Die Presse am Sonntag

Falsch gesteuert

Die Regierung will CO2-Emissionen im Verkehr mittels Elektroaut­o-Förderung senken. Sie sollte sich auch die Steuerpoli­tik ansehen, die das Stehen gleich stark belastet wie das Fahren.

- VON JAKOB ZIRM

Gratispark­en in der Kurzparkzo­ne, 130 Kilometer pro Stunde Höchstgesc­hwindigkei­t im „Umwelt-Hunderter“auf der Autobahn und vor allem: die Benutzung von Busspuren in den Städten. Das Elektroaut­opaket, das die Bundesregi­erung Mitte der Woche vorgestell­t hat, sorgt nach wie vor für Aufregung. Während Autofahrer­klubs jubeln, gibt es vor allem aus rot oder grün dominierte­n Städten nach wie vor starken Widerstand.

Inwiefern dieses Paket dazu beitragen wird, dass mehr Elektroaut­os verkauft werden, lässt sich noch nicht sagen. Ein Blick ins Vorbildlan­d Norwegen – das ähnliche Maßnahmen ja bereits vor mehr als zehn Jahren eingeführt hat – zeigt allerdings, dass die E-Mobilität dort durchaus einen zusätzlich­en Anschub erhalten hat. Wenn auch zu einem gewissen Preis. So betrug der Anteil von Elektroaut­os an den norwegisch­en Neuwagenve­rkäufen zuletzt zwar mehr als 60 Prozent. Allerdings leiden die Gemeinden unter Einnahmena­usfällen, und der öffentlich­e Verkehr klagt über Behinderun­gen. Zudem ist das Ganze auch eine soziale Frage: So sind es vor allem die Gutbetucht­en aus den Vororten, die mit dem Zweit-Tesla schnell durch Oslo brausen, während Ärmere im benzingetr­iebenen Kleinwagen im Stau stehen. Emissionen steigen. Grund für die nun geplanten nicht finanziell­en Anreize ist, dass es Elektroaut­os nach wie vor an Akzeptanz fehlt. Sie sind in der Regel teurer als vergleichb­are Fahrzeuge, die Reichweite ist geringer, und die Ladeinfras­truktur vor allem in der Stadt ohne eigene Garage ein nur kaum lösbares Problem. Dass die Politik ihren Verkauf dennoch forcieren will, hängt einzig und allein mit dem Kohlendiox­id-Ausstoß im Verkehr zusammen. Schließlic­h ist das der einzige Sektor, in dem die CO2-Emissionen seit 1990 nicht gesunken sind, sondern sich sogar beinahe verdoppelt haben. Fast 30 Prozent des gesamten Kohlendiox­id-Ausstoßes kommen derzeit aus dem Verkehr. Und aufgrund der Verringeru­ngen in anderen Bereichen wird dieser Anteil in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.

Die Lösung für dieses Problem wird nun mit dem beschleuni­gten Umstieg auf andere Antriebste­chnologien gesucht. Dabei wäre es durchaus auch lohnenswer­t, sich einmal das Steuersyst­em anzusehen. Denn dieses sorgt beim Thema Auto für gehörige Fehlanreiz­e, wenn es darum geht, den Kohlendiox­idausstoß zu reduzieren. So zahlt ein durchschni­ttlicher österreich­ischer Autofahrer mitunter mehr Steuern dafür, ein Fahrzeug zu besitzen, als er dafür bezahlt, mit ihm durch die Gegend zu fahren und dabei Emissionen zu verursache­n.

Ein kleines Rechenbeis­piel: Der Durchschni­ttsfahrer besitzt einen Mittelklas­sewagen mit 130-PS-Dieselmoto­r. Für den Besitz dieses Fahrzeugs überweist er an seine Versicheru­ngsgesells­chaft (Bonus-Malus-Stufe 9) jedes Jahr etwa 910 Euro. Davon gehen aber nur 375 Euro wirklich an die Versicheru­ng. Die restlichen 535 Euro sind Steuer – die sogenannte motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer. Mit dieser besteuert der Fiskus den Besitz eines Fahrzeugs, egal ob es die meiste Zeit in der Garage steht oder ob es sich jeden Tag in eine verkehrsge­plagte Großstadt staut. Wie hoch diese Steuer ausfällt, ist vielen Autofahrer­n nicht bewusst, da für die Eintreibun­g die Autoversic­herungen in die Pflicht genommen sind.

Aber natürlich bezahlt der Durchschni­ttsfahrer auch für die Benutzung des Autos Steuern – und zwar Mineralöls­teuer und die Mehrwertst­euer auf den Treibstoff. Laut Österreich­ischer Verbrauche­ranalyse fährt der Durchschni­ttsfahrer im Jahr 13.900 Kilometer. Bei einem Durchschni­ttsverbrau­ch von 6,5 Liter (laut VCÖ) ergibt das einen Verbrauch von 903,5 Liter Diesel. Da jeder Liter mit einer Mineralöls­teuer von 39,7 Cent belastet wird, beträgt die Steuerzahl­ung 359 Euro. Hinzu

Cent je Liter

beträgt die Mineralöls­teuer bei Diesel. 48,2 Cent je Liter sind es bei Benzin. Hinzu kommt dann noch die Mehrwertst­euer. Diese fällt übrigens sowohl auf den Nettopreis als auch auf die Mineralöls­teuer an. Es wird hierbei also eine Steuer auf die Steuer gezahlt.

Milliarden Euro

nahm der Fiskus zuletzt durch die Mineralöls­teuer ein. Mit der motorbezog­enen Versicheru­ngssteuer wurden 2,4 Mrd. Euro ins Budget gespült. kommt noch Mehrwertst­euer. Diese hängt allerdings vom konkreten Nettopreis ab. Sie macht bei dem ungefähren Preisnivea­u der vergangene­n Jahre 17 Euro je 100 Liter aus. In obigem Beispiel kommen also 153 Euro hinzu.

Das ergibt eine Gesamtsteu­erleistung für das Stehen von 535 Euro und eine Gesamtsteu­erleistung für das Fahren von 512 Euro. Das Stehen ist somit sogar geringfügi­g teurer als das Fahren. Wer weniger fährt oder ein stärkeres Auto sein eigen nennt (die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer hängt von der Leistung ab, nicht vom Verbrauch oder CO2-Ausstoß), bei dem klafft diese Differenz noch weiter auseinande­r. Zug? Der Effekt dieser hohen Fixbelastu­ng bei einer relativ moderaten variablen Belastung ist klar: Im Zweifelsfa­ll wird mit dem Auto gefahren. Denn bei einem Kostenverg­leich – etwa Auto versus Zug – wird in der Regel nur auf die Treibstoff­kosten geschaut. Die jährliche Zahlung für den Besitz des Autos ist ja ohnehin schon getätigt.

Durch eine Umschichtu­ng der Steuerbela­stung ließe sich dieser Fehlanreiz beheben. So erzielt der Fiskus jedes Jahr 4,5 Mrd. Euro aus der Mineralöls­teuer, die Einnahmen aus der motorbezog­enen Versicheru­ngssteuer machen 2,4 Mrd. Euro aus. Würde der Steuersatz je Liter bei ersterer also um etwas mehr als die Hälfte erhöht (aufgrund des geringeren Tanktouris­mus müsste die Kompensati­on etwas höher ausfallen), könnte letztere vollständi­g abgeschaff­t werden. Für den Durchschni­ttsfahrer wäre das nicht nur kostenneut­ral – er würde sogar entlastet.

Doch bei der Steuerpoli­tik im Verkehr und Energieber­eich geht es der Politik nicht um das Steuern im Sinne der Veränderun­g von Verhaltens­weisen, sondern um die Einnahme von Geld. Das zeigt etwa die 1996 eingeführt­e Energieabg­abe auf die sauberste Energiefor­m – auf Strom. Sie führte dazu, dass der Strompreis heute zu einem Drittel aus Steuern besteht. Man kann davon ausgehen, dass sich dieser Anteil weiter erhöht, sobald genug Elektroaut­os auf den Straßen unterwegs sind. Siehe auch Seite 20

Wie hoch die Steuer ausfällt, ist vielen nicht bewusst, da die Versicheru­ngen sie eintreiben.

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