Die Süßkartoffel, eine Diva
Familie Reinl hat wegen der Kinder mit dem Anbau von Süßkartoffeln begonnen. Heute ist die Kultur ein fixer, wenn auch kleiner Bestandteil der Nebenerwerbslandwirtschaft der beiden Juristen im Weinviertel. Wäre da nur mehr Regen.
Familienbetriebe sind in der Landwirtschaft nichts Seltenes. Im Gegenteil: Je kleiner der Hof, desto eher kann man davon ausgehen, dass die ganze Familie mitarbeitet. So ist das auch bei Familie Reinl, die im niederösterreichischen Weinviertel nebenberuflich eine kleine Landwirtschaft betreibt. Allerdings waren es bei Sonja und Anton Reinl die Kinder (mittlerweile haben sie drei), die sie zur Süßkartoffel brachten und dazu veranlassten, neben Wein und Ackerbau auf eine für Österreich doch recht exotische Kultur zu setzen.
Sonja und Anton Reinl sind beide hauptberuflich Juristen und stammen beide aus landwirtschaftlichen Familien. „Ich bin aus dem Mostviertel und habe in die Familie hineingeheiratet“, sagt er. Also haben sie die Landwirtschaft ihrer Eltern, die diese damals noch hauptberuflich betrieben haben, übernommen. Die Tiere gibt es nicht mehr. „Bis auf Fliegen und Ziesel im Weingarten“, sagt Sonja Reinls Vater, Walter Pamperl, der nach wie vor auf dem Hof mithilft. Auf insgesamt sechs Hektar werden Wein, aber auch Weizen, Mais und Sonnenblumen angebaut.
Zur Süßkartoffel sind sie über die Geschmacksvorlieben der Kinder gekommen. „Wir Landeier haben Besuch aus Wien gehabt, und die haben als Gastgeschenk Süßkartoffeln mitgebracht“, sagt Sonja Reinl. Der Brei, den sie daraus ihrem ersten Kind vorsetzte, kam so gut an, dass dieses Erdäpfel daraufhin verschmähte. Spätestens als der zweite Süßkartoffelbreiesser da war, beschlossen sie, es zumindest für den Eigenbedarf mit der Kultur zu probieren. Im „Jahr eins“, wie es Anton Reinl nennt, habe er einfach versucht, eine im Supermarkt gekaufte Süßkartoffel in die Erde zu stecken – erfolglos. Im Jahr zwei haben sie Jungpflanzen aus Irland bestellt. 300 Stück war die Mindestmenge, die der Händler hergegeben hat.
Sonja Reinl wird den Tag nie vergessen, als der Paketdienst kam und die Lieferung kopfüber vor dem Hof abgeladen hat. Zum Glück hatten die Jungpflanzen alle einen Deckel, also hat sie diese Stück für Stück wieder eingesammelt und dann ausgesetzt. „Aber sie sind gewachsen, wir waren positiv überrascht.“Im Jahr drei haben die beiden beschlossen, es ein bisschen größer anzugehen und nicht nur die eigene Familie damit zu versorgen. Und sie haben auch einen Wodka aus den Süßkartoffeln herstellen lassen, der dann gleich eine Bronzemedaille beim Goldenen Stamperl eingeheimst hat. Das war im Vorjahr.
Heuer, im Jahr vier, gab es wieder einen Dämpfer. „Von April weg war hier so wenig Niederschlag wie noch nie“, sagt der Senior, Walter Pamperl. Trotz Bewässerung war es den Pflanzen einfach zu trocken. Das hat sich auch auf den Ertrag niedergeschlagen. Der ist zwar beinahe genauso groß wie im Vorjahr, allerdings gab es damals rund 1000 Pflanzen, heuer hingegen 2500 Pflanzen. Dafür stammen die Jungpflanzen heuer erstmals aus Oberösterreich, immerhin gibt es mittlerweile ein paar Betriebe in Österreich, die sich mit der Kultur befassen. Erntehelfer in der Schule. Ausgesetzt werden die Süßkartoffeln jeweils ab dem 20. Mai. Da sie extrem kälteempfindlich sind, würde sie ein eventueller Spätfrost zunichtemachen. Unter zehn Grad stellt die Pflanze das Wachstum ein, bei null Grad stirbt sie. Dann muss sie von Unkraut freigehalten werden. Geerntet wird im Herbst, also dieser Tage. „Wobei die Haupterntehelfer gar nicht da sind“, sagt Sonja Reinl. Die sind nämlich in der Schule bzw. im Kindergarten. Normalerweise läuft die Arbeitsteilung so: „Der Ältere legt zam, der Mittlere putzt und der Kleine red’t gscheit“, sagt sie und lädt ein, sich das kleine Feld und die Ernte der letzten Süßkartoffeln anzuschauen. Auf die Frage nach den Hektar lacht sie nur und sagt: „Wir reden hier von Quadratmetern, circa 1000, also ganz klein.“Immerhin drei verschiedene Sorten wurden angebaut: Beauregard mit ihrer typisch orangefarbenen Schale, die weiße Bonita und die außen violette und innen orange Evangeline.
Walter Pamperl fährt mit dem Traktor vor, auf dem ein kleiner Pflug befestigt wurde. „Ein Eigenbau“, wie er sagt. „Vor 40 Jahren haben wir damit Rüben rausgeholt, dann ist er 40 Jahre im Stadl gestanden. Man soll in einer Landwirtschaft nichts wegschmeißen.“Er startet den Traktor, setzt den Pflug ab, und schon kommen ein paar Süßkartoffeln zum Vorschein. Das Ehepaar klaubt sie auf, putzt sie grob und sortiert sie gleich nach Sorten. Man sieht es nicht mehr, weil vor der Ernte gehäckselt wurde, aber die Pflanze ranke normalerweise bis zu drei Meter, erklärt Sonja Reinl.
Bis auf den Namen und die Art und Weise, wie sie angebaut werden, haben Süßkartoffeln wenig mit Erdäpfeln gemein. Süßkartoffeln könne man etwa auch roh essen, sie schmecken dann nur nicht besonders. Und auch die Lagerung ist anders. Die Süßkartoffel muss nach der Ernte etwa eine Woche bei 25 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit gelagert werden, damit sie überhaupt haltbar ist. Danach wird sie bei Familie Reinl im Weinkeller gelagert und ab Hof oder an die Gastronomie verkauft. „Das ist ein Produkt, das wirklich gesucht wird“, sagt Walter Pamperl. Er selbst kann allerdings mit dem Süßkartoffel-Wodka weit mehr anfangen als mit der Knolle.
Die Süßkartoffeln wurden auch zu Wodka verarbeitet, der schon einen Preis erhielt.
Weinviertler Süßkartoffel Sonja und Anton Reinl betreiben im niederösterreichischen Nappersdorf nebenberuflich eine Landwirtschaft. Neben Wein und Ackerbau gibt es auch Süßkartoffeln. Verkauft werden sie, ebenso wie Süßkartoffelwodka, ab Hof und an die Gastronomie. Kontakt: Kleinweikersdorf 35, 2023 Nappersdorf, 0650/ 924 75 20, www.zieselwein.at