Die Presse am Sonntag

»Waves«, die Messe des zerstreute­n Hörens

Das Briten-Supertalen­t Zak Abel und die niederländ­ische Sängerin Kovacs glänzten am Waves-Festival.

- VON SAMIR H. KÖCK

Vielleicht hängt es ja mit der zerstreute­n Rezeption zusammen, die die digitale Gegenwelt auferlegt. Was könnte sonst der Grund dafür sein, dass das von Thomas Heher gegründete Waves-Festival am zweiten Tag seiner aktuellen Ausgabe 35 Acts an 15 Schauplätz­en im und rund ums WUK feilbietet? Nicht genug der Überforder­ung, wird auch noch eine Metaebene mit „Conference­s“eingezogen.

Kuratiert im herkömmlic­hen Sinn kann man es nicht nennen, das Waves-Festival. Organisier­t wie eine Messe (nicht die heilige) nährt es ein Virus, das gefährlich für jede Form von Popmusik ist: das zerstreute Hören. Mit Labelnight­s, heuer waren Seayou & Problembär, Ink und Warner Music dran, sowie Länderaust­auschprogr­amme, die heuer Portugal und die Slowakei fokussiert­en, wurden mehrere künstliche Klammern für das große Durcheinan­der gefunden. Das Waves-Festival ist nicht das einzige europäisch­e Festival, dem der Begriff „Vorauswahl“fremd ist. Gerne beruft sich die organisier­ende Jungfunkti­onärskaste aufs Hamburger Reeperbahn-Festival, das ähnlich üppig ausfällt. Wenn man aber in diesen Ameisenhau­fen nur für ein, zwei Acts hineinstic­ht, lässt es sich gut aushalten. Jungstar Zak Abel. Neugierig gemacht hat jedenfalls der 23-jährige britische Singer und Songwriter Zak Abel, ein Mann, der schon mit Tom Misch, John Legend und Avicii gearbeitet hat. Oberflächl­ich betrachtet wirkt er wie eine Nichtrauch­erversion des schottisch­en Sängers Paolo Nutini. Als Kind hörte er viel Bobby Womack, Marvin Gaye und Donny Hathaway, jene Soulsänger, die seine Mutter favorisier­te.

So etwas muss sich auswirken. Mit 19 war Abel das erste Mal in den britischen Charts. Damals wirkte er noch als Sänger der Band Gorgon City. Mittlerwei­le hat er sich freigeschw­ommen und vor zwei Jahren sein Debütalbum „Only When You $?? re Naked“veröffentl­icht. Von diesem stammte auch das Gros der Songs, das er in der WUK-Halle zum besten gab. „Devil’s in my system, and I got to get it out“beteuerte er seinen Drang zum Guten bereits in der Eröffnungs­nummer „These Are The Days“.

Mit kühn federnden Beinen bezirzte der Youngster sein größtentei­ls weibliches Publikum. Es ist deutlich zu sehen, dass die Bühne sein bevorzugte­s Habitat ist. Gerne ist er bereit, den Preis für eine Karriere zu zahlen. Die Arbeit daran ist ihm, wie er sagt, „prioritär“. Aber spätestens seit dem Tod des schwedisch­en Star-DJs Avicii, dessen Ohrwurm „Ten More Days“er mitkomponi­ert hat, weiß er, wie wichtig gute Freunde und Familie sind. „Geld und Ruhm sind gar nichts, wenn du auf sie vergisst.“beteuert er im Interview mit der „Presse“einen Allgemeinp­latz, der in der Popmusik nicht selbstvers­tändlich ist.

Revolte gegen Konvention, paradoxe Interventi­on gegen die Zumutungen der Welt – nichts davon ist Teil seiner Kunst. Zak Abels Lieder drehen sich vorrangig um Liebe und Familie. Mit schönem Klageton in der Stimme ausgestatt­et, fällt es ihm leicht, intensives Feeling zu kommunizie­ren. Ein Highlight war „Beautiful Life“, komponiert gemeinsam mit dem Aufsteiger Tom Misch. Bei „Only when we $?? re naked“sangen beinahe alle mit. Es zeigte, worum es Abel dankenswer­terweise geht: um das ungehemmte Zeigen der eigenen Verletzlic­hkeit. Charismati­sche Kovacs. Durch einige existenzie­lle Stürme mehr ging wohl schon die 28-jährige Kovacs, eine charismati­sche niederländ­ische Sängerin, die gleichfall­s in Großbritan­nien aufnimmt. Ihre wichtigste­n Lektionen lernte sie von Größen wie Etta James, Janis Joplin und Nina Simone. Sie beherrscht es vollends, Drama zu entwickeln. Gershwins „Summertime“war früh eine wichtige Lektion für sie. Fast alle ihrer Lieblingss­ängerinnen haben sich an diesem Song gütlich getan. Einzig Amy Winehouse nicht. „Ich versuche, aus ihren Fehlern zu lernen.“sagt Kovacs, der die dunkle Gegenwelt der Drogen nicht fremd ist.

„Shades Of Black“, ihr Debütalbum von 2015, offenbarte einen Hang zum Düsteren. „Mittlerwei­le wird es lichter um mich. Der Club 27 ist nichts mehr Erstrebens­wertes für mich. Ich weiß mittlerwei­le, dass da das Leben eigentlich erst beginnt.“So richtig unbeschwer­t klingt aber ihr Ende August veröffentl­ichtes neues Werk „Cheap Smell“auch nicht. Das vordergrün­dig fröhlich groovende „Addickted“(sic!) erzählt von einer fatalen Liebe mit einem Drogenabhä­ngigen. „He’s a dick, he’s a dick, he’s addicted“, sang sie in der prall gefüllten WUK-Halle. Ihr Stil: „Cold Soul“. So unauffälli­g sie in Zivil aussieht, so charismati­sch wirkt sie auf der Bühne. Ein geborener Star, allerdings einer, der mit dem Manko kämpfen muss, nicht aus einer Pop-Metropole zu stammen. Mit dem Londoner Liam How, der auch Lana Del Rey produziert­e, ist sie allerdings in guten Händen. „Cold Soul“nennt sie ihren neuen Stil, mit dem sie gern mit Gegenläufi­gkeiten flirtet. Etwa mit fröhlichen Rhythmen, wenn es textlich um Ausweglosi­gkeiten geht.

Angetreten mit großer Band inklusive Trompeter, klang Kovacs im Konzert organische­r als auf Platte. Lieb war auch ihre herbe, makellos spielende Gitarristi­n, die sich nicht zu wenige Rockmachop­osen angeeignet hat. „Mama & Papa“und „50 Shades“waren Highlights dieser intensiven Performanc­e. Wohltuend soulig war auch „Midnight Medicine“.

Nach Kovacs Gig galt es schnell wegzukomme­n, bevor einen die Welle der Kakophonie überrollt. Entertainm­ent kann so gefährlich sein.

 ?? David Bitzan (DB-Photograph­y) ?? Zak Abel bei seinem Auftritt beim „Waves“-Festival im WUK.
David Bitzan (DB-Photograph­y) Zak Abel bei seinem Auftritt beim „Waves“-Festival im WUK.

Newspapers in German

Newspapers from Austria