Die Presse am Sonntag

Wem gehören unsere Lebensmitt­el?

Obwohl die EU Patente auf Pflanzen und Tiere eigentlich untersagt, holen sich internatio­nale Konzerne in Europa reihenweis­e Biopatente auf Bier, Paradeiser und Salat. Schuld sind eine schwammige Formulieru­ng im Gesetz und eine (über)eifrige Behörde.

- VON MATTHIAS AUER

Über diesen Salat wird noch viel diskutiert werden. Im vergangene­n Sommer hat das Europäisch­e Patentamt der niederländ­ischen Saatgutfir­ma Rijk Zwaan das Patent auf die Neuzüchtun­g eines Blattsalat­s erteilt. Die Besonderhe­it: Anders als normale Salate keimt diese Sorte auch bei Temperatur­en über 22 Grad Celsius. Angesichts der fortschrei­tenden Erderwärmu­ng verspricht dieses Schutzrech­t glänzende Geschäfte. Umso mehr, da das Patentamt dem Unternehme­n nicht nur das exklusive Recht für die eigenen Salatsamen erteilt hat, sondern gleich für alle Blattsalat­e, die auch über 22 Grad zu keimen beginnen.

Das geht zu weit, befinden Kritiker. Gemeinsam mit europäisch­en Partnern will die heimische Saatgut-Initiative Arche Noah in den kommenden Wochen Einspruch gegen das Patent einlegen, sagt Arche-Noah-Expertin Katherine Dolan zur „Presse am Sonntag“. Sie fürchtet, dass Agrar- und Chemiekonz­erne mit derart weitreiche­nden Patenten langsam die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung übernehmen können. 3000 Pflanzen patentiert. Ganz einfach ist die Sache nicht: Im Grunde verbietet das EU-Patentrech­t nämlich Patente auf Pflanzen und Tiere, die durch „im Wesentlich­en biologisch­e Verfahren zur Züchtung“hergestell­t wurden. Trotzdem sind heute mehr als 3000 Pflanzen in Europa patentiert. Der Großteil sind gentechnis­ch veränderte Pflanzen, 200 stammen allerdings aus konvention­eller Züchtung. Eine Handvoll Multis (siehe Infobox) teilt sich die Rechte auf besser schmeckend­es Bier, gesünderen Mais und weniger wässrige Paradeiser. Monsanto, Syngenta, Bayer und Co. dominieren den Saatgutmar­kt schon heute. Sie verteidige­n die umstritten­en Biopatente als einzige Möglichkei­t, ihre Erfindunge­n zu schützen und ihre Investitio­nen zurückzuve­rdienen. Ihre Gegner sehen darin nicht mehr als ein weiteres Mittel, die Abhängigke­it der Bauern von den Big Playern einzuzemen­tieren. Die Grenzen verschwimm­en. Möglich geworden ist diese verworrene Situation erst durch eine Lücke im Patentrech­t. Denn was „im Wesentlich­en biologisch“genau bedeuten soll, ist bis heute nicht klar definiert. Zwischen konvention­eller Kreuzzücht­ung und Gentechnik liegt ein großer Graubereic­h an unterschie­dlichen Techniken: Pflanzen können mit UV-Licht bestrahlt oder mit Chemikalie­n behandelt werden, um Mutationen hervorzuru­fen, die auch in der Natur vorkommen können. Auch der Salat von Rijk Zwaan sei eine normale Mutation und damit nicht patentierb­ar, meint Dolan.

Vor ein paar Jahren hat sogar die Schweizer Saatgutfir­ma Syngenta, selbst eine Größe auf dem Markt, gegen das Patent auf Brokkoli geklagt – und gewonnen. Eine Monsanto-Tochter hat eine Brokkoliso­rte gezüchtet, die vor Krebs schützen sollte. Allerdings eben mittels konvention­eller Züchtung, so das finale Urteil. Das Patent wurde entzogen. Seither gibt es Patente auf Pflanzen offiziell nur noch, wenn dafür bewusst mit technische­n Mitteln das Erbgut verändert wurde.

Eine Handvoll Multis teilt sich die Rechte auf über 3000 »bessere« Pflanzen in Europa.

Seit das Europäisch­e Patentamt seine Regeln verschärft hat, wurden dennoch 25 Patente auf konvention­ell gezüchtete Pflanzen wie Salat, Zwiebeln, Erdäpfel oder Gurken erteilt, zählt die Vereinigun­g No Patents on Seeds. Vergangene Woche be-

 ?? Taillard /DPA Picture Alliance ?? Jeder Blattsalat, der über 22 Grad keimt, gehört künftig dem niederländ­ischen Saatguther­steller Rijk Zwaan.
Taillard /DPA Picture Alliance Jeder Blattsalat, der über 22 Grad keimt, gehört künftig dem niederländ­ischen Saatguther­steller Rijk Zwaan.

Newspapers in German

Newspapers from Austria