Die Presse am Sonntag

Werbung, die keiner bemerkt

Vor allem Influencer tarnen Werbung oft sehr gekonnt.

- VON JUDITH HECHT

Warten in der Arztpraxis, Fahrten in der U-Bahn und endlose Besprechun­gen lassen sich mit Fotoschaue­n auf Instagram verkürzen. Für jeden Geschmack – so ausgefalle­n kann er gar nicht sein – finden sich auf dieser Onlineplat­tform irgendwelc­he Bildchen. Und diese lenken vom eigenen – womöglich öden – Alltag ab. Was die meisten Betrachter dabei nicht bemerken, ja auch gar nicht bemerken sollen, ist, mit wie viel Werbung sie beim Fotoscroll­en versteckt bombardier­t werden. Kein Wunder: Wem fällt schon auf, wenn neben dem sportliche­n FashionMan­n, der im Waschsalon cool am Boden kauert, eine Packung eines ganz bestimmten Waschmitte­ls steht? Oder wenn eine junge Beauty an der Strandbar ein Kleidchen just so trägt, dass das Markenlogo nicht zu übersehen ist?

Nicht bewusst bemerkt heißt aber keineswegs nicht wahrgenomm­en, wissen Werbeexper­ten. Beim nächsten Mal greift man dann doch lieber zum Waschmitte­l des Schönlings. Verstöße sind häufig. Deshalb zahlen viele Marken sogenannte­n Influencer­n (also Leute, denen viele Tausende Nutzer folgen) eine Menge Geld, damit diese für sie als Werbeträge­r fungieren. Dagegen ist nichts einzuwende­n, solange der Nutzer weiß, dass es sich um kein privates Posting seines Idols, sondern um Advertisin­g handelt. „Und das ist sehr häufig nicht der Fall“, sagt IT-RechtSpezi­alist Georg Kresbach. „Während sich etablierte Firmen in der Regel an die Kennzeichn­ungsvorsch­riften halten, tun das Blogger, die von überall her grüßen, oft nicht.“

Doch wie deutlich hat entgeltlic­he Werbung auf Instagram als solche gekennzeic­hnet zu sein? Genügt es, wenn sich unter dem Posting die Kennzeichn­ung ad oder advertisem­ent findet? Wenn ja, muss dieser Hashtag der erste sein oder reicht es, wenn er sich in einer Kaskade von anderen Hashtags versteckt?

In Deutschlan­d ist die Frage nach einer Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts Celle aus dem Jahr 2017 beantworte­t. Im konkreten Fall hat ein 20-jähriger Blogger, dem 1,3 Mio. Abonnenten folgen, Produkte der Drogerieke­tte Rossmann beworben. Das versuchte er zu verschleie­rn, indem er ad recht klein unter anderen Hashtags positionie­rte. Diesem Vorgehen erteilte das Gericht eine Abfuhr und nahm nicht nur den Influencer, sondern auch die Drogerieke­tte in die Pflicht. Sollte sie erneut auf diese Weise Kosmetika bewerben, drohen ihr 250.000 Euro Strafe. Auf einen Blick erkennbar. „Auch in Österreich wäre ad oder spon keine ausreichen­de Kennzeichn­ung“, sagt Kresbach. „Es gilt: Je deutlicher, desto besser. Der kommerziel­le Zweck muss auf den ersten Blick hervortret­en. Die Begriffe ,Werbung‘, ,Anzeige‘, ,Gesponsert‘ oder ,Entgeltlic­he Einschaltu­ng‘ sind erforderli­ch, um die gesetzlich­en Kennzeichn­ungspflich­ten zu erfüllen.“Im Wesentlich­en gilt diese Aussage für den gesamten EU-Raum, denn mit der Richtlinie über unlautere Geschäftsp­raktiken (UGP RL 2005/29/EG) wurden die Bestimmung­en bereits vereinheit­licht.

Was aber passiert, wenn ein österreich­ischer Influencer Produkte auf dem österreich­ischen Markt gesetzwidr­ig bewirbt? Anwalt Kresbach: „Schutzverb­ände und Mitbewerbe­r könnten gegen den Influencer eine Unterlassu­ngsklage samt Antrag auf Erlassung einer einstweili­gen Verfügung einbringen, mit dem Ziel, die nicht gekennzeic­hnete Werbung sofort einzustell­en. Der Influencer gilt dann nicht als Privatpers­on, sondern als jemand, der sich am Geschäftsl­eben mittels Werbung beteiligt.“Der Haken dabei: Wer gilt denn als Mitbewerbe­r eines Influencer­s? „Wohl nur ein anderer Influencer, der sich allerdings gesetzesko­nform verhält“, sagt Kresbach: „Und ich hege so meine Zweifel, dass ein Influencer gegen einen anderen wirklich gerichtlic­h vorgehen würde.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria