

Sharing. Kaum sind die Massen an Billigräde­rn entsorgt, kommen schon die nächsten Fahrzeuge zum Teilen: E-Mopeds und Tretroller. Vom großen Verspreche­n, Erfolg und Scheitern gemeinsam genutzter Fahrzeuge.

- VON CHRISTINE IMLINGER, MIRJAM MARITS, EVA WINROITHER

Shared Mobility ist einer der großen globalen Verkehrstr­ends – vor allem in Metropolen: Hier ist Platz knapp, die Verkehrsdi­chte hoch, und es ergibt wenig Sinn, Autos zu besitzen, um sie kaum zu nutzen, sondern sie im Schnitt 23 Stunden am Tag stehen zu lassen – also könne man sie gemeinsam verwenden, so die Idee. Langsam breitet sich das Konzept in Wien aus: Was mit Autos und Rädern begann, wird nun mit E-Mopeds oder Tretroller­n versucht.

Dabei ist der Sharing-Gedanke nicht neu. Seit bald 60 Jahren werden etwa landwirtsc­haftliche Fahrzeuge via Maschinenr­ing getauscht, auch das Konzept des Autoteilen­s via Genossensc­haften oder später Carsharing ist schon Jahrzehnte alt. Neu sind aber die digitalen Möglichkei­ten: Apps, die das Finden, Mieten, Zurückgebe­n und Bezahlen massiv vereinfach­t haben.

Und die Shared Mobility wird sich in den kommenden Jahren weiter etablieren – vor allem in Großstädte­n. Das geht etwa aus einer Studie des Beratungsu­nternehmen­s Roland Berger hervor. Demnach stecken dahinter vier globale Megatrends: Eine veränderte Konsumkult­ur – vom Besitzen hin zum Nutzen –, Ressourcen­knappheit, Digitalisi­erung und Demografie. Die Experten von Roland Berger gehen von der Mobilität als einem der am stärksten wachsenden Sektoren der SharingÖko­nomie aus. Mit gemeinsam nutzbaren Autos, Fahrrädern, mit Mitfahrgel­egenheiten oder Parkplatzd­iensten ließen sich jährliche Zuwachsrat­en von um die 30 Prozent erreichen – global werde der Markt in den nächsten Jahren ein Multimilli­ardenbusin­ess. Die Zahl der Autos nimmt nicht ab. Und auch der VCÖ, der Verkehrscl­ub Österreich, geht in einer aktuellen Publikatio­n von erhebliche­m Potenzial in Österreich aus: Demnach nutzen bereits mehr als 100.000 Haushalte Carsharing. Österreich­weit nutzt je ein Fünftel nur selten, ein Fünftel nie ein Auto. Am größten ist das Potenzial in Städten: In Wien geben vier von zehn Limettengr­ün werden sie sein – und vermutlich anfangs ein ziemlich ungewohnte­r Anblick: Tretroller mit elektrisch­em Antrieb, die man sich künftig in Wien teilen können wird. Hinter dem jüngsten Sharing-Neuzugang in der Stadt steckt das Start-up „Lime“, das Ende September im Testbetrie­b mit 200 bis 300 Rollern starten möchte.

Die Roller können per Smartphone ausgeliehe­n werden, fixe Mietstatio­nen gibt es nicht. Wie bei den (in Wien gescheiter­ten, siehe Artikel rechts) Freefloati­ng-Leihrädern wird man die E-Tretroller überall im Stadtgebie­t abstellen können. Lime versprach im Vorfeld, sich an die von der Stadt definierte­n Regeln zu halten und auch die Nutzer per App aufzuforde­rn, die Roller nicht dort zurückzula­ssen, wo sie verboten sind (etwa in Grünanlage­n) oder den Fußgängerv­erkehr nicht zu behindern. Der Akku der Roller soll einen Tag lang halten – jeden Abend sollen sie von Mitarbeite­rn eingesamme­lt und aufgeladen werden. Die Miet- Befragten an, nur wenige Male im Monat oder seltener ein Auto zu nutzen.

Studien hätten gezeigt, dass ein Carsharing-Fahrzeug drei bis 15 private Pkw ersetzen kann – vor allem die Zweit- und Drittwagen in Familien.

Noch hat das aufstreben­de Carsharing allerdings noch nicht dazu geführt, dass in Wien weniger Autos unterwegs sind, im Gegenteil. Die Anzahl der Autos steigt. Das liegt allerdings an der wachsenden Bevölkerun­g, der Motorisier­ungsgrad, also die Zahl der Autos je Bewohner, sinkt leicht.

Laut VCÖ hat sich das Mobilitäts­verhalten in Wien durch das Sharing schon verändert: Nutzer von Free-floating-Systemen wie Car2go würden beispielsw­eise dadurch weniger mit dem Taxi oder öffentlich­en Verkehrsmi­tteln fahren und mehr zu Fuß gehen. Ein Phänomen der Großstädte. Auch wenn Wien als Topstadt beim Carsharing gilt, Wien hat aufzuholen. „In Paris und Berlin gibt es viel mehr Systeme als in Wien. Etwa Transporte­r, die ich ausborgen kann“, erzählt Jonathan Gleixner vom Start-up goUrban. Gleixner bietet nicht nur E-Mopeds in Wien an, die Software dahinter wird für Fahrzeuge vom Fahrrad bis zum Hubschraub­er in alle Welt verkauft.

Die Zukunft, sagt Gleixner, liege in dynamische­n Modellen, etwa, was die Geschäftsg­ebiete betrifft, in denen man Fahrzeuge nutzen kann. Damit ein Sharing-Konzept funktionie­rt, brauche es in erster Linie genügend Verfügbark­eit. Und das limitiert das Phänomen weitgehend auf Großstädte. Dennoch sieht der VCÖ etwa auch Potenzial auf dem Land: Mit Anrufsamme­ltaxis, Gemeindebu­ssen oder Bike-Sharing. Aber das bleibt wohl vorerst eher Nischenpro­gramm als die große Revolution, weg vom individuel­len Autobesitz.

Wien gilt als Topstadt beim Carsharing, aber in Paris oder Berlin gibt es schon viel mehr.

gebühr wird einen Euro betragen, für jede gefahrene Minute werden 15 Cent berechnet. Ob die Wiener, die sich mit den Freefloati­ng-Fahrrädern nie so recht anfreunden konnten, künftig ihre Liebe zu E-Rollern entdecken, wird sich weisen. In anderen Ländern ist Lime jedenfalls schon seit Längerem präsent. Die Roller sind nicht die einzigen Newcomer am Wiener Markt, der wächst auch um E-Mopeds. Mit ihrer gelben Farbe erinnern sie an die eher unglücklic­hen asiatische­n Leihfahrrä­der, das Unternehme­n dahinter ist aber durch und durch österreich­isch. Der ÖAMTC ist Ende August mit 150 E-Mopeds unter dem Namen „Easy Way“ins Sharing-Geschäft eingestieg­en. Die Roller sind über die Stadt verteilt und können (weil Moped) von jedem gefahren werden, der einen Autoführer­schein hat. Die Registrier­ung erfolgt via App. Vier Euro kostet eine halbe Stunde, ab dann wird pro Minute abgerechne­t, die zehn Cent kostet. 4200 Menschen hätten das auch schon getan, und 1500 Fahrten abgewickel­t, heißt es auf Nachfrage.

Der ÖAMTC ist damit der prominente­ste, aber bei Weitem nicht der erste E-Roller-Anbieter in Wien. Mit dem Start-up goUrban gibt es bereits 50 E-Roller zum Ausborgen in Schwarz und Weiß in der Stadt. Auf ihnen können (im Gegensatz zu Easy Way) auch zwei Personen sitzen, abgerechne­t wird gleich von Anfang an pro Minute, die je nach Paket zwischen 14 bis 21 Cent liegt. 6000 Nutzer hat das Startup, hinter dem Jonathan Gleixner steht, bereits – und es werden regelmäßig mehr. Weswegen man eine Erweiterun­g plant. „Wir sind komplett ausgelaste­t“, sagt Gleixner. Das Unternehme­n arbeitet daher an mehr Verfügbark­eit und anderen (weiteren) Geschäftsg­ebieten. In Wien dürfte es jedenfalls einen Markt für Mopeds geben. Mit Mo2Drive gibt es auch einen (benzinbetr­iebenen) Vespa-Sharer in Wien, der 19 Cent die Minute verlangt.

Um den gleichen Minutenpre­is bekommt man auch sowohl benzinbetr­iebene als auch E-Mopeds von Sco2t. Um rund 30 Euro gibt es die Mopeds des Unternehme­ns auch für den ganzen Tag. Wer zum Autoführer­schein eine kleine Zusatzprüf­ung macht (oder einen Motorradfü­hrerschein hat), der kann bei Sco2t auch einen 125 ccm Roller, also ein kleines Motorrad, ausborgen. Mit denen darf man dann freilich schneller fahren als die 45 km/h mit Mopeds. Nein, nicht alle Leihfahrrä­der in der Stadt sind verschwund­en. Es gibt auch erfolgreic­he Modelle, die sich etabliert haben: Die Citybikes – mit ihren für alle Leihfahrrä­der üblichen harten Vollgummir­eifen – gibt es freilich als längsten (und auch gut funktionie­renden) Anbieter noch. Da sie in eigenen Stationen abgeholt und geparkt werden müssen, und es die Bankomatka­rte zur Registrier­ung braucht, hält sich der Vandalismu­s dort in Grenzen. Der Nachteil: Ist eine Station voll muss man weiterfahr­en, um das Rad abzustelle­n. Ist sie leer, muss man weitersuch­en, um sich eines auszuborge­n – und in unmittelba­rer Nähe sind sie oft auch nicht, außer man ist bei einer U-Bahnstatio­n. Auch das dänische Start-up Donkey Republic ist mit 230 orangen Fahrrädern noch in der Stadt. Das dürfte daran liegen, dass der Verleihpro­zess zwar auch über die App funktionie­rt, die Fahrräder aber – ähnlich wie die Citybikes – nur an bestimmten Orten in der Stadt ausgeborgt und zurückgege­ben werden können. Nicht, dass man deswegen weniger Autofahren würde – und nicht, dass es das eigene Auto für Wochenende­n und Urlaube ersetzen würde: Aber die kleinen blaue Car2gos sind schon wahnsinnig praktisch. Wenn es regnet, wenn ein Weg mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu umständlic­h wäre – dann ersetzen sie letztlich wohl viele Taxifahrte­n: Man braucht nicht einmal mehr eine Karte, App reicht, und eines der Autos findet man auch stets innerhalb von ein paar Minuten: Car2go hat sich mit den Smarts in den vergangene­n sieben Jahren in Wien etabliert – jüngst vermeldete Car2go, man habe die 150.000-Kundenmark­e geknackt, ein Plus von 17 Prozent binnen eines Jahres, mit 800 Fahrzeugen (es sind mittlerwei­le nicht nur kleine Smarts, es gibt auch Mittelklas­se-Mercedes), steht in Wien eine der größten

 ?? Fabry ?? Jonathan Gleixner will mit seinem Start-up goUrban gemeinscha­ftlich genutzte E-Roller in der Stadt etablieren.
Fabry Jonathan Gleixner will mit seinem Start-up goUrban gemeinscha­ftlich genutzte E-Roller in der Stadt etablieren.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria