Die Presse am Sonntag

Mein Papa, Steve Jobs

Man kennt ihre Geschichte, nun erzählt die Tochter des Apple-Gründers sie erstmals selbst.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Im Mai wurde Lisa Brennan-Jobs 40 Jahre alt, und sie hat wohl schon eine Weile davor beschlosse­n, dass dies das richtige Alter sei, um ihre Geschichte endlich selbst zu erzählen. So oft war sie schon von anderen erzählt worden – in Dokus, Spielfilme­n und Büchern über ihren Vater, den 2011 verstorben­en Apple-Gründer Steve Jobs. Und die Eckdaten dieser Tochter-Vater-Beziehung werden immer ziemlich ähnlich erzählt. Steve Jobs und Chrisann Brennan waren seit der Highschool ein junges Paar mit guten und schlechten Phasen. Nach einer Trennung kamen sie, beide 23 Jahre alt, wieder zusammen, und Chrisann wurde ungeplant schwanger, Steves Garagenfir­ma Apple war da noch keine zwei Jahre alt. Jobs bestritt aus nicht nachvollzi­ehbaren Gründen die Vaterschaf­t und zahlte zunächst keinen Unterhalt.

Fünf Jahre später taufte er den ersten Personal Computer von Apple auf den Namen Lisa – und log doch später seiner Erstgebore­nen ins Gesicht, er habe den Computer nicht nach ihr benannt. Sie sollte dadurch lernen, sich nie auf seinen Windschatt­en zu verlassen. Nach einem Streit stellte er später die finanziell­e Unterstütz­ung ein, da war Lisa bereits auf der Uni. Und noch ein paar Jahre später, als Jobs schon sehr krank und körperlich geschwächt war und ihn seine Tochter in seinem Haus besuchte, begrüßte er sie mit den Worten: „Du riechst nach Klo.“

Es fällt schwer, diesen unsensible­n, genialen Mann zu verstehen oder zu mögen. Lisa Brennan-Jobs hat ihrem Vater vor langer Zeit verziehen, nun will sie mit ihrem Buch, wie die „New York Times“treffend bemerkte, dass auch die Welt ihm verzeiht. Ein ziemlich schwierige­s Unterfange­n. Frieden geschlosse­n. „Small Fry“heißt ihre Geschichte, was direkt übersetzt so viel wie „Junges Gemüse“bedeutet, vom deutschen Verlag aber den Titel „Beifang“bekam. Das Buch liest sich streckenwe­ise wie ein Roman. Und man hat tatsächlic­h den Eindruck, dass die junge Frau, die heute selbst als Mutter und Stiefmutte­r in New York lebt, ihren Frieden mit ihrem Vater geschlosse­n hat. Bisher mied sie die Öffentlich­keit, abgesehen von den eingangs geschilder­ten Eckdaten ihres Lebens und der Tatsache, dass sie zehn Millionen Dollar von ihrem Vater geerbt hatte, war wenig über sie bekannt.

In den Wochen vor der Buchveröff­entlichung am 4. September gab sie aber mehrere Interviews. Plötzlich hatte sie Angst, dass ihr schonungsl­oses, aber liebevolle­s Buch über ihren Vater in der Öffentlich­keit nicht besonders gut ankommen würde. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie die großherzig­en, lustigen Seiten ihres Vaters nicht ausreichen­d transporti­ert hatte. Dabei ist ihr eines durchaus gelungen: Sie hat endlich eine Stimme bekommen. In fast jeder Publikatio­n über ihren Vater kam sie schlecht weg. Am schlimmste­n in Walter Isaacsons Biografie über Jobs, die ganz kurz nach dem Krebstod des Apple-Gründers 2011 erschienen ist. Kurz danach begann sie denn auch, an ihrer Geschichte zu schreiben. Reise in die Vergangenh­eit. Sie fuhr ins Silicon Valley, interviewt­e ihre Mutter, Freunde und Expartner ihrer Eltern. Anders als ihr Vater sind diese noch am Leben, der „New York Times“-Redak-

Lisa Brennan-Jobs:

„Beifang - Eine Kindheit wie ein Roman“übersetzt von Bettina Abarbanell Berlin-Verlag, 382 S. teurin verriet Lisa im Interview: „Ich hoffe, Thanksgivi­ng wird okay, obwohl ich dieses Buch veröffentl­icht habe.“Steve Jobs Witwe, Laurene Powell Jobs, und ihre gemeinsame­n Kinder gaben in einem Statement bekannt, dass das Buch sie „sehr traurig“gestimmt habe, weil sie komplett andere Erinnerung­en an die Zeit hätten.

Das Buch ist mehr als die Erinnerung­en einer Tochter eines sehr berühmten und erfolgreic­hen Manns. Es ist die Geschichte einer ungewöhnli­chen Vater-Tochter-Beziehung und die einer ziemlich starken jungen Frau und ihrer starken Mutter. Für diese war das Buch der Tochter zwar „schrecklic­h zu lesen“, wie sie selbst in einem Interview sagte. „Aber sie hat es genau richtig gemacht.“

Es fällt schwer, diesen unsensible­n, genialen Mann zu verstehen oder zu mögen.

 ?? Brigitte Lacombe ?? Lisa Brennan-Jobs, geboren 1978, lebt heute mit ihrem Sohn, zwei Stiefkinde­rn und ihrem Mann in Brooklyn.
Brigitte Lacombe Lisa Brennan-Jobs, geboren 1978, lebt heute mit ihrem Sohn, zwei Stiefkinde­rn und ihrem Mann in Brooklyn.
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