»Ich will wissen, wie jeder tickt«
Teamchef Franco Foda ist vor dem Nordirland-Spiel gelassen. Er spricht über das Zuhause, Motive – und Alaba.
In vielen Sportarten ist Statistik das Um und Auf, im US-Sport ist sie sogar heilig. Sie sind aber kein Fan dieser Daten. Warum? Franco Foda: Weil es die WM in Russland ja bewiesen hat. Alle Teams, die in den Statistiken vorn waren, sind ausgeschieden. Frankreich war in allen Belangen nur im Mittelfeld, hatte weniger Ballbesitz und weniger Torchancen. Das Land ist aber trotzdem Weltmeister geworden. Diese Statistik zeigt doch, dass sich das Spiel verändert hat, im Fußball andere Parameter zählen, man reagieren kann . . . Das kann man so nicht auslegen. Deutschland wurde 2014 mit viel Ballbesitz Weltmeister. Aber das ist nicht alles! Heute musst du alle Facetten erreichen. Es kommt darauf an, welche Mannschaft du hast, welcher Trainer welche Ideen und Philosophien verfolgt. Alles hängt vom Spielermaterial ab, man muss pausenlos adaptieren. Frankreich hat aus einer sehr kompakten Defensive gespielt, sie haben viele Vertikalspieler, die im Umschaltspiel und im Konter gut sind. Das hat Deschamps erkannt und sehr gut ausgenützt. Interessant war, dass Frankreich in der Statistik überall nur im Mittelfeld war. Es ist ein Hinweis, dass viele Dinge im Fußball eine Rolle spielen. Wir haben weiterhin zwei Sichtweisen, gut. Was kann sich Österreich von Weltmeister Frankreich abschauen? Im Prinzip nichts Neues. Die Basis des Erfolgs ist immer eine gute Defensive. Die Mannschaft, die wenig Gegentore bekommt, ist immer sehr erfolgreich. Ich bin der Meinung, dass du ein Spiel aus einer gut gesicherten Defensive nach vorn optimal entwickeln kannst. Es braucht eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive. Ob Sie mit Dreierkette oder Fünferkette spielen, in der Alaba besser aufgehoben ist? Das hat weniger mit dem Spielsystem zu tun. Du kannst mit einer Dreieroder Fünferkette offensiv spielen, je nachdem, wie man gewisse Spielpositionen auflöst – etwa mit hoch postierten Außenspielern, mit äußeren Mittelfeldspielern, die nach innen ziehen. Man kann mit jedem System extrem defensiv oder offensiv spielen. Ich bin jemand, der nach vorn spielen und Gegner früh unter Druck setzen möchte. Aber wenn man vorn mit viel Risiko spielt und den Ball verliert, muss man in der letzten Linie gut stehen, um nicht konteranfällig zu sein. Wäre das dann ein Fall für Alaba? Alaba kann alle Positionen spielen. David ist ein Topspieler, es kommt ja nicht von ungefähr, dass er seit Jahren bei Bayern Topleistungen bringt. Stimmt. Es fällt auch auf, dass Arnautovi´c wie verwandelt wirkt, seitdem Sie Teamchef sind. Was haben Sie ihm denn gesagt? Generell ist es so, dass jeder Spieler seinen eigenen Charakter hat. Und das ist auch gut so. Die Aufgabe eines Trainers ist heute nicht mehr nur, auf dem Platz zu stehen, sondern auch, den Zugang zu jedem Spieler zu finden. Ich habe viele Einzelgespräche geführt, wollte wissen, wie jeder tickt. Meine Spieler sollen auch wissen, wie ich funktioniere, was sie erwartet. Ich habe klare Vorstellungen, allen gesagt, was ich möchte – auf dem Platz und außerhalb –, wie man sich verhalten soll. Das hat bei Marko immer sehr gut funktioniert. Es gab keine besonderen Maßnahmen.
Debütant
Bis auf Gernot Trauner (Lask) setzt Foda gegen Nordirland (Freitag, 20.45 Uhr, Wien) und gegen Dänemark (16. 10.) auf seinen Stammkader.
Mann
versammelt Foda, 52, am Montag in Bad Waltersdorf. Im Thermenstadion ist ab 18 Uhr ein öffentliches Training angesetzt.
Punkte
sind nach dem 0:1 in Bosnien Pflicht, um in der Nations League noch aufzusteigen. Was sagen Sie Spielern, die oft nur auf der Bank sitzen. Etwa Prödl oder Dragovi´c? Ist man als Teamchef quasi auch Psychologe? Na ja, das ist schwierig. Jeder will doch immer spielen. Wenn du in Deutschland spielst, oder in England, ist der Konkurrenzkampf aber viel größer, es gibt das Rotationsprinzip. Mir wäre natürlich lieber, wenn meine Spieler einen Rhythmus hätten und immer zum Einsatz kommen, aber das kann ich nicht beeinflussen. Sie müssen wissen, welche Maßnahmen sie treffen. Ich kann sie nur motivieren. Österreich besiegte WM-Starter wie Schweden, Russland, Deutschland – gegen Bosnien und Herzegowina schien das Team aber einen Rückfall erlitten zu haben. Oder ist das übertrieben, weil es zwischen Testund Pflichtspiel Unterschiede gibt, nach Siegen Österreichs Erwartungshaltung ohnehin stets astronomische Sphären erreicht? Sie sagen es ja selbst: Rückfall. Eigentlich sind Sie auf derselben Schiene (lacht). Aber das war kein Rückfall. Wir haben die ersten 25 Minuten so gespielt, wie wir die Spiele davor angegangen sind. Aggressiv, dominant, überzeugt von unserem Spiel, wir haben den Gegner unter Druck gesetzt, hatten mehr Ballbesitz – da sind wir wieder bei Ihrer Statistik. Wir konnten mit den Balleroberungen aber nichts anfangen. Der letzte Pass fehlte, das Tempo stimmte nicht. Falsche Entscheidungen im Umschaltspiel gaben den Ausschlag. Der erste Kontakt nach der Balleroberung ist der magische Moment. Derjenige, der den Ball hat, muss die richtige Entscheidung treffen. Das ist uns nicht gelungen. Ja klar. Wir müssen gewinnen, wenn wir noch Erster in unserer Gruppe werden wollen. Gleiches gilt aber auch für die Nordiren, sie müssen auch gewinnen. Es wird also ein tolles Duell. Zuletzt spielte das ÖFB-Team in der Generali-Arena und schien nicht glücklich. Wo sehen Sie das Zuhause des Nationalteams? Der ÖFB legt grundsätzlich fest, wo wir spielen. Das Zuhause ist immer noch im Prater. Das Beste wäre, wenn wir ein modernes Stadion mit Leistungszentrum, perfekter Infrastruktur, eigenen Trainingsplätzen hätten. Das Areal des Happel-Stadions wäre perfekt, es ist aber letzten Endes auch ein Kostenfaktor. Andererseits: Die Bundesliga-Klus haben viel in Infrastrukturen investiert. Austria, Rapid und Salzburg haben neue Stadien, der Lask bekommt eines. Ich empfinde es als zwingend notwendig, dass das Nationalteam ein neues Heim bekommt. Das wäre mein großer Wunsch – nur, ob das in meiner Ära gelingt? Ich weiß es nicht. Für die Zukunft wäre es extrem wichtig. Gäbe es Erfolge und Qualifikationen, hätte man mehr Argumentationskraft . . . Aber um Erfolg zu haben, muss man zuerst die Basis dafür schaffen. Eine Diskussion wie bei Henne und Ei. Ganz genau. Hier in Wien hat man es bei der EM 2008 versäumt. Damals hätte man sicher mehr Möglichkeiten gehabt. Wir haben daher auch kleineren Nationen gegenüber Nachholbedarf.