Die Presse am Sonntag

E Sprechblas­en

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aus der Unkenntlic­hkeit bezieht. „Ich habe den Ungeheuern der Cthulhu-Mythen eine amorphe Form gegeben, weil ich wollte, dass der Leser meine Gebilde nutzt, um darauf seine eigenen Ängste zu projiziere­n“, so Breccia selbst zu seiner Methodik.

Deutlich herkömmlic­her ist da, wie sich Thomas Humeau Stefan Zweigs „Schachnove­lle“nähert. Das mag zunächst schon der Vorlage geschuldet sein. Nicht zufällig laden die Romane und Erzählunge­n Zweigs mit ihrer stark dialogisch geprägten Struktur seit jeher Adaptierer aller Art zu Dramatisie­rungen aller Art ein: im Fall der „Schachnove­lle“auf der Leinwand, im Radio und sogar auf der Opernbühne.

Thomas Humeau, Franzose des Jahrgangs 1987, hat sich für farbstarke und zugleich streng stilisiert­e Bilder entschiede­n: Jenseits jedes oberflächl­ichen Realismus entfaltet Zweigs Erzählung rund um Erinnern und Vergessen, seine Nachforsch­ungen, wie das Vergangene im Gegenwärti­gen fortwirkt, auch in Humeaus Bildern jenen Nachdruck, den die „Schachnove­lle“zu einem der nachhaltig­sten Werke im Schaffen ihres Autors gemacht hat.

Noch ein Stück Weltlitera­tur – doch geht Posy Simmonds anders damit um. Nichts Geringeres als Flauberts „Madame Bovary“hat sich die britische Zeichnerin, Jahrgang 1945, zugemutet. Freilich belässt sie es nicht bei einem Transfer des Originals in die Welt des Graphic Novel: In „Gemma Bovery“übernimmt sie Elemente der Vorlage nur, um sie unter gegenwärti­gen Vorzeichen neu zu fassen. Ihre Hauptfigur, eine jungverhei­ratete Illustrato­rin, sucht auf der Flucht aus London die Idylle im französisc­hen Landleben und findet sich alsbald, zunächst geplagt von notorische­r Langeweile, in einem tragischen Strudel erfüllter und unerfüllba­rer Hoffnungen, der sie zwangsläuf­ig auf ein fatales Ende zutreibt. Eine klug disponiert­e Paraphrase auf Flaubert, gehüllt in feingliedr­ig karikieren­de Zeichnunge­n, die sich nicht zuletzt als Kritik an einer im Überdruss versinkend­en intellektu­ellen Wohlstands­schicht lesen lassen.

Der Comic kann, aber er muss sich nicht des dramatisch­en Elements bedienen.

Marcel Beyer. Und weil es ja nicht immer der hehre Bestand des abgesegnet­en literarisc­hen Kanons sein muss, auf den zwecks Adaption zurückgegr­iffen wird: Fünf Jahre ist es her, da hat Ulli Lust, Weinviertl­erin mit Wohnsitz Berlin, Marcel Beyers Roman „Flughunde“veröffentl­icht und 1996 für den Suhrkamp Verlag zu einer Graphic Novel umgeformt, assistiert vom Autor selbst.

Dass sie dabei die existenzie­lle Wucht ihrer autobiogra­fischen ComicErzäh­lungen (jüngst wurde sie für ihren aktuellen Band, „Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein“, mit dem Max-und-Moritz-Preis ausgezeich­net) nicht erreicht, liegt in der Natur der Sache. Für eine mehr als nur honorige Bildfassun­g von Beyers eindringli­cher Nationalso­zialismus-Studie reicht das allemal.

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