Charakterbildung im Höchsttempo
Das Heimrennen in Spielberg ist für DTM-Pilot Lucas Auer stets besondere Freude und Motivation. Ob des nahenden Ausstiegs von Mercedes steht der Tiroler an einem Scheideweg seiner Karriere, er selbst ist für alles offen – auch für die Formel E.
Die Ausgangslage ist ein bisschen eine andere als im Vorjahr, die Freude aber unverändert groß. Am kommenden Wochenende gastiert Lucas Auer mit der DTM-Serie für zwei Rennen (Samstag und Sonntag, je 13.15 Uhr, live, ORF eins) auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg. „Ich bin stolz, ein Heimrennen zu haben, und freue mich sehr“, betont der Tiroler. Im Gegensatz zu 2017, als er als Gesamtzweiter anreiste, hat er diesmal auf Rang sieben liegend mit der Titelentscheidung nichts mehr zu tun. Dafür liefert sich das MercedesDuo an der Spitze ein enges Duell: Vor den letzten beiden Stationen trennen Gary Paffett und Paul di Resta nur zwei Punkte, zudem hat Audi-Pilot Rene´ Rast zuletzt mit zwei Siegen auf dem Nürburgring seinen Rückstand auf 57 Zähler reduziert. Den Fans in der Obersteiermark garantiert der Lokalmatador deshalb ein Spektakel: „In dieser Saison geht es drunter und drüber, es werden die Fetzen fliegen.“
Das hat Auer am eigenen Leib erfahren. Gleich fünfmal startete der Mercedes-Werkspilot vom HWA-Team aus der ersten Startreihe, auf den fünften DTM-Sieg seiner Karriere aber muss er heuer weiter warten. „Der Speed ist da“, erklärt der 24-Jährige, der zuletzt in Deutschland zweimal nicht anschrieb – zum insgesamt siebenten Mal in dieser Saison. „Wir haben unsere sieben Zwetschgen nicht beinander gehabt, Pole Positions oder Rennführungen nicht umgesetzt. Das ist hart, aber so wie es im Sport nach oben geht, geht es auch nach unten“, sagt Auer und bezeichnet das Wellental der Emotionen als „charakterbildend“. Ohne Karriereplan. Ob Auer auch 2019 mit der DTM nach Spielberg kommen wird, steht noch in den Sternen. Da Arbeitgeber Mercedes sich nach der Saison zurückzieht und auf die Formel E umsattelt, steht der 24-Jährige an einem Scheideweg. Noch möchte er sich nicht zu seiner Zukunft äußern, grundsätzlich aber schließt er keine Option aus – auch nicht den Wechsel vom Benzin- zum Elektromotor. „Ich bin für alles offen.“Die Formel 1 scheint, nicht zuletzt angesichts des schwierigen Fahrermarkts, derzeit kein Thema zu sein, obgleich Testfahrten für Force India im Vorjahr die Hoffnungen auf einen Aufstieg kurzfristig genährt haben. „Damit beschäftige ich mich, ehrlich gesagt, nicht, aktuell geht der Fokus woanders hin“, erklärt Auer im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.
Die Leidenschaft für Motorsport liegt bei Auer jedenfalls in der Familie, seine Mutter Claudia ist die Schwester von Gerhard Berger, ehemals Formel-1-Pilot und jetzt als DTM-Chef (siehe Artikel unten) unterwegs. Die ewigen Vergleiche mit dem berühmten Onkel bringen den Kufsteiner nicht aus der Ruhe, zumal ihm dieser im Auto ohnehin nicht helfen könne. Auf vier Rädern ist Auer seit seinem siebenten Lebensjahr unterwegs, seine erste Runde drehte er in einem Kart. Über Rennen in Tirol und Bayern arbeitete er sich in die deutsche Juniorenmeisterschaft hoch, 2011 schaffte er den Sprung in den Formelsport. Die rotweiß-roten Hoffnungen auf den nächsten F-1-Fahrer ruhten fortan auf seinen Schultern, nach drei Rennsiegen und zehn Podestplätzen in der Formel 3 wechselte er jedoch 2015 in die DTM.
Diese Entscheidung bereut Auer bis heute nicht. „Der Schritt in die
Lucas Auer
wurde am 11. September 1994 geboren. Der Tiroler ist der Neffe des ehemaligen F-1-Piloten und jetzigen DTM-Chefs Gerhard Berger.
Karriere
Auer saß erstmals im Alter von sieben Jahren in einem Kart und fuhr erst in Tirol, dann in Bayern und später in der deutschen Juniorenmeisterschaft. 2011 wechselte er in den Formelsport in Asien und Neuseeland, 2014 in die europäische Formel 3, in der er drei Siege feierte und Gesamtvierter wurde.
DTM-Serie
Seit 2015 fährt Auer in der DTM für Mercedes (ART, Mücke und aktuell HWA) und hält bei vier Rennsiegen. Im Sommer des Vorjahres absolvierte der Tiroler Testfahrten für das F-1-Team Force India.
Zukunft
Mit Saisonende zieht sich Mercedes aus der DTM zurück. Auer ließ seine nächste Karrierestation vorerst noch offen. DTM war der richtige. Meine Weiterentwicklung ist irrsinnig gut, ich habe bewiesen, was ich kann“, betont er, inzwischen in seiner vierten Saison. Als Schlüsselmoment bezeichnet er seinen ersten Sieg vor zwei Jahren auf dem Lausitzring, da sei ihm der Knoten aufgegangen. „Da habe ich verstanden, wie das Spiel in der DTM läuft. Seitdem geht es steil bergauf.“Langfristig plant Auer seine Karriere nicht („Im Motorsport musst du Jahr für Jahr Leistung bringen“), rückblickend sei diese aber nach Wunsch verlaufen. Liebe für Tempo und Berge. Bevor sich Auer also womöglich neuen Herausforderungen stellt, liegt der Fokus noch ganz auf dem DTM-Saisonfinish. In der Vorbereitung auf dieses Jahr hat er sich erstmals gemeinsam mit Ex-Biathlet Günther Beck fit gemacht, vor dem Rennen selbst vertraut er seinem eigenen Ritual: Kurz vor dem Start jongliert er – nicht nur mit Bällen, sondern fast allem, was ihm unter die Finger kommt. „Da kommt man hinaus aus dem Tunnel und kann sich noch einmal neu konzentrieren.“Auch abseits der Rennstrecke verzichtet der Tiroler nicht auf Tempo, „im Winter fahre ich Ski wie ein Verrückter“. Die Berge seien seine Liebe, „da kann ich abschalten“.
Titelchancen hat Auer nicht mehr. »Der Speed ist da, wir haben es nicht umgesetzt.«
Als nächste Station aber wartet der Red-Bull-Ring, Rennstrecke und Anlage in Spielberg haben es Auer angetan, die vorletzte Kurve vor der Boxeneinfahrt ist für ihn eine der anspruchsvollsten der ganzen Saison. In acht DTM-Auflagen gab es keinen rot-weiß-roten Sieg in der Obersteiermark, der MercedesWerkspilot hat als bestes Resultat bislang einen sechsten Platz aus dem Jahr 2016 zu Buche stehen. Im Kampf um den Titel zwischen seinen beiden Mercedes-Kollegen sieht er keinen Favoriten. „Die Frage wird sein, wer es schafft, die wenigsten Fehler zu machen.“