Schneller als der Krebs: Sport
»Bewegung« heißt das Zauberwort im Kampf gegen Krebs. Wer trainiert, verbessert seine Chancen: präventiv, vor OP und Chemo sowie in der Reha-Phase.
Am 16. Juli 2017 flossen im Zielraum des Großglockner Berglaufs die Tränen. Eine Gruppe lag sich in den Armen, feierte ausgelassen, gratulierte einander zu dem Erfolg. Viele von ihnen hätten sich nicht träumen lassen, die Ziellinie auf Österreichs höchstem Berg zu überqueren. Ja, viele von ihnen hätten sich nicht träumen lassen, überhaupt jemals wieder auf einen Berg zu steigen. Oder auch nur aus dem Bett.
Denn diese Gruppe hatte nicht nur den Großglockner bezwungen, sondern das höchste vorstellbare Hindernis überhaupt. Zwei Teilnehmerinnen hatten erst drei Wochen davor ihre Chemotherapie beendet, eine Läuferin hatte vier Wochen davor zwei Brustamputationen überstanden, ein Mitglied der Gruppe gegen einen inoperablen Gehirntumor angekämpft. Gemeinsam mit gesunden Sportlern liefen sie in der Staffel „Outdoor against Cancer“– dem Krebs davon, dem Leben entgegen.
Unter denen, die im Ziel das Taschentuch brauchten, war auch Petra Thaller, Gründerin von „Outdoor against Cancer“, selbst begeisterte Sportlerin, Bergsteigerin, Journalistin und Betroffene. Im Jänner 2015 erhielt sie die Diagnose Brustkrebs mit fünf Tumoren in der rechten Brust. Es folgten Operation, Chemotherapie und Rekonstruktion. 2017 wurde in der linken Brust eine Vorstufe festgestellt, auch diese wurde vorsichtshalber entfernt. Zwei Wochen später stand Petra Thaller bereits wieder mit ihrer „Outdoor against Cancer“-Trainingsgruppe auf der Wiese. „Zugegeben, Laufen, Hüpfen und Liegestütze ließ ich zu diesem Zeitpunkt noch aus“, meint sie.
Petra Thaller und ihre Sportfreunde leben – wenn auch mitunter auf extreme Art – etwas, was sowohl in der Krebsprävention als auch in der Krebstherapie immer stärker in den Vordergrund drängt: Bewegung im Allgemeinen und Sport im Besonderen können einerseits das Risiko reduzieren, überhaupt an Krebs zu erkranken, und andererseits sowohl die Lebensqualität nach einer Krebsbehandlung deutlich verbessern als auch die Effizienz von Therapien steigern. Viele Beobachtungsstudien deuten in diese Richtung, das Interesse steigt kontinuierlich an.
Das zeigte sich auch bei der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinischen Onkologie, die bis Dienstag in Wien stattfand. Am letzten Vormittag des Kongresses standen die onkologischen „Softie“-Themen Ernährung und Bewegung auf dem Programm – um acht Uhr, an einem verregneten Morgen. Dennoch sahen sich die erfreuten bis erstaunten Vortragenden gut gefüllten Sälen gegenüber. Nach Ansicht von Richard Crevenna, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der Med-Uni Wien, ganz zu Recht: „Bewegung und Sport sollten keine Randveranstaltung, sondern das Hauptthema eines solchen Kongresses sein.“
Doch das Thema ist in der onkologischen Gemeinde noch nicht so rich- tig angekommen, meint Primarius Josef Thaler, Leiter der Abteilung für Interne Medizin IV am Klinikum WelsGrieskirchen. Das liege unter anderem an der Studienlage, die den definitiven Nachweis für verbesserte Heilungs-, Prognose- und Rückfallraten noch schuldig sei – auch wenn Beobachtungsstudien den Schluss nahelegten, dass die Rückfallrate bei Dickdarmund Brustkrebs durch regelmäßige Bewegung gesenkt werden kann.
In Österreich beginnt unter Thalers Leitung eine große prospektiv randomisierte Studie. Anhand von 800 Dickdarmkrebspatienten nach Operation und Chemotherapie mit Heilungschancen von 75 Prozent soll gezeigt werden, dass gezieltes Bewegungstraining das Rückfallrisiko tatsächlich weiter verringert. „Wenn man das nachweisen könnte, das wäre der wirkliche Sprung“, sagt Thaler. Finanziert wird die erste Phase mit 100 Teilnehmern von der Oberösterreichischen Krebshilfe. Für die zweite Phase mit 700 Patienten wird noch Unterstützung gesucht.
Das ist ein Problem, das viele Wissenschaftler in diesem Bereich kennen. Die tiefsten Taschen in der medizinischen Forschung haben
Wer vor der OP oder der Chemo trainiert, übersteht beides sehr oft besser.