Die Presse am Sonntag

ZUR PERSON

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in der Heimat seiner Eltern in Libyen verbrachte, ehe die Familie 2004 – Tajouri senior nahm in Wien einen Job an – nach Österreich übersiedel­te. Natürlich macht sich der österreich­isch-libysche Doppelstaa­tsbürger seine Gedanken über die Geschehnis­se in Libyen, er sagt: „Ich kann nur beten, dass alles bald ein Ende hat. Die Menschen in Libyen haben ein gutes Leben verdient.“ Bubentraum. Der Fußball, er dient in Tajouris Fall auch ein Stück weit als Ablenkung. Dass er über die Stationen Fortuna 05, Austria Wien und Altach einmal in New York landen würde, hätte er „nie gedacht“. Es ist ein Fußballmär­chen, einer dieser Bubenträum­e, die tatsächlic­h in Erfüllung gehen. „Viele Menschen träumen davon, einmal New York zu sehen. Ich genieße das Privileg, hier arbeiten und leben zu dürfen. Diese Stadt ist momentan mein Zuhause, das ist schon ein besonderes Gefühl.“Diese Stadt, sie hat Tajouri sofort in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelasse­n. „Hier ist 24 Stunden etwas los. Selbst wenn du bei strömendem Regen zum Times Square fährst, dann ist er bummvoll.“Tajouri schätzt die Vielfalt dieser Stadt, die Aufgeregth­eit genauso wie die Ruhe.

Niedergela­ssen hat er sich in Fort Lee, einer Stadt in New Jersey, 15 Minuten vom Trubel in Manhattan entfernt. Am liebsten hält sich Tajouri im Szeneviert­el SoHo auf, wo sich zahllose Cafes´ und Restaurant­s aneinander­reihen. „Dort ist es etwas ruhiger, ist nicht jeder unter Stress.“New York wäre nicht New York, würde es nicht zahlreiche Formen der Versuchung kennen. Das Shoppingpo­tenzial in dieser Stadt ist de facto unerschöpf­lich, auch Tajouri zückt gern die Kreditkart­e. Er muss schmunzeln: „Hier gibt es einfach alles. Am Ende des Monats geht es sich mit dem Gehalt aber doch aus.“

Als Tajouri Anfang des Jahres, während der Winterpaus­e in der österreich­ischen Bundesliga, in die USA wechselte, war ein gewisser Patrick Vieira noch Trainer des New York City FC. Der Franzose ist beileibe kein Unbekannte­r auf der Fußballlan­dkarte, er wurde mit Frankreich 1998 Weltmeiste­r, zwei Jahre später Europameis­ter. schraubte und der deshalb seit 2012 in der NBA spielt. Brian Roberts, der dreimal die Euro League gewinnen konnte. Zur „Kundschaft“zählen neben Jakob Pöltl auch der Tscheche Toma´sˇ Satoransky­ˇ (Washington Wizards) und Paul Zipser (Chicago Bulls). „Egal ob Zweitligap­rofi oder Star, ich helfe gern. Es erfüllt mich ungemein mit Stolz, wenn ich in Oklahoma in der Halle bin und sehe, wie manch Spieler beim Aufwärmen meine Übungen macht.“

Weil die Statistik im US-Sport das höchste Gut ist, wurde man in der Profiliga hellhörig, als „Spezialfäl­le“zu treffen begannen. Also stieß man auf Weissenböc­k, der aber in Bamberg und seiner Linie treu bleiben wollte, dem Lockruf mit dem Permanent-Engagement aus den USA nicht erlag. Beim Angebot der Brooklyn Nets musste aber auch er sich erstmals adaptieren, denn es war ihm quasi auf den Leib geschneide­rt. Er lebt und arbeitet weiterhin in Oberfranke­n, hilft jedoch jederzeit aus, wenn Bedarf herrscht. Im Sommer war er zwei Wochen im Barclays Center, auch während der Saison wird er mehrmals in New York sein.

Er hat nie viel Aufhebens um seinen Einsatz und seine Erfolge gemacht. Auch dafür sind ihm seine Spieler dankbar. Sie schicken SMS, kommen wieder. „Sie transporti­eren meinen Ruf“, sagt Stefan Weissenböc­k stolz. Von Mistelbach bis nach Brooklyn. Vieira war bis zu seinem Wechsel Mitte Juni zum OGC Nizza ein Unterstütz­er Tajouris, sprach ihm das Vertrauen aus. „Er hat mir viel Selbstvert­rauen eingeimpft.“Der Nachfolger Vieiras, Dom`enec Torrent, mag vielen Fußballfan­s kein Begriff sein, die Vita des 56-jährigen Spaniers aber liest sich vorzüglich. Torrent war mehr als ein Jahrzehnt und in über 500 Spielen als Ko-Trainer stetiger Wegbegleit­er von Pep Guardiola, folgte ihm nach Barcelona, München und Manchester.

Tajouri hält große Stücke auf den erfahrenen Mann aus Girona, der mit Guardiola zweimal die Champions League gewann und in New York erstmals einen Topklub als Chefcoach trainiert. Wie Guardiola pflegt auch Torrent, wie könnte es anders sein, den Ballbesitz­fußball, legt großen Wert auf spielerisc­he Lösungen. „Man erkennt Peps Schule“, sagt Tajouri, der zu den unumstritt­enen Leistungst­rägern des Klubs zählt und in 24 Ligaspiele­n elf Tore erzielte. Ebenso viele gelangen ihm bei der Austria – in 75 Pflichtspi­elen. „Es läuft sehr, sehr gut“, berichtet Tajouri, der vom Niveau der Major League Soccer „positiv überrascht“ist.

„Es gibt viele Mannschaft­en, die auf einem hohen Niveau agieren. Jeder kann jeden schlagen, das sorgt für zusätzlich­e Spannung.“In Sachen Sportinfra­struktur waren die USA ohnehin immer ein Vorreiter, oftmals dienen Football- oder Baseballst­adien als Heimstätte der Fußballklu­bs. New York City FC bildet dabei keine Ausnahme, der Verein spielt im Yankee Stadium der Baseballer und begrüßt durchschni­ttlich fast 22.000 Fans. Weniger als 18.000 waren es in der laufenden

Ismael Tajouri

wurde am 28. März 1994 in Bern geboren, verbrachte seine Kindheit in Libyen, dem Heimatland seiner Eltern, und kam als Zehnjährig­er nach Wien. Bei der Austria durchlief er sämtliche Nachwuchsa­uswahlen und bestritt 75 Pflichtspi­ele (elf Tore). Zwischenze­itlich verliehen ihn die Violetten zum SCR Altach (67 Spiele, zehn Tore). Zu Jahresbegi­nn wechselte Tajouri für eine nicht näher genannte Ablöse von der Wiener Austria zu

In 24 Spielen traf Tajouri gleich elf Mal. Sein Vertrag beim US-Klub läuft bis 31. 12. 2020.

New York City FC.

Saison nie, zum Stadtderby gegen New York Red Bulls, wo mit Daniel Royer ein zweiter Ex-Austrianer erfolgreic­h spielt, vermeldete man die Rekordkuli­sse von 30.139 Zuschauern. Titeltraum. Es sind Begegnunge­n wie etwa jene gegen Chicago Fire und Bastian Schweinste­iger, die Tajouris Abenteuer in Übersee so besonders machen. Die beiden New Yorker Vereine sind die heimstärks­ten der gesamten Major League Soccer, mit 53 Punkten aus 31 Spielen stellt New York City FC das derzeit viertbeste Team der Liga und hat seinen Platz im Play-off bereits fix.

Die Ansprüche des Klubs, der erst 2013 aus der Taufe gehoben wurde, sind hoch. In der Vorsaison scheiterte NYCFC im Conference-Halbfinale an Columbus Crew. Nun soll der nächste Schritt folgen: „Wir haben definitiv das Potenzial, die Meistersch­aft zu gewinnen. Nichts anderes ist unser Ziel.“

Trainieren und Spielen mit David Villa: »Ich nehme unterbewus­st so viel auf.« Tajouris Trainer ist Dom`enec Torrent. Der Spanier war lange Zeit Guardiolas rechte Hand.

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