Angekündigte Dialoge ohne Worte
Die designierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat angekündigt, viele Gespräche führen zu wollen. Bisher gibt sie sich aber schweigsam – das führt zu ihren ersten gröberen Problemen in der Partei.
Dialog. Das war das Schlagwort der Stunde, das die designierte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner bei ihren ersten Auftritten Anfang Oktober gern und oft betonte. Für sie als Ärztin sei das Gespräch mit Menschen auf Augenhöhe stets im Zentrum ihrer Arbeit gestanden, sagte sie. Diesen Dialog wolle sie nun auch mit ihren Kritikern und den Menschen in diesem Land führen, sagte sie. Und verschwand danach wieder hinten den Kulissen der Löwelstraße. Seitdem herrscht Ruhe.
Interviews mit der Parteichefin sind ein rares Gut, mehr als kurze Pressestatements nach Krisensitzungen mit der Parteispitze waren kaum aus ihr herauszulocken. Für öffentliche Auftritte der SPÖ ist Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda hauptzuständig. Er ist es auch, der momentan die Geschicke der Partei lenkt und Rendi-Wagner abschirmt. Doch was tut sie eigentlich?
Angeblich sich auf den Parteitag Ende November vorbereiten, an dem sie zur Parteichefin gewählt werden soll. Sie arbeitet hinter den Kulissen an der Schärfung ihres Profils, versucht ihre Positionen zu finden. Damit ihr Wahlergebnis gut ausfällt, führt sie viele Gespräche mit Genossen, um Anhänger hinter sich zu scharen. Knochenarbeit, denn eine Hausmacht hat die 48-Jährige als Quereinsteigerin in ihrer Partei noch nicht. Fehlende Kommunikation. Und ob dieser neuen Mammutaufgabe scheint Rendi-Wagner den Wald vor lauter Bäumen manchmal nicht mehr zu sehen. Denn genau dieser groß angekündigte Dialog wurde in entscheidenden Fällen nun doch nicht geführt. Das sorgte in der krisengebeutelten Partei für weiteres Stolpern und Poltern.
Der Dialog wurde verabsäumt, als man die unter Christian Kern bereits im Vorstand beschlossene Parteireform bei einer Präsidiumsklausur im kleinen Kreis wieder absagte. Die Basis rebellierte. Immerhin wurden 37.000 Parteimitglieder befragt, 72 Prozent stimmten für die Reform. Es folgten etliche Parteiaustritte und öffentliche Kritik an der Parteispitze. Um ein Desaster am Parteitag zu verhindern, fand sich eine österreichische Lösung: Die Parteireform soll nun doch nicht ganz abgeblasen werden. Einige Punkte sollen beschlossen werden, einige heikle werden auf die lange Bank geschoben.
Kaum war diese Causa ausgestanden, kam die nächste Baustelle. Zwischen der Bundes-SPÖ und Kärntens Landeskaiser Peter Kaiser ist ein offener Streit ausgebrochen. Grund: Die Erstellung der Liste für die EU-Wahl im Mai. Kärnten hatte fix mit Listenplatz sechs, einem Kampfmandat, gerechnet. Der Spitzenkandidat sollte Luca Kaiser werden, der Sohn des Landeshauptmannes.
Abgesehen davon, dass die Optik schief ist, wenn der Vorsitzende einer Landespartei seinen Sohn zum Spitzenkandidaten macht – es ist nach Reißverschlusssystem auch nicht möglich. Auf Platz sechs muss demnach eine Frau gereiht werden – was jetzt auch passiert ist. Julia Herr ist Listensechste, Luca Kaiser wurde (auch aufgrund von massiv kritisierten Postings gegen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl) auf Platz neun verwiesen. Kaiser senior ist ob dieser Vorgehensweise empört – immerhin sei Kärnten eines der stärksten SPÖ-Bundesländer und hätte somit einen besseren Listenplatz verdient, argumentiert er. Gekränkt ist er wohl auch, weil er gegenüber RendiWagner immer loyal war, sie gefördert hat – und nun von ihr auf die hinteren Plätze verwiesen wird.
„So eine Demütigung habe ich noch nie erlebt“, sagt er am Samstag im „Österreich“-Interview. Kaiser droht, sich aus den Bundesämtern zurückzuziehen – eine massive Schwächung für Rendi-Wagner. Dazu bestellte Kaiser sie zu einem Dialog nach Kärnten. Hätte man das vorher besprochen, wäre die Situation nicht eskaliert. Richtungsentscheid. Die SPÖ beschäftigt sich also wieder einmal lieber mit Machtkämpfen als mit dem Wähler. Und das trotz neuer Parteispitze, die Neubeginn symbolisieren hätte können. Auch der gemeinsame Feind Türkis-Blau reicht offenbar nicht aus, um die SPÖ zu einen. Dabei hätte sie große Aufgaben zu bewältigen: etwa eine österreichische Erzählung der Sozialdemokratie zu schaffen. Oder eine Entscheidung zu treffen, ob man sich eher an den Erfolgen eines altlinken Jeremy Corbyn oder eines neulinken Emmanuel Macron orientieren möchte.
Rendi-Wagner wird am Parteitag Ende November ihren Genossen präsentieren müssen, wie sie sich die SPÖ der Zukunft vorstellt und sie ihre Partei zu einer lauten Opposition machen will. Schweigen wird nicht die Lösung sein.
Von Freund zu Feind: Eskalation zwischen Kaiser und Rendi-Wagner.