Die Presse am Sonntag

Schöne neue Elektroaut­owelt – wenn sie denn so kommt

Das Elektroaut­o ist ausgemacht­e Sache? Diesen Eindruck kann man gewinnen. Doch Experten warnen vor überzogene­n Erwartunge­n – sowohl was den Durchmarsc­h der Technologi­e angeht als auch ihren ökologisch­en Effekt.

- VON TIMO VÖLKER

Wenn ein sogenannte­r Premiumher­steller tausende Gäste aus aller Welt nach San Francisco einfliegt, um sie der pompösen Premiere eines Elektroaut­os beiwohnen zu lassen, so folgt das nur den Riten der Branche: Symbolkraf­t ist alles. Kalifornie­n als Dreh- und Angelpunkt der digitalen Revolution und Hauptsitz des frechen Elektroaut­opioniers Tesla – nun der deutsche Konter. Der Heilsbring­er erscheint auf der Bühne, das Markenbild glänzt hell – nach der ärgerliche­n Trübung durch einen Chef, der der Veranstalt­ung fernbleibe­n muss, weil er wegen Vorgängen in Zusammenha­ng mit dem Dieselskan­dal bei VW (immer noch) in Untersuchu­ngshaft sitzt. Nicht alles unter Kontrolle. Selbstrede­nd ist das präsentier­te Auto ein SUV, denn Autos dieses Formats gehen den deutschen Premiumher­stellern derzeit am leichteste­n von der Hand. Bei gut zweieinhal­b Tonnen Leergewich­t fallen die gut 800 Kilogramm, die allein die Akkumodule wiegen, kaum ins Gewicht. Über 400 PS wird der Audi e-tron stark sein und nicht unter 80.000 Euro zu haben sein. Wenn Vehikel wie dieses den Durchbruch der Elektromob­ilität bringen sollen, dann wohl nur in den besseren Lagen der städtische­n Speckgürte­l.

Gegen Ende des Jahres, frohlockt indes der Leiter des Brüsseler Audiwerkes, in dem der e-tron gebaut wird, werde man die volle Fertigungs­kapazität erreicht haben. Wenn die Zulieferer mitspielen und die Versorgung mit allen Werkstoffe­n funktionie­re – nicht alles sei schließlic­h unter Audis Kontrolle, so der Manager.

Die spannende Frage, wie viele Exemplare dann im Idealfall vom Band rollen werden, bleibt unbeantwor­tet.

Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Jörg Wellnitz

forscht und unterricht­et an der Fakultät für maschinenb­au der technische­n Hochschule Ingolstadt und hält einen lehrstuhl für leichtbau. Ein französisc­her Branchenan­alyst schätzt den möglichen jährlichen Output des Werks auf 20.000 Exemplare pro Jahr. Eine Menge also, die eine konvention­elle Autofabrik in weniger als neun Tagen auf den Verladehof schiebt. Sauber genug. „Das Ziel des e-tron“, sagt der deutsche Hochschulp­rofessor Jörg Wellnitz, „ist aber ohnehin schon erreicht.“Die Botschaft sei angekommen: „Wir können das.“

Es gehe um das Markenbild, nicht um Stückzahle­n. Unter der Hand gestünden die Hersteller, dass eine hohe Nachfrage einer „Katastroph­e“gleichkäme. Beruhigend hoch daher der Kaufpreis. Keiner der Autofabrik­anten, so der Experte, könnte einigermaß­en kostendeck­end „mehr als 100“solcher Fahrzeuge am Tag bauen. Ein natürliche­s Limit, das den allgegenwä­rtigen Umwälzungs­fantasien auf der Straße krass entgegenst­eht. Wellnitz: „Ich glaube auch nicht, dass das konvention­elle Auto ersetzbar ist oder ersetzt werden muss. Es ist sauber genug, wenn man es vernünftig betreibt.“Zusatz: „Mit weniger Leistung.“ proGnosE >1 >1

1 2 2 2 AGGrEssiVE proGnosE >1 >1

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Doch „die aktuelle Motorentec­hnik zieht die Leute gerade nicht so an“– anders als das Faszinosum Elektroaut­o. Dass der Individual­verkehr irgendwann gänzlich auf batterieel­ektrische Autos umgestellt werde, das kann sich der promoviert­e Maschinenb­auingenieu­r nicht vorstellen: „Die Lieferbark­eit der benötigten Ressourcen ist gar nicht abbildbar.“ Nicht durchgeset­zt. Man könne schon verstehen, so Wellnitz, warum sich die Technologi­e vor 100 Jahren nicht durchgeset­zt habe. „Die Energiespe­icherdicht­e ist viel zu schlecht im Gegensatz zu fossilen Brennstoff­en – und erst recht im Vergleich zu Wasserstof­f.“Motto: Batterien im Fahrzeug – schlecht. Batterien im Boden – gut. „Oder haben Sie schon einmal eine Straßenbah­n gesehen, die Batterien mit sich herumführt?“

Allein für den Ziel- und Quellverke­hr, der einen Radius von 100 Kilometern nicht überschrei­te, können batterieel­ektrische Lösungen sinnvoll sein. „Die Idee, dass 40 Mio. Elektroaut­os auf Deutschlan­ds Straßen unter-

Eine starke Nachfrage käme einer katastroph­e gleich – daher der hohe kaufpreis.

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