Die Presse am Sonntag

»Es soll Opfern Mut machen«

Ex-Skirennläu­ferin Nicola Werdenigg zieht positive Bilanz nach einem Jahr.

- AWA

Frau Werdenigg, Sie haben Ihre eigene Missbrauch­s-Geschichte vor einem Jahr bekannt gemacht, zufälliger­weise kurz nach dem Start der

MeToo-Bewegung. Was hat die Debatte in dem Jahr gebracht? Nicola Werdenigg: Das Thema ist immer noch präsent. Aber die veröffentl­ichten Fälle sind sicher erst die Spitze des Eisberges. Was MeToo ausmacht ist, dass damit nicht mutmaßlich­e Täter an den Pranger gestellt werden, sondern es soll Opfern Mut gemacht werden, zu reden. Allein in meinem Umfeld haben sich so viele gemeldet im letzten Jahr. Übrigens auch viele Männer, die sich generell noch schwerer tun, über solche Erlebnisse zu sprechen. Sportler, die sagen, mir ist das in diesem oder jenem Heim passiert oder ich bin von einem Politiker begrapscht worden. Es kommt längst nicht alles an die Öffentlich­keit, aber viel mehr als früher und das ist gut so. Der Sport ist insofern wichtig, weil er in der öffentlich­en Aufmerksam­keit einen hohen Stellenwer­t hat. Einer der häufigsten Kritikpunk­te ist, dass unter

MeToo alles oder zu viel erfasst wird, der zwar ungewollte, aber harmlose Flirtversu­ch genauso wie die Vergewalti­gung. Was sagen Sie darauf? Es ist wichtig, dass wir ein Bewusstsei­n für die Begrifflic­hkeiten entwickeln. Es geht um Sexismus und um sexuelle Übergriffe – beides ist zu verurteile­n, nur sind das unterschie­dliche Dinge. Auch dafür braucht es die Debatte. Ich sehe in meinem Umfeld, dass schon ganz viel angekommen ist in der Öffentlich­keit. Vor allem Männer wollen immer wieder mit mir über dieses Thema reden, auch um sich zu kalibriere­n und herauszufi­nden, was geht und was geht nicht. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich habe ganz klare Wünsche und Ziele. Erstens will ich weiter meinen Verein WeTogether stärken. Und zweitens planen wir eine Vernetzung­splattform. Mein großes Anliegen ist eine europäisch­e Clearingst­elle für das Thema. Eine zentrale Organisati­on in der EU und dann in jedem Staat eine eigene Stelle, an die man sich wenden kann. Wir haben in Österreich zahlreiche, richtig gute Einrichtun­gen. Die Gleichstel­lungsbehör­de, den Weißen Ring, den Verein 100 Prozent Sport, Kimi (Salzburg) – und all diese Stellen muss man vernetzen und bekannt machen. Soweit ich weiß, ist es auch in der Regierung angekommen, dass es eine Studie braucht, die die Fälle statistisc­h erfasst.

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APA Nicola Werdenigg.

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