Wem gehören unsere Lebensmittel?
Obwohl die EU Patente auf Pflanzen und Tiere eigentlich untersagt, holen sich internationale Konzerne in Europa reihenweise Biopatente auf Bier, Paradeiser und Salat. Schuld sind eine schwammige Formulierung im Gesetz und eine (über)eifrige Behörde.
Über diesen Salat wird noch viel diskutiert werden. Im vergangenen Sommer hat das Europäische Patentamt der niederländischen Saatgutfirma Rijk Zwaan das Patent auf die Neuzüchtung eines Blattsalats erteilt. Die Besonderheit: Anders als normale Salate keimt diese Sorte auch bei Temperaturen über 22 Grad Celsius. Angesichts der fortschreitenden Erderwärmung verspricht dieses Schutzrecht glänzende Geschäfte. Umso mehr, da das Patentamt dem Unternehmen nicht nur das exklusive Recht für die eigenen Salatsamen erteilt hat, sondern gleich für alle Blattsalate, die auch über 22 Grad zu keimen beginnen.
Das geht zu weit, befinden Kritiker. Gemeinsam mit europäischen Partnern will die heimische Saatgut-Initiative Arche Noah in den kommenden Wochen Einspruch gegen das Patent einlegen, sagt Arche-Noah-Expertin Katherine Dolan zur „Presse am Sonntag“. Sie fürchtet, dass Agrar- und Chemiekonzerne mit derart weitreichenden Patenten langsam die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung übernehmen können. 3000 Pflanzen patentiert. Ganz einfach ist die Sache nicht: Im Grunde verbietet das EU-Patentrecht nämlich Patente auf Pflanzen und Tiere, die durch „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung“hergestellt wurden. Trotzdem sind heute mehr als 3000 Pflanzen in Europa patentiert. Der Großteil sind gentechnisch veränderte Pflanzen, 200 stammen allerdings aus konventioneller Züchtung. Eine Handvoll Multis (siehe Infobox) teilt sich die Rechte auf besser schmeckendes Bier, gesünderen Mais und weniger wässrige Paradeiser. Monsanto, Syngenta, Bayer und Co. dominieren den Saatgutmarkt schon heute. Sie verteidigen die umstrittenen Biopatente als einzige Möglichkeit, ihre Erfindungen zu schützen und ihre Investitionen zurückzuverdienen. Ihre Gegner sehen darin nicht mehr als ein weiteres Mittel, die Abhängigkeit der Bauern von den Big Playern einzuzementieren. Die Grenzen verschwimmen. Möglich geworden ist diese verworrene Situation erst durch eine Lücke im Patentrecht. Denn was „im Wesentlichen biologisch“genau bedeuten soll, ist bis heute nicht klar definiert. Zwischen konventioneller Kreuzzüchtung und Gentechnik liegt ein großer Graubereich an unterschiedlichen Techniken: Pflanzen können mit UV-Licht bestrahlt oder mit Chemikalien behandelt werden, um Mutationen hervorzurufen, die auch in der Natur vorkommen können. Auch der Salat von Rijk Zwaan sei eine normale Mutation und damit nicht patentierbar, meint Dolan.
Vor ein paar Jahren hat sogar die Schweizer Saatgutfirma Syngenta, selbst eine Größe auf dem Markt, gegen das Patent auf Brokkoli geklagt – und gewonnen. Eine Monsanto-Tochter hat eine Brokkolisorte gezüchtet, die vor Krebs schützen sollte. Allerdings eben mittels konventioneller Züchtung, so das finale Urteil. Das Patent wurde entzogen. Seither gibt es Patente auf Pflanzen offiziell nur noch, wenn dafür bewusst mit technischen Mitteln das Erbgut verändert wurde.
Eine Handvoll Multis teilt sich die Rechte auf über 3000 »bessere« Pflanzen in Europa.
Seit das Europäische Patentamt seine Regeln verschärft hat, wurden dennoch 25 Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wie Salat, Zwiebeln, Erdäpfel oder Gurken erteilt, zählt die Vereinigung No Patents on Seeds. Vergangene Woche be-