Mini-Merkel wider Willen
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer startete als Favoritin. Doch sie hat eine Hypothek.
Als Angela Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz ankündigt, hat ihre loyale Verbündete Annegret KrampKarrenbauer Tränen in den Augen. So berichtet es „Die Welt“. Die Rührung währt jedoch nicht lang: In derselben Sitzung greift die Frau mit dem langen, sperrigen Namen nach der Macht. Die Frau, die man auch in der CDU zuweilen bei ihren Initialen AKK nennt, will Parteichefin werden.
Hat Merkel ihre enge Mitstreiterin mit dem Teilrückzug wirklich am selben Tag überrascht? Die Kanzlerin beteuert das. Niemand sei eingeweiht gewesen. Öffentlich meidet Merkel jede Empfehlung für ihre insgeheime Wunschnachfolgerin. Sie weiß: Es würde AKK nur schaden. Schon jetzt ist Kramp-Karrenbauers Nähe zur Kanzlerin gefährlich. Sie ist ihre größte Hypothek auf dem Weg an die Macht. Die CDU sehnt sich nach frischem Wind. Und das spricht gegen eine Kandidatin, die als „Mini-Merkel“porträtiert wird. Die beiden Frauen ähneln sich in ihrem Auftreten. Beide pflegen einen unaufgeregten, pragmatischen Stil. Beide sind eher keine mitreißenden Rednerinnen. Und beide werden auch deshalb immer wieder unterschätzt. AKK würde wohl Merkels Mittekurs fortsetzen, ihr Erbe wahren – mehr jedenfalls als das die konservativ-wirtschaftsliberale Konkurrenz täte. Sozialpolitisch tickt sie eher links. Einen Mindestlohn fand sie schon gut, als er in der CDU noch tabu war. Die Ehe für alle lehnt sie ab. Gesellschaftspolitisch tendiert sie eher zum konservativen Flügel. Wobei sie zu Hause ein modernes Familienbild pflegt: Die drei Kinder zieht der Mann groß. AKK hatte ja das Saarland zu regieren. Bis Februar 2018, als die Ministerpräsidentin als CDU-Generalsekretärin nach Berlin wechselte. Formal war das ein Abstieg. An der CDU-Basis flogen ihr deshalb die Herzen zu. Wobei der Job wohl nur als Zwischenstation gedacht war.
Buchmacher sahen AKK als Favoritin auf die Merkel-Nachfolge. Doch der Hype um Merz setzt ihr zu. KrampKarrenbauer ging auf Tauchstation, wählte den Spätstart. Nächste Woche will sie sich erklären – „Termin folgt“.
Im Fall eines Wahlsiegs würde sich eine neue Parallele zwischen Merkel und AKK auftun: Beide wären dann von der Generalsekretärin zur Parteichefin aufgestiegen. Und man weiß, wie es bei Merkel weiterging.
Annegret KrampKarrenbauer (56)
ist seit Februar CDUGeneralsekretärin. Davor regierte sie sieben Jahre lang das Saarland.
Jens Spahn (38)
ist seit März 2018 Gesundheitsminister in der Großen Koalition. Wie KrampKarrenbauer will er CDU-Chef werden.