„Ich kann Selbstverteidigung“
Ein Parlamentsbewacher in rechtsextremen Kreisen – als dies aufflog, geriet die Sicherheitsbranche in Verruf. Doch wie funktioniert dieses Gewerbe eigentlich? Und wo will es hin?
Ein Rechtsradikaler, der sich als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma tarnt. Einer, der im Parlament herumschleicht, mit seiner elektronischen Berechtigungskarte Türen öffnet und streng geheime Interna auskundschaftet. Einer, der den Untersuchungsausschuss zur Affäre um den Verfassungsschutz, BVT, nutzt, um Infos aufzuschnappen, die er prompt der Neonazi-Szene „steckt“. Dieses Worst-Case-Szenario ist seit Tagen großes, öffentliches Thema.
So schlimm wie hier beschrieben ist die Sache aber bei Weitem nicht. Dennoch: Den besagten Securitydienst-Mitarbeiter gibt es wirklich. Thomas C. (24) und sein Dienstgeber, das weltweit tätige Sicherheitsunternehmen G4S, haben sich mittlerweile einvernehmlich getrennt. Ein Kündigungsgrund lag nicht vor.
Dokumentiert ist, dass C. eine Nähe zur Galionsfigur der österreichischen Rechtsextremen, Gottfried Küssel, hat. Und dass C. ausgerechnet beim BVT-U-Ausschuss (dort geht es auch um Erkenntnisse zur rechtsextremen Szene) für Sicherheit sorgen sollte.
Auch das ist wahr: Das Hohe Haus hatte keine Ahnung, wer C. wirklich ist. Seither wird darum gestritten, wer diese Ahnungslosigkeit zu verantworten hat. Am ehesten wohl das Parlament selbst, weil es private Sicherheitskräfte engagierte, ohne dabei auf eine Überprüfung dieser Leute durch das Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, BVT, zu drängen. Wie auch immer – für Spionageaktivitäten des 24-Jährigen gibt es keinerlei Beleg. C. selbst gibt an, er habe sich im Dienst nie etwas zuschulden kommen lassen.
„Ich kenne den Kollegen. Er war ein intelligenter Mitarbeiter.“Das sagt Albina Ganiji. Und: Von den nun offenkundig gewordenen Neonazi-Aktivitä- ten habe auch im Kollegenkreis niemand etwas geahnt.
Die 28-Jährige arbeitet seit drei Jahren für G4S. Sie ist eine von 3000 Mitarbeitern, die der SecurityDienstleister in Österreich hat. Weltweit sind es 570.000. Eine stolze Zahl.
Die Sicherheitsbranche also. Um die 15.000 Menschen sind in Österreich in diesem Gewerbe beschäftigt. Zusätzlich sind 3000 bis 5000 Leute als sogenannte Securitys regelmäßig bei Veranstaltungen tätig, schätzt G4S-Österreich-Prokurist Michael Kessler. Keine einheitlichen Standards. Warum macht man diesen Job? „Weil jeder Tag anders ist“, sagt Albina Ganiji, die mittlerweile nur noch bei erhöhtem Bedarf Sicherungsdienste vornimmt. Dann kontrolliert sie zum Beispiel den Zutritt zu Wiens Gerichten. Ihre Hauptaufgabe ist die interne Dienstaufsicht.
„Ich kontrolliere die Mitarbeiter vor Ort, was die machen, ob es Schwierigkeiten unter Kollegen gibt, ob sie etwas nicht verstehen, ob die Dienstuniformen in Ordnung sind.“Vorher war Albina Ganiji Kellnerin, sie ist gelernte Restaurantfachfrau. Und damit ist ein Punkt angesprochen, der vielen in der Sicherheitsbranche Sorgen macht: die Ausbildung.
Es gibt in Österreich keine vorgeschriebene bzw. verbindlich geregelte Ausbildung für gewerbliches Sicherheitspersonal. „Damit sind wir in Europa so ziemlich die Einzigen“, sagt Kessler. Das müsste natürlich nicht sein. Eine Ausbildungsverordnung liegt längst in den Schubladen der großen Unternehmen. „Sie müsste nur noch in die Gewerbeordnung eingebaut werden“, erklärt Kessler. Derzeit scheint dieser Schritt aber illusorisch. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) schwebt eine Entflechtung, keine Ausdehnung der Gewerbevorschriften vor.
So gesehen wird es wohl auch in nächster Zeit bei der quasi freiwillig angebotenen Grundausbildung bleiben, die der Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ) auf seine Fahnen geheftet hat. Sieben große Sicherheitsdienstleister (darunter G4S) gehören dem VSÖ an. Diese Firmen haben sich dazu verpflichtet, jeden Mitarbeiter zumindest in einen dreitägigen Kurs zu schicken. Dabei werden den Neueinsteigern zum Beispiel Grundlagen des Hausrechts, des Anhalterechts, der Deeskalation, des Brandschutzes oder der Rettungs- und Alarmierungsketten beigebracht. Aber wie gesagt: Gesetzlich verpflichtend ist das nicht.
Niemand will daran schuld sein, dass ein rechtsextremer Sicherheitsmann tätig war. Der große Unterschied zwischen Zuverlässigkeitsund Sicherheitsüberprüfung.
Laut Gewerbeordnung müssen Mitarbeiter von Sicherheitsdienstleistern lediglich „die für diese Verwendung erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung besitzen“. Den Nachweis der „Zuverlässigkeit“liefert eine unbeschränkte (also auch kleinere Strafen umfassende) Strafregisterauskunft, die durch die Landespolizeidirektionen eingeholt wird.
Die Aufgaben privater Sicherheitskräfte sind in der Praxis jedenfalls sehr verschieden. Private sorgen zum Beispiel als Werksportiere für Sicherheit. Oder vor Juwelieren. Oder bei Großveranstaltungen. Oder auf Bahnhöfen und Flughäfen. Oder vor Botschaften. Oder in Schubhaftzentren.
Wenn Auftraggeber das wünschen, können sie vom jeweiligen Dienstleister verlangen, nur Personen zu entsenden, die einer – kostenpflichtigen – „Sicherheitsüberprüfung“durch das BVT unterzogen wurden. Eben dies hat zum Beispiel das Parlament (siehe oben) nicht getan.
Ach ja: Muss man eigentlich groß, bullig und grimmig sein, um als guter Bewacher durchzugehen? Das sei nur ein Klischee, sagt Albina Ganiji. Sie ist schlank und eher zierlich. Aber man sollte sich in ihr nicht täuschen: „Ich bin genauso trainiert wie so mancher Mann. Ich kann Selbstverteidigung.“