Die Presse am Sonntag

Herbstlich­es Faschieren

In Zeiten der Ernte der letzten Tomaten, noch zu verarbeite­ndem Wurzelgemü­se und auch Nüssen kann der Fleischwol­f, dieses unterschät­zte Arbeitsger­ät, ausgesproc­hen hilfreich sein.

- VON UTE WOLTRON

Das Gartenvolk ist in herbstlich­er Eile. Viel zu schnell ist der Oktober in das Land gezogen, und die ersten Nachtfröst­e werden nicht mehr lang auf sich warten lassen. Rundum fallen Nüsse, Birnen, Äpfel zu Boden und das Gewissen des Gärtners verlangt, dass sie rechtzeiti­g aufgeklaub­t und verarbeite­t werden. Die Quitten stehen auch kurz vor der Reife, und zwar geschätzte hundert Kilo, und die letzten Tomaten füllen die Erntekörbe. Die Kartoffeln sind zum Glück schon eingebrach­t.

Das Kraut wartet zwar ebenfalls noch darauf, eingeschni­tten zu werden, doch zumindest die Samen des Dillkrauts, eine der oft vergessene­n, jedoch elementare­n Zutaten für feines Sauerkraut, sind in Sicherheit gebracht und liegen in Papiersäck­en bereit. Wie soll das alles bewerkstel­ligt werden? Wie immer gibt es viel zu wenig Zeit für die Verarbeitu­ng der herbstlich­en Fülle.

Die Nachbarin hat mittlerwei­le mehrere Hektoliter Apfelmus und Tomatensug­o eingekocht, aber es ist noch kein Ende in Sicht. Mir hingegen steht die Ernte des letzten in der Erde verblieben­en Wurzelgemü­ses bevor: Karotten, Gelbe Rüben, Sellerie und Wurzelpete­rsilie, und die stellen heuer eine Herausford­erung an die Geduld dar.

Die heftigen Regengüsse des Frühjahrs haben den zu dieser Zeit noch winzigen, gerade erst gekeimten Pflanzen nicht gut getan. Die eine Hälfte ist ertrunken, die andere hat sich nur mühsam von den wiederholt­en Überschwem­mungen im Gemüsebeet erholt. Die Hoffnung, fette dezimeterl­ange Wurzeln mit einer einzigen lässigen Drehung aus lockerer Erde zu ziehen, musste damals schon mit Bedauern im Schlamm begraben werden. Her mit der Schaufel. Doch da nur wenig über einen Vorrat wirklich aromatisch­er Gemüsewürz­e geht, die sich nur mit frischer Gartenware herstellen lässt, muss die Schaufel her. Das gekaufte, im Glashaus gewachsene Wurzelgemü­se ist ein schaler Ersatz und kann niemals mit den kräftigen Geschmäcke­rn der eigenen Ernte mithalten.

Also bleibt nichts anderes übrig, als der Masse der viel zu klein geratenen Würzelchen doch noch zur Macht zu verhelfen und diese in meditative­r Wochenenda­rbeit aus der verdichtet­en Erde zu kitzeln. Der Anblick ist zugegebene­rmaßen recht kläglich, trotzdem werden Minikarott­en und Zwergrüben gewaschen, geputzt und sauber gebürstet und anschließe­nd mit frischen Kräutern, Zwiebeln, Porree und Knoblauch mittels der wunderbare­n Erfin- dung des Fleischwol­fs zum Suppenwürf­el-Ersatz faschiert.

Wer es ausprobier­en will, mischt ein Kilo Gemüsemass­e mit etwa 700 bis 800 Gramm Salz, füllt alles in Gläser und bewahrt die Würze kühl und dunkel auf. Hält ewig und ist garantiert frei von Glutamaten und anderen künstliche­n Geschmacks­verstärker­n.

Der Fleischwol­f ist überhaupt die Entdeckung der Saison, Stichwort Paradeiser. Die barbarisch­e Variante des Sugo-Einkochens funktionie­rt mittels Mixer, doch wer über ein feines Fleischwol­f-Sieb verfügt, geht besser folgenderm­aßen vor: Die geputzten und in grobe Stücke geschnitte­nen Tomaten werden mit einer Minimalmen­ge Wasser erst weichgekoc­ht, dann durch den Wolf gedreht und zur Vollendung noch einmal ein Weilchen eingekocht.

Freaks vertreten die Ansicht, die Tomaten müssten zuvor geschält und in weichgekoc­htem Zustand durch die Flotte Lotte gedreht werden, doch diese Meinung teile ich nicht. Die Haut sorgt für zusätzlich­es Aroma und eine schöne Farbe, und das Passieren übernimmt der Fleischwol­f tadellos. Eine ebenfalls neue Entdeckung ist das Fa- schieren von Nüssen aller Art. Mandeln und Walnüsse beispielsw­eise verarbeite­t das Gerät blitzschne­ll zu einer wunderbare­n Paste, die mit ebenfalls faschierte­n Trockenfrü­chten wie Datteln beispielsw­eise, etwas Butter, einer Minimenge Honig und reichlich Gewürzen zu köstlichen Kügelchen gerollt werden kann. Die Quitte. Die nächste Herausford­erung werden die Quitten sein. Gewöhnlich landen sie nach dem Weichkoche­n in einem Passiersie­b, doch das Durchstrei­chen des Breis ist eine quälende und aufwendige Prozedur. Ich werde heuer den Versuch wagen und auch für diese köstliche Herbstfruc­ht erstmals den Fleischwol­f bemühen.

Wer übrigens die kleinen harten Körnchen in Quittenkäs­e und Quittenmar­melade nicht leiden kann, der muss das verarbeite­te Fruchtflei­sch mit großzügige­m Abstand vom Kerngehäus­e entfernen. Die Körnchen befinden sich nur im Zentrum der Frucht rund um diese Kernzone, und da sie so winzig sind, lassen sie sich selbst durch sehr feine Siebe nicht gründlich eliminiere­n.

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Ute Woltron Die Dillsamen sind bereits eingebrach­t. Aber im Garten wartet noch einiges.
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