»Wir lassen uns das Leben nicht verbittern«
Das war eigentlich nicht vorgesehen: Erfolgreiche Künstler in Nazideutschland mit einem jüdischen Ehepartner. Ein neues Buch erzählt über die großen Filmstars und die Liebe in Zeiten des braunen Terrors. Eine Geschichte von Anpassung und Opferbereitschaft
Mein Führer! Ich lebe mit meiner Frau seit 25 Jahren in glücklichster Ehe. Ich bin vollkommen arischer Abstammung, während meine Frau Jüdin ist. Die für Juden geltenden Ausnahmegesetze behindern mich außerordentlich, insbesondere zermürben sie mich seelisch, wenn ich ansehen muss, wie meine Frau, die so viel Gutes für mich getan hat, dauernd abseits stehen muss.“Der Mann, der hier am 24. Oktober 1938 an den deutschen Reichskanzler Adolf Hitler schrieb, wollte seine Frau Bianca befreit sehen von den Diskriminierungen des Alltags. Er unterzeichnete den Brief mit „Heil mein Führer, Hans Moser.“
Moser war ein Publikumsliebling, Hitler mochte den nuschelnden österreichischen Schauspieler sehr, während Joseph Goebbels ihn als „unarisch“verachtete. So umging Moser den Instanzenweg, eigentlich wäre Propagandaminister Goebbels als Präsident der Reichskulturkammer für die Künstler zuständig gewesen. Das Gnadengesuch direkt an den „Führer“war aussichtsreicher. Bianca wurde eine Art „Ehrenarierin“, sie übersiedelte nach Budapest. Eine Scheidung kam für Hans Moser nicht in Frage.
Am 6. November 1936 schrieb Goebbels in sein Tagebuch: „Heinz Rühmann klagt uns sein Eheleid mit einer Jüdin. Ich werde ihm helfen. Er verdient es, denn er ist ein ganz großer Schauspieler.“Trotzdem wurden die Angriffe gegen den Star, dem damals die Herzen des Publikums zuflogen, wegen seiner jüdischen Ehefrau Maria immer massiver. Die ein paar Jahre ältere Frau hatte als Managerin Rühmanns Karriere auf Schiene gebracht.
Nun kam Görings Empfehlung: „Sehen Sie zu, dass Ihre Frau einen neutralen Ausländer heiratet. Das ist die einfachste Lösung! Meinen Segen haben Sie!“Und Joseph Goebbels zu Rühmann: „Hängen Sie denn noch an dieser Frau?“Die Antwort Rühmanns: „Herr Minister, ich verdanke meiner Frau alles. Sie hat mich zu dem ge- macht, was ich bin!“Darauf Goebbels: „Machen Sie sich mit dem Gedanken vertraut, dass es über kurz oder lang zu einer Trennung kommen muss!“
Der Gedanke war Rühmann wegen der Entfremdung von Maria schon von selbst gekommen, doch er wollte sie nicht ausliefern. Schließlich ging sie eine Ehe auf dem Papier mit einem schwedischen Schauspieler ein und nahm dessen Staatsbürgerschaft an. Rühmann war frei für seine Beziehung mit der Schauspielkollegin Hertha Feiler. Die talentierte Wienerin war nur „Vierteljüdin“, das war nicht so schlimm wie eine „Volljüdin“. Und jünger war sie auch. Stars und die Gunst der Stunde. „Gemischtrassige“Paare, wie man damals in Nazideutschland sagte, aus dem Künstlermilieu. Das, was eigentlich nicht vorgesehen war. Die österreichische Autorin Evelyn Steinthaler legte soeben ein sehr lesbares Buch vor, über die Liebe in der Zeit des braunen Terrors, über Stars, die die Gunst der Stunde nutzten. Eine Geschichte von Anpassung und Opferbereitschaft, von starker Liebe und schwachem Charakter. Politik lässt dem Privaten keinen Spielraum, mischt sich ein, blockiert oder fördert Karrieren. Das Argument, das fast immer kommt: „Sie sollten sich scheiden lassen!“Dann werde alles leichter.
Wie kamen die Leinwand- und Bühnenhelden zurecht mit der Versuchung, durch eine Trennung vom jüdischen Ehepartner die Karriere anzuschieben in Nazideutschland? Für viele Schauspieler, auch Schriftsteller, war Emigration kein Ausweg, sie waren an ihre Muttersprache gebunden. Sie war ihnen Heimat. Nicht jeder besaß den finanziellen Polster eines Thomas Mann. Und nicht jedes englischsprachige Publikum war geneigt, einen deutschen Akzent bei Filmschauspielern zu tolerieren. Den Erfolg einer Marlene Dietrich, die bereits 1930 in die USA emigriert war, zu kopieren, erschien aussichtslos.
Evelyn Steinthaler beleuchtet mit ihrem Buch zugleich die Film- und Theaterszene der ausgehenden Weimarer Republik. Die Zahl der Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden in der Zwischenkriegszeit war ein Indiz, dass im 20. Jahrhundert
Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein
Stars und die Liebe unter dem Hakenkreuz 224 Seiten, 22 € Thema sind vor allem die Künstlerpaare Heinz Rühmann und Hertha Feiler, Joachim Gottschalk und Meta Wolff, Kurt Weill und Lotte Lenya, Hans Albers und Hansi Burg. Die Autorin, 1971 geboren, stammt aus Klagenfurt und schrieb u. a. das Buch „Frauen 1938“. die Abgrenzung in der Gesellschaft an Bedeutung verlor. In Deutschland waren es vor der Machtergreifung der Nazis 35.000 solcher interkonfessionellen Ehen. Die Nürnberger Gesetze der Nazis von 1935 verboten den intimen Kontakt zwischen dem nun als „jüdisch“und als „arisch“definierten Teil der Bevölkerung.
Wie kamen die Leinwandund Bühnenhelden zurecht mit der Versuchung? Man konnte sich wohlfühlen in der bohemeartigen Atmosphäre am Teetisch.
Liebende, die bis dahin nicht geheiratet hatten, sahen sich auf einmal als „Rassenschänder“kriminalisiert. Sogenannte „Mischehen“wurden nun verboten, Ehepaare, die bereits in „Mischehen“lebten, sahen sich einem nicht immer konsistenten System von Kategorisierungen gegenüber, nämlich von „privilegierten“und „nichtprivilegierten“Paaren. Gesetzlich fixiert wurde das nie, die Ehe im Prinzip nicht angetastet. Man wollte nicht den Widerwillen breiter „arischer Kreise“hervorrufen. Immer wieder diskutierten die Nazis das „unerledigte Problem“der „Mischehen“, ihre Existenz war ihnen ein Dorn im Auge. Man legte dem arischen Partner meist nahe, sich scheiden zu lassen.
Mit dem „Anschluss“1938 wurden die Rassengesetze rückwirkend auch in Österreich übernommen. Kam es zur Scheidung, wurde der jüdische Partner ab 1942 meist ins KZ Theresienstadt deportiert. Überlebten Juden oder Jüdinnen die Jahre bis 1945, taten sie es dank „Mischehen“und eines nichtjüdischen Elternteils, 12.000 waren es in Deutschland bei Kriegsende, 6000 in Wien. Der Maler Arik Brauer gehörte zu denen, die durch den Schutz nichtjüdischer Familienmitglieder überlebten. Dazu kamen an die 1000 U-Boote. Teestunde beim Minister. Dann gab es noch die vielen, die auswanderten oder deportiert wurden, Evelyn Steinthaler erzählt als Beispiel für Emigranten die Geschichte von Lotte Lenya und Kurt Weill. In Vergessenheit gerieten viele, die vor der NS-Zeit populär waren und dann aus den verschiedensten Gründen verfemt und verfolgt