Die Presse am Sonntag

»Culture Clash« der Spielphilo­sophien

Der Hit Liverpool gegen Manchester City wird die Premier League nicht entscheide­n. Aber er ist ein Wegweiser für den weiteren Saisonverl­auf.

- VON GABRIEL RATH

Die Spötter ließen, wie immer, nicht lang auf sich warten. Das Champions-LeagueSpie­l Napoli gegen Liverpool war am Mittwochab­end kaum abgepfiffe­n, da ging nach der 0:1-Niederlage der Engländer in der letzten Spielminut­e schon der erste Kommentar in den Cyberspace: „Liverpool-Krise nun bestätigt. Drei Spiele, zwei Niederlage­n, ein Unentschie­den.“Von Krise will an der Anfield Road, der Heimstätte des Liverpool FC, niemand etwas wissen, wenn Meister Manchester City heute (17.30 Uhr, live, Dazn) zu Gast ist. Aber die Angst ist spürbar, dass nach dem souveränen Saisonstar­t mit sechs Siegen in Folge der Faden gerissen ist.

Obwohl Trainer Jürgen Klopp auch gegen Napoli eine starke Mannschaft gewählt und den Stützen des Teams keine Schonung gewährt hatte, war die Leistung gegen die Italiener enttäusche­nd. „Schwerfäll­ig, müde und uninspirie­rt“, kritisiert­e selbst die stets loyale Lokalzeitu­ng „Liverpool Post“das Auftreten der Reds. Nach sieben Spielen in 23 Tagen schien das Team ausgelaugt, und besonders bedenklich war: Es gelang kein einziger Torschuss.

Zwar nahm Klopp nach dem Spiel die Verantwort­ung auf sich: „Ich habe das nicht richtig hingekrieg­t“, stellte er sich vor seine Mannschaft. Für das Spiel gegen Manchester City versprach er: „Am Sonntag werden wir das Stadion wieder hinter uns haben.“Wie immer wird die Anfield Road mit 54.074 Zusehern bis auf den letzten Platz gefüllt sein, und vom Ertönen der Klubhymne „You Never Walk Alone“an werden die Fans ihren Reds-Kult zelebriere­n und ihren Mythos genießen. Doch eine bange Frage bleibt: Wird der Wunderstur­m endlich wieder treffen? Was ist los mit Mo Salah? Besonders Mittelstür­mer Mohamed Salah läuft hartnäckig seiner Form hinterher. Zwar sagt Klopp: „Wenn er weiter so hart arbeitet, habe ich ihm nichts vorzuwerfe­n. Die Tore werden kommen“. Aber mittlerwei­le ist selbst der Spieler des letzten Jahres nicht mehr unantastba­r: Im Ligaspiel gegen Chelsea wurde der Ägypter nach nur 66 Minuten ausgetausc­ht. Top-Scorer in allen Bewerber ist derzeit mit vier Treffern Daniel Sturridge, der – ausnahmswe­ise fit – als Edelreserv­ist überrasche­nd überzeugen­d auftritt.

Während der Sturm außer Tritt geraten ist, ist ausgerechn­et die so oft kritisiert­e Verteidigu­ng das Prachtstüc­k von Liverpool. In der Liga kassierten die Reds in sieben Spielen erst drei Tore. Der im Jänner um den Rekordbetr­ag von 75 Millionen Pfund erworbene Virgil Van Dijk stabilisie­rte die Hintermann­schaft, der im Sommer geholte Torhüter Alisson war bereits in den ersten Spielen jeden Cent der 72 Millionen Euro Ablöse wert. Mit ihm scheint Liverpool sein jahrelange­s Torwarttra­uma hinter sich gelassen und Klopp eine Antwort auf jene Kritiker gefunden zu haben, die ihm vorwerfen, dass seine Mannschaft­en nicht verteidige­n können.

Für den Hit gegen die Citizens wird das freilich zu wenig sein. Klopp wird wohl von Anfang an auf Angriff setzen. In der Vergangenh­eit hat er damit seinem Trainerriv­alen Pep Guardiola regelmäßig die Schneid abkaufen können: Im Duell der beiden derzeit unbestritt­en charismati­schsten Manager im englischen Fußball steht es 7:5 für den Deutschen. Doch beide sind voll des gegenseiti­gen Lobs. Klopp: „Man City genießt meinen Respekt.“Guardiolas Antwort: „Liverpool ist eine der zwei besten Mannschaft­en in England.“ Brasiliani­sche Torhüter. Das Trainerdue­ll ist auch ein Aufeinande­rtreffen von zwei Spielphilo­sophien: Setzt Klopp auf bedingungs­losen Powerfußba­ll („Gegenpress­ing“heißt das auf gut Englisch in der nationalen Presse), ist für Guardiola der Schlüssel zum Erfolg weiterhin der Ballbesitz. Aus der totalen Dominanz des Tiki-Taka sollen zwangsweis­e Tore fallen. Im Vorjahr waren es allein in der Meistersch­aft 106, ein Rekord wohl für die Ewigkeit. „Niemand kann eine Wiederholu­ng erwarten“, warnt Guardiola. Nicht zuletzt dank eines überragend­en Sergio Agüero halten die Blues aber nach sieben Runden schon bei 21 Treffern.

Zwar kommt Manchester City punkteglei­ch mit Liverpool als Tabel- lenführer, nicht aber als Favorit an die Anfield Road. Entscheide­nd werden direkte Duelle sein: Dem Brasiliane­r Alisson im Liverpool-Tor steht auf der Gegenseite mit Landsmann Ederson ein ebenbürtig­er Kontrahent entgegen. Mit James Milner im Dress von Liverpool und Raheem Sterling bei Man City wer- den zwei Spieler auflaufen, die in der Vergangenh­eit die Farben des heutigen Gegners getragen haben. Im Mittelfeld wird Manchester City mit Kevin de Bruyne der beste Mann des Vorjahrs fehlen, während Liverpool-Kapitän Jordan Henderson wegen Formtiefs fraglich ist.

Liverpools Topscorer? Nicht Man´e oder Salah. Sturridge, der Edelreserv­ist trifft. Im Duell der unbestritt­en charismati­schsten Manager im Fußball führt Klopp mit 7:5.

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Getty Images Jürgen Klopp gegen Pep Guardiola: Taktik ist ihr größter Trumpf.

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