Von der Kaiserin zur Kunstfigur
Mit dem Tod begann ihre Unsterblichkeit. Österreichs Kaiserin Elisabeth hat im Leben nichts Großes geleistet, doch eben deswegen hinterließ sie viel Raum für Fantasien. Es entstand eine Projektionsfläche für Imaginationen und Träume.
Als sie stirbt, ist die Trauer enden wollend. Als assimilationsresistente Fremde war sie durch die Residenzstadt Wien gegeistert. Melancholie, Menschenfurcht und Weltverachtung hatten sie einsam gemacht. Ihr Gesicht hatte sie hinter Fächern, Schirmen und Schleiern verborgen. Allmählich war sie von der Bildfläche verschwunden, kam der Öffentlichkeit abhanden.
Wie zufällig wirkte ihr Tod: Sie wurde am 10. September 1898 von einem anarchistischen Attentäter in Genf erstochen. Bei aller Schrecklichkeit der Tat: Das mutet an wie eine Erlösung für eine unglückliche und seelenkranke Frau. „Sie wollte gar nichts sein für die Welt, auch im Sterben nicht. Sie wollte einsam sein und auch ebenso unbemerkt die Welt verlassen“, so ihre Vertraute Carmen Sylva.
Ganz in ihrem Sinn waren also die wenig dramatischen Reaktionen auf ihren Tod. Das künstliche Pathos und die schwarzen Trauerränder in den Zeitungen kann man durchaus vergessen, es spiegelte nicht die Realität wider. „Es wurden ihr nur wenige Tränen nachgeweint“(Graf Erich Kielmansegg). Leid tat allen nur der Kaiser, ihr Ehemann. „Fassungslos war auch er nicht“, so Franz Josephs Tochter Valerie über ihren Vater. Er spulte seine Arbeitstage herunter. Wie immer. Ein Leben ohne Größe. Elisabeths Leben entbehrte jener Größe, wie sie Kaiserin Katharina von Russland oder Maria Theresia auszeichnete. Sie war keine Frau der Tat und nicht der Pflichterfüllung. Dennoch wurde sie nicht nur nicht vergessen, nein eine Flut von Erinnerungen setzte ein, die wenig zu tun hatten mit Charakter und Leistung Elisabeths, dafür viel mit Verklärung und Huldigungen.
Das erinnerte Bild löst sich vom realen, „in Hinkunft wird ihre Biografie aus idealischen Verstrickungen nicht mehr zu lösen sein“, schreibt Juliane Vogel in ihrer Studie über das Nachleben Elisabeths, „sie geht ein in eine höhere Sphäre“. Was natürlich auch bedeutet: Die politisch komplexen Jahrzehnte, die sie als Kaiserin durchlebte, werden im Dienst der Hagiografie verkürzt oder gar zugunsten der Legenden Elisabeth, Herzogin in Bayern, heiratet in Wien ihren Cousin Kaiser Franz Joseph und wird Kaiserin von Österreich. Elisabeth setzt nur wenig politische Aktivitäten, 1867 setzt sie sich für den Ausgleich mit Ungarn ein. Die Kaiserin erleidet eine Reihe von Schicksalsschlägen, am 30. Jänner 1889 stirbt ihr Sohn, Kronprinz Rudolf, durch Selbstmord. Sie stirbt am 10. September 1898 nach einem Attentat in Genf. ausgeblendet. Dank Brigitte Hamann ist die Realgeschichte zumindest in einer umfangreichen Biografie dargestellt.
Ab 1880 war Elisabeth uninteressant für die Medien ihrer Zeit geworden. Warum es dennoch zu einem gekünstelt wirkenden, hochgradig empathischen Echo unmittelbar nach ihrem Tod kam, hat die Grazer Historikerin Evelyn Knappitsch untersucht. Über mehrere Wochen hinweg wurde über das Attentat berichtet, egal welchem politischen Lager die jeweilige Zeitung angehörte. Das überstieg die üblichen Nachrufe bei Weitem.
Der „millionenstimmige Trauerchorus“, den das Neue Wiener Tagblatt am 11. September 1898 ausnahm, ist nicht wörtlich zu nehmen. Es ging vielmehr um die Vermittlung kollektiver Identifikation mit der Toten, um das Gruppenbewusstsein in der bröckelnden Monarchie durch allgemeine Rückbindung an die Tote zu festigen, so Knappitsch. „Wir sind ein Volk und eine Familie“, las man in der Zeitung. Daher trauern wir.
Doch wo Homogenität nach innen propagiert wird, entsteht zwangsläufig Exklusion nach außen, zum Beispiel, in Anspielung auf den Attentäter, gegen die „anarchistischen Italiener“und die Sozialdemokraten mit ihrem Naheverhältnis zum Anarchismus. Plötzlich rücken die Nachrufe in die Nähe politischer Propaganda.
Dass konservative Blätter die „wehrlose Frau“gegen den anarchistischen Ungeist in Schutz nahmen, ärgerte Karl Kraus: „Als ob es nicht ein offenes Geheimnis wäre, dass das Leben der Kaiserin eine beständige Flucht aus der , bestehenden Gesellschaftsordnung‘ war und dass sie aus der schlechten feudalen Luft Österreichs in reinere Höhen strebte.“Nicht nur von Anarchisten wollte sie auf ihren einsamen Wanderungen unbehelligt bleiben, sondern auch von pfäffischen Wegelagerern, so Kraus. Das
»Wir trauern, weil wir ein Volk und eine Familie sind«, hieß es in den Nachrufen danach.
reale Abbild der Monarchin entgleitet immer mehr, sie wird immer mehr zum „Spiegel der Gedankenwelt ihrer Betrachter“. (Knappitsch)
Ab da wird Elisabeth zur flexibel formbaren Projektionsfläche für Imaginationen und Träume. Hilfreich sind dabei die Abbildungen, die die erodierenden Effekte des Altwerdens unterschlagen und der Nachwelt die Schönheit einer jungen Frau bewahren. Andere Bildnisse gibt es nicht, sie wurden gar nicht erst angefertigt. Wenn man „Kaiserin Elisabeth in späteren Jahren“abbilden wollte, zog man eine einzige Fotografie, von 1870, heran. Man findet sie in fast allen posthumen Gedenkbroschüren, sie zeigt zeitlos strenge Gesichtszüge einer erhabenen Persönlich-