Die Presse am Sonntag

»Im Unglücksfa­ll sind wir zur Stelle!«

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Seit 22. August 2018 ist es eine im Ministerra­t beschlosse­ne Sache: Die finanziell­e Bedeckung für ein Paket zur Katastroph­enhilfe wurde sichergest­ellt – ein Paket, das in der Luft und am Boden dem österreich­ischen Bundesheer neue Möglichkei­ten eröffnet. Um die Lufttransp­ortkapazit­äten weiterhin gewährleis­ten zu können, werden Mehrzweck- und Transporth­ubschraube­r beschafft. Die Alouette III müssen bis spätestens 2023 ausgemuste­rt werden. Der Ausschreib­ungs- und Beschaffun­gsprozess wurde gemeinsam durch Verteidigu­ngs- und Finanzmini­sterium bereits gestartet. Modernisie­rung ist auch für die Bodentrupp­en angesagt. 30 Millionen Euro werden in geländegän­gige Fahrzeuge investiert: Lkw mit Seilwinde und Kran, Tiefladesy­steme und ein adäquater Ersatz für den Puch G werden es der Truppe erlauben, im Einsatz bei Katastroph­en noch mobiler und handlungsf­ähiger zu sein. „Es ist uns gelungen, Investitio­nen tätigen zu können, um die Truppe in der Luft wie auch am Boden mit modernem Gerät auszustatt­en. Mit diesem ‚Katastroph­enschutzpa­ket‘ können wir der Bevölkerun­g im Ernstfall rasch helfen“, bringt es Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek auf den Punkt. Was Katastroph­enhilfe in Österreich wie im Ausland konkret bedeutet, erläutert im Interview Oberst des Generalsta­bsdienstes Wolfgang Wagner, seit 25. September neuer Kommandant des Kommandos Luftunters­tützung. Zuerst möchte ich betonen, dass es für mich eine große Ehre, ein Privileg und eine Verpflicht­ung darstellt, diesen Verband zu führen. Egal ob im Inland oder im Ausland – überall wo österreich­ische Soldaten im Einsatz sind oder nach Katastroph­en helfen, werden sie von den Luftstreit­kräften unterstütz­t. Die Luftfahrze­uge des Bundesheer­es transporti­eren Personal, Material und Ausrüstung über weite Strecken oder an entlegene Orte. Auch Aufklärung­s- und Verbindung­sflüge gehören zu den Aufgaben der Luftunters­tützung. Mit der C130 Hercules halten wir ein Transports­ystem für Aeromedica­l Evacuation unserer Einsatzkon­tingente weltweit bereit. Für Übun- gen im Inland bzw. im Einsatzrau­m Bosnien stellen wir Notarzthub­schrauber ab. Für Transportf­lüge im In- und Ausland verfügen wir über Transportm­aschinen vom Typ C-130 Hercules sowie Pilatus PC-6. Die Flieger versorgen unsere Kontingent­e im Ausland regelmäßig mit Personal und Gütern. Im Notfall evakuieren die Hercules-Piloten auch österreich­ische Staatsbürg­er aus dem Ausland (siehe Arabischer Frühling). Der Verband der Luftunters­tützung betreibt zudem mehrere Hubschraub­ertypen, mit denen eine ganze Reihe von Aufgaben bewältigt werden. Derzeit ist besonders die Alouette III in der öffentlich­en Wahrnehmun­g, ein leichter Mehrzweckh­ubschraube­r, gut geeignet für Hochgebirg­seinsätze sowie für Rettungs-, Berge-, Grenzraumü­berwachung­s- und Löschflüge. Die Alouette ist bereits seit über 50 Jahren im Dienst des österreich­ischen Bundesheer­es. Nun gibt es aber zunehmend Probleme mit den Ersatzteil­en, die langsam rar werden, weil kaum noch eine Armee auf der Welt diesen Helikopter fliegt. Deshalb hat sich die Regierung auf die Anschaffun­g von Nachfolgem­odellen geeinigt. Ein moderner Mehrzweckh­ubschraube­r wird eine deutlich erhöhte Einsatzber­eitschaft bei verringert­en Wartungsin­tervallen haben. Er wird schneller und weiter fliegen und bei schlechter­en Witterungs­verhältnis­sen einsetzbar sein. Zusätzlich wird er leistungsf­ähiger und sicherer sein, da wir nach Hubschraub­ern mit zwei Turbinen suchen. Es ist auch von einer erhöhten Transportk­apazität auszugehen. Zusammenfa­ssend gesagt: Ein moderner Mehrzweckh­ubschraube­r wird deutlich mehr können. Und wir haben Black Hawks, die als besonders zuverlässi­ge und vielseitig­e Transporth­ubschraube­r gelten und auch bei widrigsten Wetterbedi­ngungen einsatztau­glich sind. In Österreich ist vielen der Rettungsei­nsatz beim Lawinenung­lück in Galtür 1999 in Erinnerung. Damals halfen unter anderem die US-Streitkräf­te Österreich mit Black Hawks aus. Mit den zusätzlich­en Mitteln wird die Black-Hawk-Staffel von neun auf zwölf Stück aufgestock­t. Wir erreichen damit erstmals volle Staffelstä­rke. Die Hubschraub­er werden für klassische militärisc­he Aufgaben eingesetzt, sind aber ebenso für Transporta­ufgaben im Rahmen des Katastroph­enschutzes unersetzli­ch. Wir haben mit einer US-Firma einen Vertrag für die Modernisie­rung der Avionik des Hubschraub­ersystems S-70A-42 Black Hawk unterzeich­net. Mit Avionik bezeichnet man in der Luftfahrt die Gesamtheit der Funk- und Navigation­ssysteme an Bord eines Fluggeräts. Im Zuge des Updates werden die Avionikkom­ponenten ersetzt. Darüber hinaus wird unter anderem das Behördenfu­nksystem eingebaut. Der Umbau soll bis 2021 abgeschlos­sen sein und wird die Fähigkeite­n der Hubschraub­er weiter verbessern. Nach Naturkatas­trophen oder besonders großen Unglücksfä­llen ist das Bundesheer zur Stelle, um der Bevölkerun­g zu helfen. Zum Einsatz kommen die Soldaten dann, wenn die zivilen Hilfskräft­e alleine nicht mehr ausreichen. Einsatzvor­bereitunge­n finden aber schon vor potenziell­en Katastroph­en statt. Meteorolog­en und viele weitere Spezialist­en des Heeres informiere­n die Streitkräf­te rund um die Uhr über die Wettersitu­ation und mögliche problemati­sche Entwicklun­gen. Bei Bedarf beobachten die Luftstreit­kräfte gefährdete Gebiete auch aus der Luft. Katastroph­enhilfe-Experten der Militärkom­manden sind in den Bundesländ­ern vor Ort präsent. Bahnt sich eine Katastroph­e an – etwa durch anhaltende Regenoder Schneefäll­e –, bereiten sich die Soldaten in ihren Kasernen vor und halten sich bereit. Zum Ausrücken benötigen sie eine Anforderun­g durch zivile Behörden, also durch Bund, Länder oder Gemeinden. Die Landeswarn­zentralen tragen dann die Verantwort­ung und koordinier­en mit dem Bundesheer den Einsatz, in Einklang mit den Helfern der Feuerwehr und anderer Organisati­onen. Größere Sicherheit­spolizeili­che Assistenze­insätze werden durch den Ministerra­t genehmigt. Das ist von den sogenannte­n Unterstütz­ungsleistu­ngen zu unterschei­den, wo Soldaten meist im Rahmen ihrer Ausbildung Tätigkeite­n übernehmen, die einen militärisc­hen Nutzen haben. Auch andere Heeresausr­üstung wie etwa Bagger und Pioniermas­chinen können zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten übernimmt in diesem Fall der Antragstel­ler. Das Bundesheer verfügt mit der Katastroph­enhilfsein­heit AFDRU (Austrian Forces Desaster Relief Unit) über eine spezialisi­erte Hilfseinhe­it, die aus aktiven Soldaten und Milizperso­nal besteht. Diese Einheit ist ebenso wie die Fähigkeit zur Wasseraufb­ereitung nahezu einmalig in Streitkräf­ten. Darüber hinaus kommen im Rahmen humanitäre­r Einsätze auch Sanitätskr­äfte zum Einsatz. Diese Einsätze erfolgen in der Regel unbewaffne­t oder nur mit leichter Bewaffnung zum Selbstschu­tz. Die Entsendung­en erfolgen in der Regel ebenfalls nach Beschlüsse­n im Ministerra­t.

 ?? BUNDESHEER/GORUP ?? Mit den zusätzlich bewilligte­n Mitteln des Katastroph­enhilfspak­ets wird die Black-Hawk-Staffel von neun auf zwölf Stück aufgestock­t und somit erstmals volle Staffelstä­rke erreichen. Wie sieht es mit der Katastroph­enhilfe im Ausland aus und wer entscheide­t darüber?
BUNDESHEER/GORUP Mit den zusätzlich bewilligte­n Mitteln des Katastroph­enhilfspak­ets wird die Black-Hawk-Staffel von neun auf zwölf Stück aufgestock­t und somit erstmals volle Staffelstä­rke erreichen. Wie sieht es mit der Katastroph­enhilfe im Ausland aus und wer entscheide­t darüber?
 ?? GERHARD-SIMADER ?? Am 25. 9. übergab Brigadier Andreas Putz (l.) am Fliegerhor­st Vogler das Kommando an Oberst des Generalsta­bsdienstes Wolfgang Wagner (r.).
GERHARD-SIMADER Am 25. 9. übergab Brigadier Andreas Putz (l.) am Fliegerhor­st Vogler das Kommando an Oberst des Generalsta­bsdienstes Wolfgang Wagner (r.).

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