FAKTEN
danda mit Maha entstieg. Auf Agamajustice.com ist eine Tonaufnahme abrufbar, in der er sich als Sextherapeut und „Doktor der dritten Art“bezeichnet, der „Medizin“gegen den Willen seiner Patienten verabreiche und Frauen gegen ihren Willen „nehme“.
Eine der schärfsten Stimmen in der Kommentarlawine aus der ganzen Welt ist Nancy Miller aus Kanada, die ein Jahrzehnt lang bei Agama aktiv war. „Ich war immer angeekelt von Narcis und habe diese Gefühle unterdrückt“, sagt sie. „Nach ein paar Jahren dort fing ich an zu glauben, dass der Feminismus schuld an der Zerstörung der Mann-Frau-Beziehungen ist. Das ist kein Tantra dort. Das ist Sexismus.“ Vor drei Jahren begann Miller, offen über den Missbrauch bei Agama zu reden. Jetzt wird sie darüber und über die bizarren Praktiken der Schule ein Buch schreiben – wie zum Beispiel diese, tagelang isoliert in einer stockdunklen Hütte zu verbringen und nur Milch zu trinken. „Einige sind danach in der Psychiatrie gelandet. Ich schäme mich enorm für diese Schule.“Die Vorstellung, nach Koh Phangan zurückzukehren, bereitet ihr Übelkeit. „Wenn Agama geschlossen ist, wird ein Besuch leichter fallen.“
Agama war bis vergangene Woche noch offen, hat aber alle Videos des Swami auf YouTube und der Webseite gelöscht. Dort vermerkte die Institution, dass sie durch eine „temporäre Restrukturierung“gehe. Maha, die jetzt die Geschäfte führt, schrieb in einem offenen Brief: „Wir verändern uns. Veränderung braucht Zeit. Wir haben unser tiefes Bedauern ausgedrückt.“Sie wollte nicht für diesen Artikel interviewt werden, so lange eine von ihr in Auftrag gegebene „unabhängige interne Untersuchung“und der offizielle Polizeibericht noch nicht abgeschlossen seien. Diese Woche veröffentlichte die Schule ein Statement, dass sie in der Nebensaison für drei Monate geschlossen sei. Man entschuldige sich bei den Schülern für jedes Leid, das ihnen Agama-Lehrer eventuell zugefügt hätten. Außerdem gebe es neue Regeln – Sex zwischen Lehrer und Schüler ist nun untersagt.
Schon im August wurde Agamas Mitgliedschaft bei der Yoga Alliance bis auf Weiteres suspendiert. Hunderte von Yogis, die in den letzten 15 Jahren Agama-Kurse absolviert haben, stehen jetzt unter Generalverdacht, eine Sex-Sekte unterstützt zu haben. Die emotionale Entladung in den Social-Media-Gruppen reicht von Angriff über Scham und Buße zu Verteidigung. Doch der Sturm in der Neo-Tantra- und Yoga-Szene offenbart nur einen der vielen Abgründe auf dem ausgetrampelten „Eat Pray Love“-Pfad. Im Jänner 2018 verurteilte ein tschechisches Gericht Jaroslav Dobes,ˇ Guru Jara genannt, und seine Helferin Barbora Plaskova zu über sieben Jahren Gefängnis wegen Vergewaltigung von sechs Frauen. In seiner Esoterikschule hatte Dobesˇ versprochen, sie durch Geschlechtsverkehr von „Blockaden“zu befreien – in einem Zustand, in dem die Frauen nach tantrischen Atemübungen keine volle Kontrolle mehr über ihren Körper hatten.
Im Februar wurde ein Workshop des Engländers Newman Alexander abgesagt, der zuvor als „London Faerie“mit extravaganten Angeboten zwischen Abartigem und Bewusstseinstraining durch die Welt getourt war. Im Gegensatz zu den Yoga-Patriarchen unter
MeToo-Verdacht war er jedoch in der Lage zu Selbstreflexion. „Nachdem ich über all das nachgedacht habe, was mir mitgeteilt wurde, stimme ich damit überein, dass ich im Lauf der letzten zehn Jahre eine Reihe nicht akzeptierbarer Handlungen begangen habe.“Nach dem Mea-Culpa-Statement hörte Alexander auf zu arbeiten und ging in Therapie. Eine einsame Ausnahme.
Im Juni musste das Oberhaupt von Shambhala International abtreten, eine der größten westlichen buddhistischen Organisationen mit Meditationsstätten in über 30 Ländern. Es hatte Anhängerinnen über Jahre sexuell missbraucht und ausgebeutet. Vor Kurzem wurde Sri Prem Baba, ein Guru aus Brasilien, mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Klare Grenzen. „Es ist verrückt, was ich nach zehn Jahren in meinem Beruf sehe“, sagt Matthias Schwenteck aus Berlin. „Mich turnt dieser ganze EsoKram nur noch ab.“Er und seine Partnerin Robyn Dalzen sind Mitbegründer der School of Consent der amerikanischen Sex-Aufklärerin Betty Martin. Ihr „Wheel of Consent“bringt klare Grenzen und Selbstwahrnehmung für Beziehungen und Berührungen jeder Art bei – etwas, das laut Schwenteck schon Teenagern in der Schule beigebracht werden sollte. „Falls sich mein Workshop nur für eine Person unangenehm anfühlt, dann stimmt etwas mit der gesamten Dynamik nicht. Viele, die Bodywork-Kurse anbieten, haben das nicht verinnerlicht – vor allem, wenn das Angebot an ,Frischfleisch‘ groß ist.“Als er aufstrebender Tantralehrer war, hatte der 49-Jährige etliche grenzwertige Situationen erlebt. „Wir brauchen dringend eine selbstregulierende professionelle Organisation.“Um die Frage „Warum habe ich das zugelassen?“besser
Tantra und Yoga.
Tantra und Yoga sind nicht das Gleiche, aber es gibt viele tantrische Prinzipien, die auch im Yoga vorkommen, und umgekehrt. Bei Agama wurden sowohl Tantra als auch Yoga gelehrt, aber in separaten Kursen und Levels. Bei Tantra geht es vor allem um Energie, diese kann auch sexuell sein. Das Wort kommt aus dem Sanskrit und wird mit „Gewebe, Zusammenhang“übersetzt. Yoga ist für seine Anhänger eine Philosophie oder Lehre, die mit verschiedenen körperlichen und geistigen Übungen einhergeht.
Swami.
Im Hinduismus ist Swami der Titel für einen Guru oder Yogameister. Viele AgamaOpfer weigern sich mittlerweile, Narcis Tarcau so zu nennen.
Zur Autorin:
Anke Richter lebt in Neuseeland und schreibt seit 30 Jahren als freie Autorin Auslandsreportagen für die „Welt am Sonntag“, Spiegel online, „FAZ“u.v.a. und lebt in Neuseeland. zu verarbeiten, startete er die Facebook-Gruppe Tantra Not Trauma, die mit über 5000 Mitgliedern zur inoffiziellen MeToo-Plattform der Szene geworden ist. „Einiges, was ich mitbekomme, sollte an die Polizei weitergeben werden“, sagt Schwenteck. Was dem oft im Weg stünde, sei die „spirituelle Umgehungsstraße“der Täter, die der missbrauchten Person sagen, es sei alles „ihre eigene Story“, sie müsse sich „aus dem Opferbewusstsein befreien“. So wie es bei vielen Agama-Frauen geschah.
Sein eigener Guru war wegen Vergewaltigung zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. »Einiges, was ich mitbekomme, sollte an die Polizei weitergeben werden.«
MeToo-Yoga-Pionierin Donna Farhi hat die gleichen Ausweichmanöver bei ihren Kollegen erlebt, bei denen aus spirituellen Gründen dem Lehrer vergeben wird, statt ihn zur Rechenschaft zu ziehen. „Den meisten fehlt das Wissen darüber, dass hier ein unausgewogenes Machtverhältnis zugrunde liegt. Schülerinnen gelingt es in dieser komplexen Dynamik schwerer, Nein zu sagen.“Sie nutzt ihre eigene Macht, um Studios und Veranstalter zu boykottieren, die Lehrern mit angreifbarem Verhalten ein Podium geben. „So lange ihr Einkommen nicht leidet, werden sie ihr Verhalten nicht ändern.“ „We wash your brains“. Zumindest Agama hat schwer gelitten. Das Gelände ähnelt Anfang September einer Geisterstadt. Die Schule hat ihren Kleiderladen geschlossen und eine Lehrerausbildung abgesagt. Der Slogan „Choose Evolution“ist von der weißen Außenmauer verschwunden. Vor zwei Jahren sprühte dort jemand „We wash your brains“an die Wand. Der Österreicher, der den Bioladen nebenan betreibt, streitet erst ab, dass er zu Agama gehöre, verteidigt es dann und tut die SexVorwürfe als „Eifersüchteleien der Konkurrenz“ab. Er klingt eher verzweifelt als wütend. „Wir sind so gut wie am Ende“, rutscht es ihm heraus.
Vermutlich wirklich. Freitagnacht brannte eine der Yogahallen der Schule aus, niemand wurde verletzt. Das Dach ist verschwunden, die weißen Wände sind rußschwarz. Nur ein paar Yogamatten blieben unversehrt.