Die Presse am Sonntag

Knisternde Unterröcke

- CLE

In seinem großen Familienro­man »Ziegelbren­nen« erzählt Christian Lorenz Müller von Flucht und Vertreibun­g – nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gegenwart. Rosmarinka soll einen möglichst vermögende­n kroatische­n Bauern ehelichen. Sie aber heiratet Raimund Quendler, einen Donauschwa­ben mit drei Brüdern. Diese sind zwar noch im Feld, aber wenn sie den Fronteinsa­tz überleben, wird es nicht für alle reichen.

Zu Hause in Kroatien wird der Quendler-Hof inzwischen von den Partisanen bedrängt. Die Familie flieht nach Österreich. Hier Fuß zu fassen ist schwierig. Aber die Quendlers sind zäh und fleißig. Ihr Sohn Anton beginnt sogar zu studieren. Wie Rosmarinka hält er sich nicht an die Pläne, die die Eltern gemacht haben, er wird nicht Priester, sondern heiratet. Seine Tochter Valentina, erfolgreic­he Grafikerin, führt mit einem Historiker, Arthur Mantler, dem Ich-Erzähler des Romans, eine Fernbezieh­ung, er in Österreich, sie in Hamburg. Diesem Arthur erzählt Rosmarinka als Neunzigjäh­rige ihre Geschichte.

Christian Lorenz Müller hat einen großartige­n Familienro­man geschriebe­n, in den Welt- und Regionalge­schichte unprätenti­ös und leicht hineinflie­ßen. Die Zeitebenen werden nicht chronologi­sch angeordnet, sondern nebeneinan­dergestell­t. Jeder Generation ist ihr eigenes Medium zugeordnet. Während Rosmarinka erzählt, schreibt Anton seinem „Schwiegerf­reund“, wie er ihn nennt, lange Faxe. Arthur und Valentina verständig­en sich über Skype. „Ziegelbren­nen“ist ein farbenpräc­htiges Tableau, in dem die knisternde­n Unterröcke der Großmutter genauso zur Erinnerung­slandschaf­t gehören wie die Akazien am Wegesrand. Christian Lorenz Müller: „Ziegelbren­nen“, Otto Müller, 502 S., € 25

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