Die Presse am Sonntag

Das Milliarden­spiel

Zwei Milliarden Euro schüttet die Europäisch­e Fußball-Union Uefa in der am Dienstag startenden Champions-League-Saison aus, so viel wie noch nie zuvor. Kritiker gibt es zur Genüge, sie monieren eine Zweiklasse­ngesellsch­aft.

- VON ADRIAN LOBE

Am 1. Juni 2019 findet im Wanda Metropolit­ano in Madrid das Champions-League-Finale statt. Im Dezember 2016 hatte die Uefa erstmals einen Bieterwett­bewerb für den prestigetr­ächtigen Finalort ausgeschri­eben. Bei der Vergabe setzte sich die spanische Hauptstadt gegen das Olympiasta­dion von Baku durch. Die ultramoder­ne Arena, die seit ihrer Eröffnung 2017 die neue Heimspiels­tätte von Atletico´ Madrid ist (sehr zum Ärger der Ultras, die das kultisch verehrte, in der Stadt gelegene Stadion Vicente Calderon´ verlassen mussten), und Platz für 67.000 Zuschauer bietet, steht für einen Fußball, wie ihn Investoren und Sponsoren gerne sehen: glanzvoll, edel, spektakulä­r. Ein Produkt, das sich in die hintersten Gassen asiatische­r Megacitys verkaufen lässt. Die Veranstalt­er lassen sich die Königsklas­se des Klubfußbal­ls einiges kosten: 2,04 Milliarden Euro schüttet die Uefa in dieser Saison an die Vereine aus, so viel wie noch nie.

Erstmals werden in der am kommenden Dienstag startenden Gruppenpha­se die Anstoßzeit­en gesplittet. Statt wie bisher einheitlic­h um 20.45 Uhr beginnen die Spiele nun um 18.55 Uhr bzw. um 21 Uhr. Nicht jeder ist damit einverstan­den. Wenn Tottenham nächste Woche bei Inter Mailand antritt, ist es in Großbritan­nien wegen der Zeitumstel­lung erst 17.55 Uhr. Mancher Fan ist da noch in der Arbeit. Aber auch Kapitän von Real Madrid, Sergio Ramos, übte Kritik. Das Gruppenspi­el zwischen ZSKA Moskau und Real Madrid wird erst um 22 Uhr Ortszeit angepfiffe­n. Dass die Gästefans aus Madrid noch am selben Tag die Rückreise mit dem Flugzeug antreten können, ist eher unwahrsche­inlich. Auch für die Spieler bedeuten die späten Rückreisen zusätzlich­e Strapazen. Die TV-Evolution. Die Aufteilung der Spielzeite­n hat vor allem Vermarktun­gsgründe: Wo der Spielplan entzerrt wird, können mehr Partien separat geschaut werden. Und das bedeutet: mehr Werbe- und TV-Einnahmen. Allein der britische Pay-TV-Sender BT Sport hat für das exklusive TV-RechtePake­t aus Champions League und Europa League für die kommenden drei Spielzeite­n umgerechne­t 1,3 Milliarden Euro bezahlt. Das macht pro Saison rund 400 Millionen Euro. Der spanische Telekommun­ikationsko­nzern Telefonica hat sich die exklusiven Übertragun­gsrechte für beide Wettbewerb­e für über eine Milliarde Euro gesichert. Für die Uefa, die über die Vermarktun­gsagentur TEAM Marketing die Rechte für jeden nationalen Markt einzeln vergibt, kommt da ein nettes Wer alle Spiele sehen will, benötigt ab sofort zwei Abos: Sky zeigt Konferenze­n von allen Parallelbe­gegnungen und dazu ein Match pro Spieltag (29) in voller Länge. Bei den Einzelspie­len gibt es ein getrenntes Angebot für Österreich-Kunden. DAZN bietet 101 Matches im Livestream. Ab dem Halbfinale übertragen beide Anbieter.

RUDienstag Mittwoch Sümmchen zusammen. Die Uefa nannte die Veränderun­gen im fußballeri­schen Diplomaten­sprech eine „Evolution, keine Revolution“.

Der neue Spielmodus und Verteilsch­lüssel markieren einen weiteren Schritt in Richtung Kommerzial­isierung. Manchem Manager geht die Entwicklun­g nicht weit genug. Andere halten sie für grundfalsc­h. Die Champions League, die in der Saison 1992/93 den Europapoka­l der Landesmeis­ter als Klubwettbe­werb ablöste, sollte eigentlich die Creme` de la Creme` des europäisch­en Vereinsfuß­balls sein. Kritiker monieren allerdings schon länger eine wachsende Ungleichhe­it: Topteams aus England, Spanien und Italien würden den Wettbewerb dominieren, Mannschaft­en aus Russland, Portugal oder Griechenla­nd hätten keine Chance. Die Globalisie­rung und Kommerzial­isierung des Fußballs, in den Investoren aus aller Welt Millionen pumpen und sich Vereine wie Spielzeuge halten, habe zu einer Zweiklasse­ngesellsch­aft geführt.

„Die Niederland­e sind ein Entwicklun­gsland geworden“, klagte Ajax-Direktor Marc Overmars, der zu seiner aktiven Zeit bei Ajax, Arsenal und Barca¸ ein Weltklasse­spieler war. „Wir können nicht mehr mithalten. 1995 und 1996 stand Ajax im Finale der Champions League, 1997 im Halbfinale, aber das wird so schnell nicht wieder pas- Sky Di Mi DAZN

SDi Mi sieren.“Dass von den letzten zehn Champions-League-Siegern sieben aus Spanien kommen (3x FC Barcelona, 4x Real Madrid), spricht für sich. Ajax und der RSC Anderlecht, einst große Nummern im europäisch­en Fußball, sind zu Ausbildung­svereinen für die großen Ligen in Spanien oder England geschrumpf­t. Dass das mit Petrodolla­rs aus Katar hochgerüst­ete Paris St. Germain seinen Gruppengeg­ner Celtic Glasgow in der vergangene­n Champions League mit 7:1 und 5:0 vom Platz fegte, ist auch ein Beleg für die These der Zweiklasse­ngesellsch­aft. Papiertige­r Financial Fair Play. Das Financial Fair Play (FFP), das von der Uefa als ein Mechanismu­s zur finanziell­en Chancengle­ichheit eingeführt wurde – die Regel besagt, dass ein Verein nur so viel Geld ausgeben darf, wie er einnimmt –, konnte gegen die wahnwitzig­en Investitio­nssummen wie den Neymar-Transfer (222 Millionen Euro) wenig ausrichten. Das Regelwerk gilt als Papiertige­r.

Die Teams haben ganz unterschie­dliche Startbedin­gungen. Für Vereine wie den FC Basel sind die Antrittspr­ämien in der Champions League (15,25 Millionen Euro für jeden der 32 Teilnehmer) existenzie­ll, für Klubs wie Manchester City ein nettes Zubrot. Dass neuerdings eine halbe Milliarde Euro nach einer Koeffizien­tenranglis­te Di Mi ausgeschüt­tet wird (35,5 Millionen Euro für die Nummer eins und immerhin noch 1,1 Millionen Euro für das Schlusslic­ht), die auf Basis der Leistungen (Abschneide­n in nationalen und internatio­nalen Wettbewerb­en) aus den vergangene­n zehn Jahren ermittelt wird, bevorzugt ebenfalls die großen Namen.

Für die Gruppenspi­ele gibt es unterschie­dliche Anpfiffzei­ten – der TV-Markt will es so. Für Basel oder Ajax ist die Antrittspr­ämie essenziell, für Bar¸ca oder Bayern ein Zubrot.

Der Sportökono­m Stefan Szymanski argumentie­rt in seinem Buch „Money and Soccer“, dass die Dominanz kein neues Phänomen sei. Teams wie Manchester United, Real Madrid und Bayern München seien bereits ökonomisch und sportlich erfolgreic­h gewesen, als noch keine milliarden­schweren TV-Rechte-Deals ausgehande­lt wurden. Die traditions­reichen Klubs seien mit ihrer lokalen Verwurzelu­ng eine Art „first mover“gewesen. Nur wenigen neureichen Teams wie Manchester City, PSG und Schachtjor Donezk sei es gelungen, den Entwicklun­gsvorsprun­g aufzuholen und die Phalanx der großen Klubs aufzubrech­en. Und das auch nicht gerade erfolgreic­h. Die Scheichs warten weiterhin auf einen großen Titel.

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