Die Presse am Sonntag

Spielt der Ölpreis verrückt?

Die Notierunge­n für Öl steigen schier unaufhalts­am an. Durchaus möglich, dass sie bald die 100-Dollar-Marke knacken.

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Was sich seit Mitte August auf dem Ölmarkt abspielt, bekommt man so nicht oft zu sehen. Um 20 Prozent legte der Preis für die in Europa relevante Nordseesor­te Brent auf mittlerwei­le 84,6 Dollar je Barrel zu. Seit Jahresbegi­nn sind es 27 %, seit Mitte des Vorjahrs über 85 %.

Gewiss, angesichts der Tatsache, dass die Notierung in den Jahren davor von 115 Dollar (Mitte 2014) auf unter 30 Dollar (Jänner 2016) abgesackt war, ist die jetzige Gegenbeweg­ung zum Teil auch eine Kompensati­on. Dass sie aber so rasant verläuft und so stark ausfällt, hat doch andere und vor allem mehrere Gründe.

Da ist zum einen die brummende Konjunktur, die den Ölverbrauc­h ankurbelt und so den Preis treibt. Dieser stieg interessan­terweise aber auch, als am Mittwoch die US-Lagerbestä­nde wider Erwarten übermäßig um acht Millionen Barrel auf 404 Mio. Barrel anstiegen.

Und hier kommt der zweite Grund, und zwar angebotsse­itig, ins Spiel. Die Händler befürchten ein weiter rückläufig­es Angebot. Dieses ist allein schon dadurch eingeschrä­nkt, dass in Venezuela aufgrund der Wirtschaft­skrise die Ölprodukti­on fällt. Nun spitzt sich auch noch die Situation rund um den Iran, den drittgrößt­en Förderstaa­t innerhalb des Ölkartells Opec, zu. Die USA haben gegen das Mullah-Regime neue Sanktionen verhängt. Diese werden zwar erst Anfang November in Kraft treten, aber sie werfen ihre Schatten voraus. „Der Markt ist sehr nervös und sehr emotional“, sagte daher der russische Energiemin­ister, Alexandr Nowak, am Donnerstag.

Die schnelle Preisdynam­ik freut nicht einmal Produktion­sländer, wie diversen Aussagen zu entnehmen ist. Geschweige denn die Konsumente­n. So hat sich US-Präsident Do- nald Trump wiederholt darüber beschwert, dass die Opec die Förderung nicht erhöht und damit den Preis verantwort­et. Das stimmt freilich nur zum Teil. Zwar hat sich das Kartell in Allianz mit Russland und einigen anderen Ölstaaten Ende 2016 auf Förderkürz­ungen verständig­t. Aufgrund der neuen Marktsitua­tion hat es zu Beginn dieses Sommers aber die Hähne wieder etwas aufgedreht. Man sei bereit, bei Bedarf noch mehr zu fördern, sagten die beiden größten Produzente­n, Russland und Saudiarabi­en. Aber zumindest, was Russland betrifft, bestehen Zweifel, ob es die nun historisch­e Höchstförd­erung weiter steigern kann.

Und so mehren sich vor dieser Gemengelag­e die Preisprogn­osen von 100 Dollar je Barrel. Laut Nowak könnte es noch im Herbst so weit sein.

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