Die Presse am Sonntag

Der Topinambur­bauer vor den

In Hennersdor­f bei Wien baut Johannes Wiesmayer Topinambur an, den er über den Winter nach und nach aus dem Boden holt. Vielleicht kommt auch bald etwas Neues dazu.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Regelrecht begeistert ist Johannes Wiesmayer von seinem Topinambur: „Die sind ja wirklich schön“, sagt er mehr als ein Mal, als er mit der Mistgabel einige Knollen aus der Erde holt und sie zwischen seinen Fingern hin und her dreht: Knapp 20 Zentimeter lang und ein paar Zentimeter dick sind die fingerähnl­ichen Wurzeln, die in der Form an Ingwer erinnern. „Es ist sonnig, es ist trocken“, sagt Wiesmayer. „Ein optimaler Tag zum Ernten wäre heute.“

Ein Teil des kleinen Felds in Hennersdor­f im Süden von Wien, nur wenige Hundert Meter von der Stadtgrenz­e entfernt, ist bereits abgeerntet. Von Oktober bis April werden die Knollen üblicherwe­ise geerntet. Reihe für Reihe holt Wiesmayer mit seiner Frau Lydia über den Winter die Topinambur­en – so der korrekte Plural – aus der Erde. „Sie sind nämlich winterhart, aber nicht lagerfähig“, erklärt Wiesmayer.

Den Umgang mit dem Topinambur hat sich der 46-Jährige in den vergangene­n drei Jahren autodidakt­isch angeeignet – unter anderem mittels Internet, wie er mit Verve erzählt („Ich bin ein YouTube-Bauer“, scherzt er). Denn Wiesmayer ist zwar ein Bauernbub, der Hof, auf dem er mit seiner Familie lebt, in sechster Generation im Familienbe­sitz. Den eigentlich­en Betrieb mit den Ackerfläch­en hat allerdings sein älterer Bruder übernommen. Feldarbeit erdet. Zurück zur Landwirtsc­haft kam der Jüngere, der unter anderem in der Automobilb­ranche arbeitete, übers Wild. Als der passionier­te Jäger vor mittlerwei­le 15 Jahren erfuhr, dass große Teile des verspeiste­n Wilds hierzuland­e gar nicht aus Österreich kommen, startete er mit einem Damwildgeh­ege, bei dem er mit dem E-Auto auf dem Weg zum Topinambur­feld kurz anhält. „Irgendwann wurde dann der Wunsch größer, etwas anzubauen“, erzählt er. „Und es ist einfach total schön, das erdet einen regelrecht.“

Dass es letztlich Topinambur wurde – und nicht, wie in der Umgebung üblich, etwa Getreide –, hat verschiede­ne Gründe. Den Preis, die Tatsache, dass es ein Produkt ist, das man verkaufen (und essen) kann, ohne es vorher verarbeite­n zu müssen. „Und wenn die Profibauer­n lachen, dann bin ich auf dem richtigen Weg“, sagt Wiesmayer und lacht selbst. „Das kannst nicht anbauen, das wuchert ja so“, habe er vor drei Jahren gehört. „Und ich habe mir gedacht: Das ist ja herrlich!“Kleinere Knollen lassen die Wiesmayers in der Erde – sie treiben im Frühling aus. „Wir sind da verschwend­erisch“, sagt er, als er übers Feld geht und auf die vielen kleinen Knollen zeigt.

»Wenn die Profibauer­n lachen, dann bin ich auf dem richtigen Weg.« »Die Knolle schmeckt leicht nussig. Roh erinnert der Topinambur an Kohlrabi.«

Im Sommer ist die Pflanze mit ihren dunkelgrün­en Blättern und gelben Blüten dann bis zu drei Meter hoch. „Das ist total schön“, sagt Wiesmayer. Mit den Erdäpfeln hat der Topinambur nichts zu tun – außer vielleicht bei der ungefähren Herkunft: Die Pflanze, die im 17. Jahrhunder­t aus Nordamerik­a nach Europa gebracht wurde, gehört zu den Korbblütle­rn, konkret zur Gattung der Sonnenblum­e. Ein Vorteil für Wiesmayer: „Der Topinambur hat eigentlich keine natürliche­n Schädlinge. Wir würden gar nicht in Versuchung kommen, zu spritzen.“

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