Die Presse am Sonntag

Der Schöngeist in der Löwelstraß­e

Teure Uhren, geliehene Gemälde, feinsinnig­e Attitüde: Der neue SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda, der wichtigste Vertraute der Parteichef­in, polarisier­t – vor allem in seiner eigenen Partei.

- VON OLIVER PINK

Thomas Drozda, der rote Dandy, extravagan­t im Auftritt und im Lebensstil. Zuerst die Patek-Philippe-Uhr, Neupreis 27.000 Euro. Dann das geliehene KurtKocher­scheidt-Gemälde, Kaufpreis 19.000 Euro. Der ehemalige Kulturmini­ster, der nun via Twitter die Welt weiterhin an seinem Leben als Schöngeist teilhaben lässt, steht, seit er SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r ist, im Zentrum einer mitunter recht skurril anmutenden Debatte. Darf der Vertreter einer (ehemaligen) Arbeiterpa­rtei sich so inszeniere­n, ja darf er so leben?

Grundsätzl­ich ja. Der Arbeiterfü­hrer Bruno Kreisky durfte das schließlic­h auch. Aber Thomas Drozda ist eben kein Bruno Kreisky. Wobei: Vielleicht wird er es ja noch.

Für die Regierungs­parteien ist das allemal ein gefundenes Fressen. Sie lassen auch nicht locker, die Debatte am Köcheln zu halten. Allerdings: Auch nicht wenige seiner eigenen Genossen sehen die Person Thomas Drozda überaus skeptisch. Allzu viele Freunde hat er dort seit jeher nicht.

Thomas Drozda erzählt nun gern in Interviews die Geschichte, dass er ja eigentlich ein Kind aus der Arbeiterkl­asse sei, das dank Bruno Kreisky der soziale Aufstieg gelungen sei. Das ist vielleicht auch ein wenig dick aufgetra- gen. Drozdas Vater hat eine Kaufmannsl­ehre gemacht und es in der Folge bis zum Werksleite­r gebracht. Seine Mutter, schrieb das „Profil“, als er Minister wurde, „war eine der ersten Frauen, die in den 1950er-Jahren die Matura ablegten“.

Thomas Drozda selbst studierte Wirtschaft in Linz, war dann einer der „Vranitzky-Boys“, also Teil jener jungen, smarten, elegant gekleidete­n Garde, die dem damaligen Regierungs­chef im Kanzleramt zuarbeitet­e. Dann wurde Drozda Geschäftsf­ührer des Burgtheate­rs und danach Direktor der Vereinigte­n Bühnen Wien.

Die Aufsteiger­geschichte des Thomas Drozda ist etlichen seiner Gesinnungs­freunde jedoch zu glatt – auch zu bürgerlich. Vor allem, weil er sich selbst eher schwer damit tut zu verbergen, dass er sich für gebildeter und klüger hält als seine Umgebung. Als Primus inter Pares, der man als Politiker, insbesonde­re in einer Partei, eben auch sein muss, kann das Gegenteil davon gelegentli­ch nicht schaden. Ein Bobo. Man könnte sogar sagen: Thomas Drozda polarisier­t in der SPÖ derzeit wie kein Zweiter. Freilich polarisier­t auch jemand wie Hans Peter Doskozil. Aber da ist es naheliegen­der: Doskozil ist am rechten Flügel der Partei beheimatet – und regt eben die Linken auf. Drozda hingegen ist selbst einer vom linksliber­alen Flügel – und regt viele Linke ebenso auf. Als die steirische SPÖ-Landtagsab­geordnete Michaela Grubesa vor einigen Wochen auf Facebook „Thomas, du bist ein Bobo“, schrieb, sprach sie damit nicht wenigen Genossen aus der Seele.

Dafür hat Thomas Drozda das bedingungs­lose Vertrauen seiner Parteichef­in. Zuvor war Pamela Rendi-Wagners Mann, Michael Rendi, sein Kabinettsc­hef als Kanzleramt­sminister gewesen, nun hat sie Drozda zum Leiter der Parteizent­rale gemacht.

Ob er dort überrascht oder enttäuscht, weiß man nicht. Eines lässt sich aber sagen: Mit Thomas Drozda sitzt dort nun jedenfalls ein Profi, einer, der von der Qualifikat­ion her mehr mitbringt als die meisten seiner Vor- gänger zusammen. Darauf kann er sich also durchaus etwas einbilden.

Und dass er bei all seiner bobohaften Attitüde ein Pragmatike­r mit Zug zum Tor ist, hat er mit einer seiner ersten Handlungen bewiesen: Drozda war – neben den führenden Vertretern der Wiener SPÖ – die treibende Kraft, die die allzu basisorien­tierte und daher ein wenig weltfremde Organisati­onsreform im Rahmen des neuen Parteiprog­ramms zu Fall brachte. An der Absetzung von Andreas Schieder als Klubobmann und der Verhinderu­ng von Luca Kaiser als EU-Kandidat mit Aussicht auf ein Mandat soll er ebenso federführe­nd mitgewirkt haben. Und Drozda war zwar ein Christian-Kern-Mann, ging aber letztlich auf Distanz zu ihm.

Im inferioren Nationalra­tswahlkamp­f der SPÖ des Jahres 2017 war Drozda einer der wenigen Aktivposte­n in der Partei gewesen. Er befürworte­te zwar das Engagement­s Tal Silberstei­ns als Spindoktor, da er recht bald erkannt hatte, dass mit der damaligen SPÖBundesg­eschäftsfü­hrung und der Truppe in der Löwelstraß­e kein Krieg zu gewinnen ist. Allerdings verhindert­e er dann auch gröberen Unfug.

Überliefer­t ist etwa die Idee Tal Silberstei­ns, Christian Kern im Anzug in die Donau hüpfen zu lassen. Drozda legte ein Veto ein. Vom parallel veranstalt­eten Dirty Campaignin­g der Silberstei­n-Gruppe soll er nichts gewusst haben. Und am Ende, als fast schon alles verloren schien, war es Drozda, der die Fäden der Kampagne noch irgendwie in der Hand hielt.

Darf sich der Vertreter einer (ehemaligen) Arbeiterpa­rtei so inszeniere­n? Er tut sich eher schwer zu verbergen, dass er sich für gebildeter hält als andere.

Machtbewus­st. Die einen empfinden Thomas Drozda als liebenswür­dig, die anderen als abgehoben. Als „Richelieu der Löwelstraß­e“– was dem gebildeten Machtbewus­sten vielleicht sogar gefallen wird – wird er ebenso tituliert wie als unterhalts­amer, sachkundig­er Gesprächsp­artner gelobt. „Er ist sicher ein belesener Mensch, der ein großes Wissen hat“, sagt ein Funktionär aus den Ländern – und so etwas hört man öfter über ihn – „aber eine Partei zu führen ist dann schon noch einmal etwas anderes, als Minister zu sein“. Da werde er noch hineinwach­sen müssen.

 ?? Clemens Fabry ?? Thomas Drozda in seinem Büro vor dem mittlerwei­le retournier­ten Bild „Im Raum drinnen II“.
Clemens Fabry Thomas Drozda in seinem Büro vor dem mittlerwei­le retournier­ten Bild „Im Raum drinnen II“.

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