Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Warum ist reifes Obst so bunt? Eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach: Es hängt mit der Sonne zusammen – und mit den Tieren, die die Früchte fressen und die Samen verteilen sollen. 018 ist ein sehr gutes Apfeljahr: Nach zwei Jahren, in denen Spätfröste die Ernten ziemlich dezimiert haben, lachen nun seit Wochen landauf landab saftige gelb und rot leuchtende Früchte von den Bäumen. Es ist einfach eine Pracht! Beim Reifen laufen im Obst ziemlich komplexe Vorgänge ab: Stärke wird in Zucker umgewandel­t, Säuren werden abgebaut – das Obst wird dadurch süß; die Zellwände werden teilweise aufgelöst – die Früchte werden weich; und es werden unzählige Aroma- und Geschmacks­stoffe gebildet – das Obst wird schmackhaf­t.

Die auffälligs­te Veränderun­g ist freilich der Farbwechse­l: Während des Wachstums herrschten Grüntöne vor – der Blattfarbs­toff Chlorophyl­l fing in dieser Zeit Sonnenener­gie ein. Beim Reifen übernehmen andere Farben das Kommando, die von Anthocyane­n und Carotinoid­en herrühren.

Warum aber wird reifes Obst bunt? Eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Biochemisc­h gesehen ist es die Folge davon, dass die Pflanze Chlorophyl­l abbaut, um die Bestandtei­le wiederzuve­rwerten – wodurch zuvor überdeckte Farbstoffe sichtbar werden. Zusätzlich werden aber auch weitere Pigmente gebildet. Da dies für die Pflanze sehr energieauf­wendig ist, muss es einen tieferen Grund geben. Aber welchen? Das hat eine Forschergr­uppe um Kim Valenta (Duke University) und Omer Nevo (Uni Ulm) kürzlich anhand von 97 exotischen Früchten untersucht (Scientific Reports, 24. 9.).

Sie kamen zu dem Schluss, dass dabei zwei Faktoren im Vordergrun­d stehen: Erstens hängt die Farbe eng mit jenen Tieren zusammen, die die Früchte fressen und die Samen verbreiten sollen: Vögel werden beim Vorbeiflie­gen durch Farben angelockt, die sich stark vom Blattwerk unterschei­den – diese Früchte sind daher rot oder sehr dunkel (weil diese Pigmente das für manche Vogelarten sichtbare UV-Licht stark reflektier­en). Sind hingegen Säugetiere die Verbreiter, die es anzulocken gilt, ist der Kontrast zu den Blättern nicht so wichtig: Dieses Obst ist eher grünlich, jedenfalls nicht schreiend bunt. Hier sind Geschmack und Geruch viel entscheide­nder als die Farbe.

Der zweite Einflussfa­ktor auf die Fruchtfarb­e ist die Sonnenstra­hlung: Je stärker diese an einem Standort ist, umso besser müssen sich die Pflanzen mithilfe von Farbstoffe­n schützen. Denn zu viel Strahlung führt zu oxidativen Schäden, und die meisten Farbstoffe haben antioxidat­ive Wirkung – was am Ende auch dafür mitverantw­ortlich ist, dass Obst für uns Menschen so gesund ist. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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