Österreichische Medaillenjagd bei der Berufs-EM
In Budapest fand die EuroSkills 2018 statt. Unter den 500 Teilnehmern waren 43 Österreicher. Sie traten in 36 Berufen an. In zwei Jahren findet die Europameisterschaft in Graz statt.
Zehn, neun, acht“, brüllt die Menge. Rot-weiß-rote Fahnen werden geschwungen, doch Patrick Reitbauer ist noch vollkonzentriert. „Sieben, sechs, fünf“, skandieren die Fans, Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer und der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Schickhofer bringen sich ganz vorne in Position. „Vier, drei, zwei, eins.“Riesenjubel brandet auf. Jetzt erst wendet sich Reitbauer dem Publikum zu. Ein müdes Lächeln kommt ihm über die Lippen, die Anspannung weicht einer zufriedenen Erleichterung. Er wird gefeiert wie ein Sieger. Ein Sieger bei den EuroSkills 2018 in Budapest. Der Maler aus der Steiermark hat monatelang auf diesen Moment hingearbeitet, hat 900 Trainingsstunden absolviert – nach Feierabend selbstverständlich. An seiner Technik gefeilt. Jetzt sind drei Tage, knapp 16 Stunden intensiver Wettbewerb vorbei. Jetzt heißt es nur noch Warten auf das Ergebnis der Punkterichter.
Doch vorher ein Foto mit den Honorationen, ein kurzes Interview mit dem Regionalradio. Und irgendwo in der jubelnden Menge stehen seine Eltern, zu Tränen gerührt vor Stolz.
Reitbauer ist einer von 43 Österreichern, die bei der Berufseuropameisterschaft auf Medaillenjagd gegangen sind. Fünf Tage lang kämpften mehr als 500 junge Menschen aus 28 Ländern in mehr als 40 Disziplinen. Österreich war in 36 Berufen am Start. Bei Europaund Weltmeisterschaften ist Rotweißrot ein Garant für Spitzenplätze. Bei den vergangenen drei EuroSkills war Österreich jeweils die erfolgreichste Nation. „Alle reden von den Fußballern, die am Ende eh nix gewinnen“, scherzt Sonja Zwazl. Die niederösterreichische Wirtschaftskammerchefin ist gleich mit einem ganzen Autobus angereist. Mit von der Partie auch der blaugelbe Arbeiterkammerchef Markus Wieser. „An uns könnt ihr euch ein Beispiel nehmen“, stichelt sie in Richtung Mahrer. Zumindest in St. Pölten ziehen die Sozialpartner noch an einem Strang. Hier in Budapest sind junge Meister am Werk. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. „Es rennt so halbwegs“, erzählt Manuel Fahrnecker. Der Landmaschinenmechaniker aus Kuffern bei St. Pölten steckt im fünften Wettbewerb. Drei Stationen seien gut gelaufen, mit zwei Wettbewerben sei er nicht ganz zufrieden. „Jetzt kommt es darauf an, wie gut die anderen waren“, sagt der 22-Jährige, der vor wenigen Monaten die Meisterprüfung absolviert hat – als Jüngster im Meisterkurs.
„Der größte Gegner ist der Erwartungsdruck“, weiß Werner Seltenhammer. Der Berufsschullehrer aus Mistelbach ist als Experte im Einsatz. Auf seinem Schützling Fahrnecker lastet besonderer Druck. Immerhin arbeitet in dessen Firma, Pamberger aus Obritzberg, ein Goldmedaillengewinner. Viele Schüler unter den Zuschauern. Auf dem weitläufigen Expo-Gelände mit seinen riesigen Messehallen herrscht ausgelassene Stimmung bei den Besuchern. Viele Schulklassen sind gekommen. Und mittendrin fiebern Angehörige und Chefs mit ihren Schützlingen mit. „Schreiben S’ net nur über die Fußballer, sondern auch mehr über die Facharbeiter“, scherzt Sonja Zwazl mit den mitgereisten Journalisten. Seit Tag und Jahr kämpft sie gegen die sinkende Akzeptanz des Lehrberufs, initiierte Auslandsaufenthalte für Lehrlinge, Berufsorientierung für Schüler. Gemeinsam mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner klappert sie die Hallen ab, besucht „ihre“niederösterreichischen Top-Fachkräfte und hofft natürlich auch auf die eine oder andere Medaille.
106.000 Lehrlinge gibt es in Österreich. 39 Prozent der 15-Jährigen haben im Vorjahr eine Lehre begonnen. Die Zahl der Lehrlinge stagniert seit Jahren, ihr Anteil hat sich zwischen 38 und 41 Prozent der Jugendlichen eingependelt. Dennoch ist überall von Facharbeitermangel die Rede.
Auch das Bauunternehmen Leyrer + Graf aus Gmünd kann davon ein Lied singen. „Wir würden gerne mehr Lehrlinge einstellen“, sagt Sabine Leutner, Leiterin der HR-Abteilung, in dem 1800 Mitarbeiter zählenden Unternehmen. 100 Lehrlinge werden aktuell ausgebildet. Dass zwei ehemalige Lehrlinge und mittlerweile Topmitarbeiter, Sebastian Frantes und Markus Haslinger, bei den EuroSkills antreten, sei für das Unternehmen schon „fast etwas Normales“, erzählt Leutner. Das Unternehmen stellt Staatsmeister und einen Europameister bei den Maurern.
In Budapest waren Frantes und Haslinger „im Spitzenfeld“, wie einer der österreichischen Betreuer meinte. „Aber es gibt da 130 Messpunkte, da geht es um Millimeterarbeit, da kann bis zum Schluss etwas passieren.“Drei Tage lang arbeitete das Duo an einer Brückenpfeiler-Verschalung und an einem Fertigbeton-Stück in dem das Konterfei von Marilyn Monroe eingearbeitet wurde.
Trainiert wurden die beiden auch im eigenen Unternehmen. „Einer unserer Poliere war selbst Teilnehmer bei der Weltmeisterschaft“, erzählt Leutner. Trotz der tollen Rahmenbedingungen sei es nicht leicht, Nachwuchs zu rekrutieren. „Man wird halt schmutzig dabei“, meint sie. Und so sei es mittlerweile ebenfalls „ganz normal“, dass man mit „Goodies“arbeitet. Gute Leistungen werden mit einem Firmenhandy bedankt. „Wir zahlen den guten Lehrlingen auch den Führerschein“, erzählt Leitner.
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass das Problem nicht nur bei den jungen Leuten liegt. Die Zahl der Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, ist dramatisch zurückgegangen. Gab es 2010 noch 37.500 Unternehmen, die Lehrlinge beschäftigten, waren es 2016 nur noch 29.000.
2020 finden die EuroSkills erstmals in Österreich statt. Schon in Budapest rührte Graz ordentlich die Werbetrommel. Und es ist zu hoffen, dass die Spiele in der Steiermark nicht nur dazu genutzt werden, um jungen Menschen den Lehrberuf schmackhaft zu machen. Auch für Unternehmer sollten die EuroSkills im eigenen Land Ansporn sein, sich wieder der Nachwuchsarbeit zu widmen.
Bei den vergangenen drei EuroSkills war Österreich die erfolgreichste Nation.
Abwerbungsversuche aus Russland. Hans Ostermann hat einen Tischlerbetrieb in der Buckligen Welt und ist in der NÖ Wirtschaftskammer für die Lehrlingsausbildung zuständig. Der Unternehmer aus Wiesmath weiß, dass das Image der Lehre vor allem in der Schule geprägt wird. Und da sei in der Vergangenheit vieles schief gelaufen. „Heute haben die jungen Lehrerinnen und Lehrer wieder mehr Wertschätzung für die duale Ausbildung“, meint Ostermann. Er blickt mit Optimismus in die Zukunft. Mittler-