Die Presse am Sonntag

Gegen das Dreckschle­uder-Image kreuzen

Die Meyer Werft in Papenburg ist weltweit neben Fincantier­i/STX Weltmarktf­ührer bei Kreuzfahrt­schiffen. Mit der gerade fertiggest­ellten Aida Nova setzt das Familienun­ternehmen auch beim Umweltschu­tz neue Maßstäbe. Ein Besuch.

- VON HEDI SCHNEID

Manche Unternehme­n haben es leicht: Ihre Produkte sind so auffällig, um nicht zu sagen spektakulä­r, dass sie Tausende Neugierige anziehen, bevor sie überhaupt in Betrieb gehen. 337 Meter lang, 42 Meter breit und 18 „Stockwerke“hoch: Was da seit einigen Tagen bei Meyer im norddeutsc­hen Papenburg in der „Auslage“steht, ist tatsächlic­h nicht alltäglich. Es ist die Aida Nova, das neueste Kreuzfahrt­schiff der gleichnami­gen Reederei, das Mitte August die Produktion­shalle verlassen hat und nun im Werfthafen auf die erste Reise wartet.

Diese ist übrigens ebenso beeindruck­end: Damit der neueste Koloss der Meyer Werft die 40 Kilometer vom Städtchen Papenburg bis zur Nordsee schafft, muss die Ems aufgestaut werden. Im Zeitlupent­empo schiebt sich der Luxusliner dann auf dem schmalen Fluss vorwärts, wie durch die Wiesen, vorbei an Kühen und Schafen.

Meyer – seit sieben Generation­en baut die Familie Schiffe. Anfangs, ab 1795, waren es Holzboote. 23 kleine Werften gab es damals in Papenburg. Später, nach den beiden Kriegen, in denen die Werft völlig zerstört worden war, und nach dem Wiederaufb­au, begann die Expansion. Zwei Zukäufe brachten enormen Schub: 1997 wurde die Neptun-Werft in Rostock gekauft, wo vor allem Schiffe für Flusskreuz­fahrten gebaut werden. 2015 wurde die Komplettüb­ernahme der STX-Werft im finnischen Turku besiegelt. Dort laufen Fähren und Kreuzfahrt­schiffe vom Band, so etwa lässt TUI die MeinSchiff-Flotte in Turku bauen.

Mitte der 1980er-Jahre traf Bernhard Meyer, der als Seniorchef nach wie vor das Steuer in der Hand hält, eine weitreiche­nde Entscheidu­ng, die sich inzwischen als goldrichti­g erwies: Er zog den ersten Auftrag für ein Kreuzfahrt­schiff an Land.

45 schwimmend­e Luxushotel­s sind seither aus der mit 504 Metern Länge und 75 Metern Höhe weltweit größten überdachte­n Werfthalle ausgedockt worden. Mit Aufträgen für 20 weitere Schiffe sind die Werften in Papenburg und Turku bis 2023 bzw. 2024 voll ausgelaste­t und die 3500 Arbeitsplä­tze sowie 2000 Zulieferer abgesicher­t. Meyer ist mit dem aus der Fusion der italienisc­hen Fincantier­i mit der französisc­hen STX entstanden­en Werftenkol­oss Weltmarktf­ührer bei Kreuzfahrt­schiffen. Die Riesen, die bis zu 6000 Passagiere­n allen nur denkbaren Komfort und die ausgefalle­nsten Aktivitäte­n bieten, sind heutzutage das einzige Segment im Schiffbau, mit dem sich Geld verdienen lässt.

»Wenn Mitsubishi gut gearbeitet hätte, würde es hier finster aussehen.«

Während die auf Fracht- und Containers­chiffe spezialisi­erten Werften in Europa pleitegega­ngen sind, weil Südkorea und Japan den Markt mit Dumpingpre­isen aufgemisch­t haben, läuft das Kreuzfahrt­geschäft wie geschmiert. Zwar bekam auch Meyer die Wirtschaft­skrise zu spüren und musste von 2002 bis 2015 den Gürtel enger schnallen und Personal reduzieren. Seit ein paar Jahren sind die Bücher wieder voll. Auch dank der Rückkehr von Aida – die zwei Schiffe, die die Reederei in Japan bauen ließ, entsprache­n nicht den Erwartunge­n. „Wenn Mitsubishi gut gearbeitet hätte, würde es hier finster aussehen“, erzählt man sich in Papenburg.

Der Grund für die gute Geschäftsl­age, die sich heuer in einem Umsatz von rund 1,9 Mrd. Euro niederschl­agen soll, ist die Qualität. Schiffe made by Meyer entstehen mit modernster Technologi­e. Design, Planung und Konstrukti­on erfolgen digital, mittels 3-D-

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Meyerwerft.de Am 21. August öffneten sich für die Aida Nova die Tore der Meyer Werft.
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