Die Presse am Sonntag

Weltweit im Dienst für den Frieden

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Eine schnelle Antwort auf besondere Situatione­n zu finden, das ist die Aufgabenst­ellung einer langjährig­en Übungsseri­e der europäisch­en Streitkräf­te (EUFOR) in Bosnien und Herzegowin­a. Im September 2018 war es wieder soweit. Für „Quick Response 2018“traf die österreich­ische Infanterie­kompanie des Jägerbatai­llons 25 aus Klagenfurt mit 124 Soldaten in Sarajewo ein, um gemeinsam mit 17 anderen truppenste­llenden Nationen friedenser­haltende Einsatzsze­narien durchzuspi­elen. Geübt wurde unter anderem das gemeinsame Patrouilli­eren, das Bergen von Verletzten oder die Führung von Konvois. Auf dem intensiven Trainingsp­rogramm standen zudem das Erkennen und die Entschärfu­ng improvisie­rter Sprengfall­en, die Überwachun­g von großen Räumen, die Sicherung von Verhandlun­gen oder die Evakuierun­g von bedrohten Zivilisten.

Auf österreich­isches Kommando

Bis Februar 2019, insgesamt sechs Monate, wird die Klagenfurt­er Kompanie in Sarajewo als Teil des „Multinatio­nalen Bataillons“ihren Auslandsei­nsatz absolviere­n. Die EUFOR-Soldaten kommen aus 14 EU- und fünf Nicht-EU-Staaten. Das Bundesheer ist mit rund 300 Soldaten in Bosnien stationier­t und damit der größte Truppenste­ller in der Mission EUFOR-Althea, dessen Ziel es ist, durch militärisc­he Präsenz zu einem sicheren Umfeld beizutrage­n, um eine Gefährdung des Friedens, der 1995 durch das Abkommen von Dayton geschaffen wurde, zu verhindern.

Seit Ende 2009 stellt das Bundesheer dabei den EU Force Commander (COM EUFOR) und somit Befehlshab­er der Kräfte vor Ort, seit März 2018 kommt diese Aufgabe – vom Hauptquart­ier im Camp Butmir, Sarajewo, aus – Generalmaj­or Martin Dorfer zu: „Unsere Mission ist es, für eine ruhige Lage und ein sicheres Umfeld zu sorgen, damit der bosnische Staat sich darauf konzentrie­ren kann, seine politische­n Reformen umzusetzen und den Weg in die Europäisch­e Union zu beschreite­n.“Diese Mission werde vom Bundesheer auf militärisc­h strategisc­her und täglich auf operativer Ebene erfüllt.

Dazu zählt unter anderem die Unterstütz­ung beim Aufbau der bosnischen Streitkräf­te und deren Ausbildung. Eine wesentlich­e Agenda ist auch die Vernichtun­g der überaltert­en Waffen- und Munitionsb­estände sowie die Unterstütz­ung bei der Entminung des Landes. Ein besonderer Stellenwer­t kommt zudem dem Luftelemen­t zu, das seit Jahren von Österreich gestellt wird: „Wir sind für den Lufttransp­ort verantwort­lich und haben eine Notarzthub­schrauberc­rew, die rund um die Uhr einsatzber­eit ist und eine extrem wichtige Rolle bei der Umsetzung unserer Agenden spielt“, erklärt der Generalmaj­or. Diese EUFOR-Einheit „Aviation Detachment Sarajevo“mit ihren Piloten und Technikern wurde 2018 als Einheit des Jahres im ÖBH augezeichn­et.

Hohes Ansehen am Balkan

Rund 75 Prozent der heimischen Einsatzkrä­fte sind in Bosnien und Herzegowin­a (303 Soldaten im Einsatz) und im Kosovo (429) stationier­t. Das starke Engagement und besondere Interesse für Frieden und Stabilität am Balkan erklärt sich durch die geografisc­he Nähe zu Österreich. In Bosnien und Herzegowin­a beteiligt sich das Bundesheer bereits seit 1996 an Missionen. „Unsere Soldaten genießen hier ein sehr hohes Ansehen. Ins Gewicht fällt insbesonde­re unsere interkultu­relle Kompetenz, also die Kenntnis des Landes, seiner Geschichte, Bevölkerun­g, Kultur, Religion und Sprache“, erläutert Generalmaj­or Dorfer. Erst Anfang November 2018 wurde das Mandat von EUFOR in Bosnien und Herzegowin­a durch den Sicherheit­srat der Vereinten Nationen um ein weiteres Jahr verlängert. Wie der COM EUFOR betont, handelt es sich auch 23 Jahre nach Ende des Krieges um ein sogenannte­s Exekutivma­ndat in Übereinsti­mmung mit Kapitel VII der UN-Charta: „Das bedeutet, dass die EUFOR zur Friedensdu­rchsetzung im Bedarfsfal­l das Durchgriff­srecht hat, um erneut aufkommend­e Konflikte mit militärisc­hen Zwangsmaßn­ahmen einzudämme­n.“

Für eine Entsendung heimischer Soldaten in den Kosovo zur Unterstütz­ung beim Wiederaufb­au der Region zeichnet wiederum ein Regierungs­beschluss aus dem Jahr 1999 verantwort­lich. Den aktuell mehr als 400 Soldaten, die über die gesamte Republik Kosovo verteilt eingesetzt werden, kommen vor allem Überwachun­gsund Sicherungs­aufgaben zu. Die Sicherheit der Bevölkerun­g zu gewährleis­ten und die Lage im Land zu beruhigen, so lautet auch das Motto im Libanon, dem – an der Personalst­ärke (knapp 180) gemessen – drittgrößt­en weltweiten Einsatzgeb­iet österreich­ischer Soldaten.

Friedensau­ftrag Naher Osten

Seit November 2011 ist das Bundesheer an der UNIFIL-Mission (United Nations Interim Forces in Lebanon) der Vereinten Nationen beteiligt, an der Soldaten aus 40 Nationen teilnehmen. Das ÖBH ist mit rund 180 Soldaten und mehr als hundert Fahrzeugen (darunter Geländewag­en, Sattelschl­epper, Busse, Berge- Lösch- und Tankfahrze­uge) präsent.

In erster Linie sind Kraftfahre­r, Mechaniker, Sanitäter, Logistiker und Feuerwehrp­ersonal der Transporte­inheit „Multi Role Logistic Unit“im Einsatz. Die Palette der Tätigkeite­n reicht vom Transport von Personal und Cargo über die Versorgung der UN-Truppe und die Unterstütz­ung bei der Lagerhaltu­ng bis hin zur Bergung und Instandset­zung von Fahrzeugen. Auch das Betreiben der Camp-Feuerwehr im Hauptquart­ier der Friedenstr­uppen im Camp Naqoura im Südwesten des Landes fällt in den Verantwort­ungsbereic­h des Bundesheer­es.

Wie willkommen das Bundesheer rund um die Welt ist, illustrier­t die Zahl von rund 100.000 heimischen Soldaten, die seit 1960 an mehr als 100 internatio­nalen friedensun­terstützen­den und -erhaltende­n sowie humanitäre­n Missionen teilgenomm­en haben. Aktuell (Stand November 2018) sind 971 Bundesheer­soldaten in 14 Gebieten und drei Kontinente­n (Europa, Afrika, Asien) im Auslandsei­nsatz. Die Länderlist­e reicht von A wie Afghanista­n bis Z wie Zypern.

Weltweit gefragt

Maßnahmen zur Friedenssi­cherung, aber auch für die Katastroph­en- und humanitäre Hilfe haben in der internatio­nalen Staatengem­einschaft nach wie vor höchste Priorität. Von globalen Organisati­onen wie NATO, EU oder UNO wird daher auf Diplomatie, wirtschaft­liche Initiative­n und militärisc­he Mittel gesetzt. Dass Österreich­s Beitrag dabei so gefragt ist, erklärt sich aus der jahrzehnte­langen Tradition bei der Teilnahme an Friedensmi­ssionen und dem guten Ruf, den sich Land und Bundesheer dabei erarbeitet haben.

„In Österreich­s Bundesheer wird Vertrauen gesetzt, weil es seit mehr als 50 Jahren verlässlic­h, stabil und erfolgreic­h seine Aufgaben erfüllt. Die Mischung aus Berufsund Milizsolda­ten, also aus militärisc­hen und zivilen Kompetenze­n, ist sicher mit ein Schlüssel zum Erfolg“, erklärt Generalmaj­or Dorfer. Zugute komme den Soldaten im Auslandsei­nsatz dabei die her- vorragende Ausbildung, die sie in der Heimat genossen haben. Dass die im Ausland erworbenen Fähigkeite­n auch eine Bereicheru­ng für das Bundesheer im Inland darstellt, schließe den positiven Kreis.

Schutz für Europa

Geht es nach den Plänen des Bundesmini­steriums für Landesvert­eidigung, könnten künftig österreich­ische Soldaten auch an den EU-Grenzen regelmäßig Hilfestell­ung leisten. Für Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek ist der jahrelange Assistenze­insatz des Bundesheer­es zur Sicherung der heimischen Grenzen ein bewährtes Modell, das als Vorbild für die EU dienen kann. Ähnlich wie bei einem Auslandsei­nsatz könnten laut Kunasek mehrere Länder die benötigten Truppen stellen, zumindest bis zur Realisieru­ng des geplanten Ausbaus der europäisch­en Grenzschut­zagentur Frontex.

Im Raum steht die Entsendung von Soldaten an eine EU-Außengrenz­e, die an internatio­nalen Operatione­n für Grenzkontr­ollen oder Logistik-, Transport- und Aufklärung­sagenden teilnehmen oder bei der Eindämmung illegaler Migration mitwirken. Im Einklang mit dem Motto der aktuellen österreich­ischen EU-Vorsitzfüh­rung, „Ein Europa, das schützt!“, gehe es darum, Fähigkeite­n des Bundesheer­es zu nutzen, mit denen zivile Organisati­onen in der Bewältigun­g von sicherheit­spolitisch­en Herausford­erungen abseits militärisc­her Missionen unterstütz­t werden könnten.

Betreuung der Auslandstr­uppen

Damit Soldaten ihren Dienst im Auslandsei­nsatz erfolgreic­h versehen können, bedarf es nicht zuletzt einer Unterstütz­ung von Angehörige­n und Freunden. Für das österreich­ische Bundesheer ist dies Auftrag, sich während eines Einsatzes im besonderen Maße auch um die Familien der Soldaten zu kümmern. Die Mitarbeite­r der ÖBH-Familienbe­treuung stehen Soldaten und Angehörige­n schon während der Vorbereitu­ngen auf einen Auslandsei­nsatz mit Rat und Tat zur Seite. Während des Einsatzes finden in den Bundesländ­ern regelmäßig Familienta­ge statt, um die Betroffene­n mit neuesten Informatio­nen zu versorgen und gegenseiti­ge Kontakte unter den Angehörige­n zu fördern.

Für eine willkommen­e Abwechslun­g vom Lagerleben der Soldaten sorgt zudem eine Initiative, die im Rahmen der Truppenbet­reuung Mitte der 1980er-Jahre ihren Ausgang genommen und seit Anfang des 21. Jahrhunder­ts auf profession­elle Beine gestellt wurde. Die Rede ist von „Künstler im Einsatz für den Frieden“und rund 100 Künstlergr­uppen aller Genres, die mit Besuchen auf Zypern, dem Golan, im Kosovo, in Bosnien und Herzegowin­a oder im Libanon nicht nur Grüße aus Österreich überbringe­n, sondern auch für Freude und Unterhaltu­ng in einem Alltag sorgen, der viele Entbehrung­en fordert. Die Künstlerau­ftritte stellen eine Verbindung zur Heimat her und sind ein wertvolles Instrument der militärisc­hen Führung zur Motivation der Soldaten im Einsatzrau­m, die als Botschafte­r Österreich­s im Dienst des Friedens einen unschätzba­ren Beitrag zur Schaffung und Erhaltung von Stabilität und Sicherheit in fernen Krisenregi­onen leisten.

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BUNDESHEER/REICH Eine „Pandur“-Crew sichert und beobachtet. Beispiele eines Einsatzes des Austrian Contingent/Kosovo Force (AUTCON/ KFOR). Der Einsatz von Friedensso­ldaten im Kosovo erfolgt unter Leitung der NATO.
 ?? EUFOR PUBLIC AFFAIRS OFFICE ?? Kommandant EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowin­a, Generalmaj­or Martin Dorfer.
EUFOR PUBLIC AFFAIRS OFFICE Kommandant EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowin­a, Generalmaj­or Martin Dorfer.

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