AUF EINEN BLICK
1795
wurde Meyer Werft in Papenburg gegründet. Zuerst wurden Holzschiffe gebaut.
20 Werften
gab es in der Stadt noch bis in die 1920er-Jahre, nur Meyer überlebte, unter anderem, weil es bereits 1872 auf Stahlrumpfschiffe setzte.
1985
lief das erste Kreuzfahrtschiff, die Homeric, vom Stapel. Seither wurden 46 Schiffe gebaut.
Das in siebenter Generation
geführte Familienunternehmen umfasst inzwischen auch die NeptunWerft in Rostock und die STX-Werft im finnischen Turku.
Die Aida Nova,
die gerade fertiggestellt wurde, setzt neue Umweltmaßstäbe. Sie ist das erste Kreuzfahrtschiff weltweit, das ganz mit Flüssiggas fahren kann. Die Reederei Carnival hat für das neue Modell der Heliosklasse 950 Millionen Euro springen lassen. Technologien können auch kleinste Details vorab errechnet und festgelegt werden. Der Bau selbst erfolgt im „Lego-System“– so sieht es zumindest im Zeitraffer auf dem Bildschirm aus: Aus Stahlplatten werden Sektionen, aus Sektionen entstehen Blöcke. Etwa 100 solcher Blöcke, die jeweils bis zu 1200 Tonnen wiegen, bilden ein Schiff. Auch das technische Innenleben und die Ausstattung werden weitgehend vormontiert und dann zusammengesetzt. „Chaotische Logistik“nennen die Fachleute dieses System. Ein Jahr Produktionszeit. Die modulare Bauweise ermöglicht dann doch Rekorde: Vom ersten Auftrag bis zur Übergabe eines Ozeanriesen dauert es rund drei Jahre, sagt Kundenbetreuer Günther Fesko. Die reine Bauzeit beträgt freilich nur zwölf Monate. Das ist extrem schnell. Alles ist hier groß: In einem Kreuzfahrtschiff mit 60.000 Tonnen Gewicht stecken rund 30.000 Tonnen Stahl; 250 Kilometer Rohre und 2200 Kilometer Kabeln werden verbaut. Es gibt rund 1000 Schweißnähte, die später nach dem ersten Schwimmtest im Zuge der Qualitätskontrolle geröntgt werden. Geschweißt wird mit Laser – auch das erhöht das Tempo.
Auch wenn hier in den vergangenen Jahren zweistellige Millionenbeträge investiert wurden, um auf dem neuesten technologischen Stand zu sein – ein Durchatmen gibt es in dieser Branche nicht. Und schon gar nicht, wenn es gilt, die größte Herausforderung der Zukunft zu meistern: die Schadstoffreduktion. Von Umweltschützern seit Jahren als Dreckschleudern verteufelt, steigt bei den Reedereien langsam die Einsicht, dass nur massive Änderungen auf diesem Gebiet langfristig das Geschäft absichern.
Und wieder setzt Meyer neue Maßstäbe. Die Aida Nova ist das erste Kreuzfahrtschiff weltweit, das vollständig mit Flüssiggas (LNG) betrieben werden kann. Gemeinsam mit dem Auftraggeber, der weltgrößten Reederei Carnival, zu der neben Aida Cruises und Carnival unter anderem auch Costa Crociere, Cunard, die Holland-Ame- rica Line und Seaburn gehören, wurde der Schritt in die neue Antriebsära gemacht. Die vier Motoren können zwar auch mit dem herkömmlichen Marinediesel betrieben werden. Dieser ist notwendig, um die Motoren zu starten, und dient als Reserve, falls das LNGSystem ausfallen sollte. Gedacht ist aber, dass die „grüne“Aida Nova ganz mit Flüssiggas fährt. Ein Tank reicht für rund zwei Wochen.
Auch LNG ist für Umweltschützer noch nicht das Nonplusultra. Mit der neuen Technologie verbessert sich die Umweltbilanz eines Kreuzfahrtschiffs, die mit dem herkömmlichen Schweröl verheerend ausfällt, jedoch erheblich. Schweröl – das ist jenes billige Raffinerieabfallprodukt, das vor rund 30 Jahren mittels neuer Aufbereitungstechniken für die Schifffahrt nutzbar gemacht wurde. Und seither blasen Fracht- und Kreuzfahrtschiffe nicht nur Unmengen von CO2 in die Luft, sondern auch Stickoxide und vor allem Ruß. Wer es nicht glaubt, braucht auf einer Seefahrt nur ein weißes T-Shirt anziehen. Bei entsprechendem Wind ist das Hemd bald gesprenkelt.
Ab 2020 gelten zwar neue Grenzwerte für Schadstoffemissionen, das ist vorerst aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn entweder die bestehenden Kähne – allein rund 400 Kreuzfahrtschiffe – kaufen hochwertigeren Diesel oder bauen Scrubber ein. Mit dieser Art Katalysator reduziert sich der Stickoxidausstoß immerhin um 80 Prozent, wie der Interessierte im Meyer-Besucherzentrum nachlesen kann. Aber es bleiben das ganze CO2 und auch der Ruß. Zudem ist die Umrüstung teuer. 950 Millionen Euro für ein Schiff. Dann lieber gleich LNG: Bei der Aida Nova kommen so gut wie gar keine Feinstaubpartikel aus dem Schornstein, die Stickoxide reduzieren sich um 82 Prozent, das CO2 immerhin um 15 Prozent. Das muss man sich freilich auch leisten können: 950 Millionen Euro hat sich Carnival das neue Flaggschiff kosten lassen. Auch bei weiteren Bestellungen setzt die Reederei auf die neue Technologie. Die bestehende AidaFlotte wird zum Teil nachgerüstet. Es sei enorm wichtig, dass der Marktführer vorangehe, heißt es bei Meyer. Nur so – und wenn die Passagiere mit ihrer Buchung „abstimmen“– werde es zu einem Umdenken kommen. Die Werft könne nicht eigenständig saubere Technologien einsetzen – die Reederei müsse den Auftrag geben.
Ab 2020 gelten neue Grenzwerte für Schadstoffemissionen.
Null Schadstoff mit Brennstoffzelle. Die bereits im Bau befindliche Spectrum of the Seas von Royal Caribbean, die 2019 vom Stapel läuft, wird neben dem LNG-Antrieb erstmals Brennstoffzellen haben. Der Einsatz von Wasserstoff würde die Seefahrt tatsächlich sauber machen: kein CO2, keine Stickoxide, kein Staub. Bis es so weit ist, werden zwar noch Jahre vergehen, aber es müsse kommen, lautet Bernhard Meyers Credo. Die Werft setzt darauf, dass die Reedereien angesichts des Kreuzfahrtbooms jetzt bereit sind, das gut verdiente Geld in Umweltschutz zu stecken. Zumal es ja nicht nur um den Antrieb geht, sondern auch um die Abfall- und Abwasserentsorgung.
Rund sieben Prozent des Umsatzes steckt Meyer in Forschung & Entwicklung und hat sich auf dem Werftgelände einen eigenen Thinktank geleistet. Dieser ist für Besucher naturgemäß tabu. Sonst sind Neugierige willkommen. Durch große Fenster kann man die Produktion beobachten, im Besucherzentrum gibt es Information in Hülle und Fülle. Gut 250.000 Gäste zählt die Werft pro Jahr und ist damit die größte Touristenattraktion der Region. Der größte Arbeitgeber ist Meyer allemal. Das zeigt sich vor allem, wenn ein Schiff den Weg zum Meer antritt. Da stehen die Umweltschützer, die um die Ems-Fauna bangen, auf der einen Uferseite und die Beschäftigten, die für ihre Jobs kämpfen, auf der anderen.