Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden die Alpen bald ausschließlich aus verwaldeten und verstädterten Regionen bestehen, warnt ein Forscher eindringlich.
Die Alpen verschwinden.“In diesen prägnanten und provokanten Satz fasst Werner Bätzing, Doyen der Alpenforschung, das Ergebnis seiner mehr als 40-jährigen Beschäftigung mit dem Thema. Er fügt freilich sogleich hinzu, dass natürlich nicht die Alpen als solche verschwinden würden. „Aber sie verschwinden in dem Sinn, dass die Gipfel, die Bergketten, die Hochflächen und die Täler für das moderne Wirtschaften und Leben keinerlei Bedeutung mehr besitzen.“Nachsatz: „Die Alpen werden bestenfalls noch als Kulisse, Hindernis oder Störfall wahrgenommen“, führt er in seinem neuesten Buch „Die Alpen“(216 Seiten, WBG Theiss, 39,10 Euro) aus.
In diesem wunderbaren Werk, in dem eindrucksvolle Bilder mit analytischen Texten verknüpft werden, seziert Bätzing in staunenswerter Klarheit die Entwicklung der Alpen – die einst als schrecklich empfunden wurden, später als schön und heute als idyllisch. Die Alpen, so lautet seine zentrale Botschaft, sind keine wilde Natur, sondern zum allergrößten Teil vom Menschen völlig umgestaltete Kulturlandschaften. Und diese seien nun akut gefährdet, so der Forscher. Die traditionellen kleinräumigen Kulturlandschaften verschwänden durch die Modernisierung – und zwar auf zweierlei Weise: „Dort, wo nicht modern (also intensiv und konkurrenzfähig) gewirtschaftet werden kann, werden die Kulturlandschaften nicht mehr genutzt und verwalden; dort, wo modern gewirtschaftet werden kann, wird die Nutzung so intensiviert, dass die traditionelle Kleinräumigkeit durch ausgeräumte, zersiedelte, verstädterte Landschaften oder durch künstliche Freizeitparks ersetzt wird.“
Dies alles stelle „keine positive Zukunft für die Alpen dar“, stellt Bätzing unmissverständlich fest. Allerdings ist Resignation nicht seine Sache. Im Gegenteil: Die Erfahrung lehrt, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte: „Auf dem Höhepunkt der Modernisierung der Alpen, um das Jahr 1980 herum, sah es so aus, als würden in kurzer Zeit alle dezentralen Wirtschaftsaktivitäten aus den Alpen verschwinden. Dies passierte nicht.“Stattdessen entstanden immer neue Initiativen zur dezentralen Aufwertung alpiner Ressourcen. Nun gelte es, diese zuerst miteinander zu vernetzen und dann deutlich auszuweiten, so Bätzing.
Hängt er dabei einem Wunschtraum nach? Vielleicht. Aber wenn man das Buch durchgeschmökert hat, ist klar, dass die Erhaltung der Alpen als Kulturlandschaft ein lohnendes Ziel ist! Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.