Der Schöngeist in der Löwelstraße
Teure Uhren, geliehene Gemälde, feinsinnige Attitüde: Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda, der wichtigste Vertraute der Parteichefin, polarisiert – vor allem in seiner eigenen Partei.
Thomas Drozda, der rote Dandy, extravagant im Auftritt und im Lebensstil. Zuerst die Patek-Philippe-Uhr, Neupreis 27.000 Euro. Dann das geliehene KurtKocherscheidt-Gemälde, Kaufpreis 19.000 Euro. Der ehemalige Kulturminister, der nun via Twitter die Welt weiterhin an seinem Leben als Schöngeist teilhaben lässt, steht, seit er SPÖ-Bundesgeschäftsführer ist, im Zentrum einer mitunter recht skurril anmutenden Debatte. Darf der Vertreter einer (ehemaligen) Arbeiterpartei sich so inszenieren, ja darf er so leben?
Grundsätzlich ja. Der Arbeiterführer Bruno Kreisky durfte das schließlich auch. Aber Thomas Drozda ist eben kein Bruno Kreisky. Wobei: Vielleicht wird er es ja noch.
Für die Regierungsparteien ist das allemal ein gefundenes Fressen. Sie lassen auch nicht locker, die Debatte am Köcheln zu halten. Allerdings: Auch nicht wenige seiner eigenen Genossen sehen die Person Thomas Drozda überaus skeptisch. Allzu viele Freunde hat er dort seit jeher nicht.
Thomas Drozda erzählt nun gern in Interviews die Geschichte, dass er ja eigentlich ein Kind aus der Arbeiterklasse sei, das dank Bruno Kreisky der soziale Aufstieg gelungen sei. Das ist vielleicht auch ein wenig dick aufgetra- gen. Drozdas Vater hat eine Kaufmannslehre gemacht und es in der Folge bis zum Werksleiter gebracht. Seine Mutter, schrieb das „Profil“, als er Minister wurde, „war eine der ersten Frauen, die in den 1950er-Jahren die Matura ablegten“.
Thomas Drozda selbst studierte Wirtschaft in Linz, war dann einer der „Vranitzky-Boys“, also Teil jener jungen, smarten, elegant gekleideten Garde, die dem damaligen Regierungschef im Kanzleramt zuarbeitete. Dann wurde Drozda Geschäftsführer des Burgtheaters und danach Direktor der Vereinigten Bühnen Wien.
Die Aufsteigergeschichte des Thomas Drozda ist etlichen seiner Gesinnungsfreunde jedoch zu glatt – auch zu bürgerlich. Vor allem, weil er sich selbst eher schwer damit tut zu verbergen, dass er sich für gebildeter und klüger hält als seine Umgebung. Als Primus inter Pares, der man als Politiker, insbesondere in einer Partei, eben auch sein muss, kann das Gegenteil davon gelegentlich nicht schaden. Ein Bobo. Man könnte sogar sagen: Thomas Drozda polarisiert in der SPÖ derzeit wie kein Zweiter. Freilich polarisiert auch jemand wie Hans Peter Doskozil. Aber da ist es naheliegender: Doskozil ist am rechten Flügel der Partei beheimatet – und regt eben die Linken auf. Drozda hingegen ist selbst einer vom linksliberalen Flügel – und regt viele Linke ebenso auf. Als die steirische SPÖ-Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa vor einigen Wochen auf Facebook „Thomas, du bist ein Bobo“, schrieb, sprach sie damit nicht wenigen Genossen aus der Seele.
Dafür hat Thomas Drozda das bedingungslose Vertrauen seiner Parteichefin. Zuvor war Pamela Rendi-Wagners Mann, Michael Rendi, sein Kabinettschef als Kanzleramtsminister gewesen, nun hat sie Drozda zum Leiter der Parteizentrale gemacht.
Ob er dort überrascht oder enttäuscht, weiß man nicht. Eines lässt sich aber sagen: Mit Thomas Drozda sitzt dort nun jedenfalls ein Profi, einer, der von der Qualifikation her mehr mitbringt als die meisten seiner Vor- gänger zusammen. Darauf kann er sich also durchaus etwas einbilden.
Und dass er bei all seiner bobohaften Attitüde ein Pragmatiker mit Zug zum Tor ist, hat er mit einer seiner ersten Handlungen bewiesen: Drozda war – neben den führenden Vertretern der Wiener SPÖ – die treibende Kraft, die die allzu basisorientierte und daher ein wenig weltfremde Organisationsreform im Rahmen des neuen Parteiprogramms zu Fall brachte. An der Absetzung von Andreas Schieder als Klubobmann und der Verhinderung von Luca Kaiser als EU-Kandidat mit Aussicht auf ein Mandat soll er ebenso federführend mitgewirkt haben. Und Drozda war zwar ein Christian-Kern-Mann, ging aber letztlich auf Distanz zu ihm.
Im inferioren Nationalratswahlkampf der SPÖ des Jahres 2017 war Drozda einer der wenigen Aktivposten in der Partei gewesen. Er befürwortete zwar das Engagements Tal Silbersteins als Spindoktor, da er recht bald erkannt hatte, dass mit der damaligen SPÖBundesgeschäftsführung und der Truppe in der Löwelstraße kein Krieg zu gewinnen ist. Allerdings verhinderte er dann auch gröberen Unfug.
Überliefert ist etwa die Idee Tal Silbersteins, Christian Kern im Anzug in die Donau hüpfen zu lassen. Drozda legte ein Veto ein. Vom parallel veranstalteten Dirty Campaigning der Silberstein-Gruppe soll er nichts gewusst haben. Und am Ende, als fast schon alles verloren schien, war es Drozda, der die Fäden der Kampagne noch irgendwie in der Hand hielt.
Darf sich der Vertreter einer (ehemaligen) Arbeiterpartei so inszenieren? Er tut sich eher schwer zu verbergen, dass er sich für gebildeter hält als andere.
Machtbewusst. Die einen empfinden Thomas Drozda als liebenswürdig, die anderen als abgehoben. Als „Richelieu der Löwelstraße“– was dem gebildeten Machtbewussten vielleicht sogar gefallen wird – wird er ebenso tituliert wie als unterhaltsamer, sachkundiger Gesprächspartner gelobt. „Er ist sicher ein belesener Mensch, der ein großes Wissen hat“, sagt ein Funktionär aus den Ländern – und so etwas hört man öfter über ihn – „aber eine Partei zu führen ist dann schon noch einmal etwas anderes, als Minister zu sein“. Da werde er noch hineinwachsen müssen.