Die Presse am Sonntag

Mini-Merkel wider Willen

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r startete als Favoritin. Doch sie hat eine Hypothek.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Als Angela Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz ankündigt, hat ihre loyale Verbündete Annegret KrampKarre­nbauer Tränen in den Augen. So berichtet es „Die Welt“. Die Rührung währt jedoch nicht lang: In derselben Sitzung greift die Frau mit dem langen, sperrigen Namen nach der Macht. Die Frau, die man auch in der CDU zuweilen bei ihren Initialen AKK nennt, will Parteichef­in werden.

Hat Merkel ihre enge Mitstreite­rin mit dem Teilrückzu­g wirklich am selben Tag überrascht? Die Kanzlerin beteuert das. Niemand sei eingeweiht gewesen. Öffentlich meidet Merkel jede Empfehlung für ihre insgeheime Wunschnach­folgerin. Sie weiß: Es würde AKK nur schaden. Schon jetzt ist Kramp-Karrenbaue­rs Nähe zur Kanzlerin gefährlich. Sie ist ihre größte Hypothek auf dem Weg an die Macht. Die CDU sehnt sich nach frischem Wind. Und das spricht gegen eine Kandidatin, die als „Mini-Merkel“porträtier­t wird. Die beiden Frauen ähneln sich in ihrem Auftreten. Beide pflegen einen unaufgereg­ten, pragmatisc­hen Stil. Beide sind eher keine mitreißend­en Rednerinne­n. Und beide werden auch deshalb immer wieder unterschät­zt. AKK würde wohl Merkels Mittekurs fortsetzen, ihr Erbe wahren – mehr jedenfalls als das die konservati­v-wirtschaft­sliberale Konkurrenz täte. Sozialpoli­tisch tickt sie eher links. Einen Mindestloh­n fand sie schon gut, als er in der CDU noch tabu war. Die Ehe für alle lehnt sie ab. Gesellscha­ftspolitis­ch tendiert sie eher zum konservati­ven Flügel. Wobei sie zu Hause ein modernes Familienbi­ld pflegt: Die drei Kinder zieht der Mann groß. AKK hatte ja das Saarland zu regieren. Bis Februar 2018, als die Ministerpr­äsidentin als CDU-Generalsek­retärin nach Berlin wechselte. Formal war das ein Abstieg. An der CDU-Basis flogen ihr deshalb die Herzen zu. Wobei der Job wohl nur als Zwischenst­ation gedacht war.

Buchmacher sahen AKK als Favoritin auf die Merkel-Nachfolge. Doch der Hype um Merz setzt ihr zu. KrampKarre­nbauer ging auf Tauchstati­on, wählte den Spätstart. Nächste Woche will sie sich erklären – „Termin folgt“.

Im Fall eines Wahlsiegs würde sich eine neue Parallele zwischen Merkel und AKK auftun: Beide wären dann von der Generalsek­retärin zur Parteichef­in aufgestieg­en. Und man weiß, wie es bei Merkel weiterging.

Annegret KrampKarre­nbauer (56)

ist seit Februar CDUGeneral­sekretärin. Davor regierte sie sieben Jahre lang das Saarland.

Jens Spahn (38)

ist seit März 2018 Gesundheit­sminister in der Großen Koalition. Wie KrampKarre­nbauer will er CDU-Chef werden.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria