Es wird ein Wein sein – aber jetz
Dafür, dass Sturm ein sehr kurzlebiges Produkt ist, ist die Sturmsaison verdächtig lang. Winzer Rainer Christ versteht Sturm traditionell: als Zwischenprodukt auf dem Weg zum Wein.
Es gibt Dinge, die wird der Herbst nicht mehr los – zu Recht allerdings. Die Kastanien zum Beispiel, die bunten Blätter, die Weinlese, die Kürbisse und natürlich den Sturm. Alle haben ihre Berechtigung und einen Grund, warum es sie nur im Herbst gibt. Eigentlich. Denn der Sturm etwa ist so selbstverständlich, dass es ihn mittlerweile verdächtig lang gibt.
Laut Gesetz darf Sturm von 1. August bis 31. Dezember verkauft werden. Das ist angesichts der Kurzlebigkeit des Produkts ein sehr langer Zeitraum. Es stellt sich also die Frage, wie das zusammenpasst, dass – trotz immer früherer Weinernten – bis in den Winter hinein Sturm verkauft wird. Und wie hält sich so ein lebendiges, weil gärendes Produkt über Wochen im Supermarktregal?
„Sturm war einmal etwas ganz Traditionelles, das es nur rund um die Lese beim Winzer vor Ort gegeben hat“, sagt der Wiener Winzer Rainer Christ. In den letzten ein, zwei Jahrzehnten habe sich das aber geändert. Mittlerweile haben sich große Produzenten, vorwie- gend in der Steiermark, in Niederösterreich und dem Burgenland, auf Sturm spezialisiert, die auch Trauben zukaufen, um ein standardisiertes Produkt herzustellen. Das sei nichts Schlechtes, betont Christ, und habe durchaus seine Berechtigung, etwa in der Gastronomie. Aber es fehlten eben oft die Charakteristik, die Individualität und das Wesen des Sturms, nämlich ein Zwischenprodukt auf dem Weg zum Wein zu sein. „Das ist leider ein bisschen verloren gegangen.“Sturm habe nicht mehr diesen hohen Stellenwert, weil er eben den ganzen Herbst über verfügbar ist.
Er selbst mache nur wenig Sturm. Wobei „machen“der falsche Ausdruck ist. Er zapft einfach ein paar Liter aus dem Gärtank ab, um ihn ab Hof oder im Heurigen als Sturm zu verkaufen. Jener Sturm hingegen, der im großen Stil produziert wird, hat nicht das Ziel, später Wein zu werden. Er würde auch nicht besonders schmecken, es wäre ein sehr einfacher Wein. „Aber das ist auch okay. Es gibt Trauben, die eignen sich besonders für Traubensaft, aber weniger für Wein, andere sind wieder für den Sektschaum besser.“Wer Sturm „nur“des Sturms wegen produziert, verwendet meist sehr frühe Sorten wie Bouvier. Große Hersteller kaufen auch Trauben dazu. Dann werde zuerst ein möglichst steriler, klarer Traubensaft gemacht, der vorerst gekühlt werde, erklärt Christ. Denn bei warmen Temperaturen arbeitet die Hefe recht rasch, die Gärung schreitet schnell voran. Weingut Christ Rainer Christ bewirtschaftet rund 20 Hektar Weingärten am Wiener Bisamberg und betreibt in Jedlersdorf einen Heurigen. Ausgesteckt ist jeden ungeraden Monat (tägl. ab 15 Uhr). Sturm gibt es nur beim Heurigen oder ab Hof (außerhalb der Heurigentermine gegen tel. Bestellung; fünf Euro/Liter). Amtsstraße 10–14, 1210 Wien, 01/292 51 52, www.weingut-christ.at Durch Kühlung kann sie unterbrochen werden. Große Hersteller machen das, um – je nach Bedarf – auf den sterilen Traubensaft zurückzugreifen und ihn dann mit Hefe zu versetzen, damit die Gärung wieder einsetzt. Für ein paar Tage Sturm. Christ will das nicht verteufeln, das sei ein Produkt mit einheitlicher, verlässlicher Qualität, aber eben auch eines, das meist sehr süß sei und wenig mit Wein (oder dessen Vorstufe) zu tun habe. Sturm sei eben nur ein paar Tage (oder je nach Temperatur ein paar Stunden) lang Sturm, dann wird er zum Staubigen und später zum Jungwein. „Man muss sich ja nur die Standln in Wien anschauen, bei denen Schilcher-Sturm verkauft wird. Es ist illusorisch zu glauben, dass der jeden Tag mehrmals frisch geliefert wird.“Er selbst verkaufe pro Saison etwa 1000 Liter Sturm (beim Wein sind es an die 100.000 Liter). Heuer sei wegen der besonders frühen Ernte ein sehr gutes Sturmjahr. „Das heißt, es gären jetzt schon Dinge im Keller, die in Zukunft sehr spannende Weine werde“, sagt Christ, mittlerweile im Weinkeller angekommen. Derzeit entnimmt er von einem Tank mit Weißburgunder Sturm. „Der gärt jetzt zwei Wochen, da ist er gerade in der Mitte, das passt
Heute wird Sturm von großen Produzenten gezielt gemacht. Wein wird das keiner mehr.