Die Presse am Sonntag

Südkorea: Stammzelle­n statt Smartphone­s

-

Mittwochmo­rgen in Seoul: Zu Tausenden strömen die Menschen aus ihren siebzigstö­ckigen Wohntürmen zu den U-Bahnen. Die Köpfe sind nach unten geneigt, die Blicke haften an den Displays der Smartphone­s. Drei Stück besitzt jeder Koreaner davon im Schnitt – Marke Samsung, versteht sich. Doch in wenigen Jahren will der größte Konzern des Landes viel mehr als nur Handys herstellen. „Finger, Leber und Geist der Menschen werden von Samsung kommen“, prophezeit Tae-Han Kim.

Der Mann, der sich selbst gern „TH“nennt, wurde vor ein paar Jahren von Samsung ausgeschic­kt, um neue Wachstumsm­otoren für das Familienko­nglomerat zu finden. Halbleiter und Smartphone­s lieferten zwar weiter gute Gewinne, aber keine Zukunftspe­rspektive mehr. Erwartet hatten die Eigentümer „irgendetwa­s mit Energie“. Zurückgeko­mmen ist „TH“mit der Idee für Samsung BioLogics, der heutigen Biotech-Tochter von Samsung. „IT hat die globale Weltwirtsc­haft in den letzten 40 Jahren geprägt. Aber wer bei künstliche­r Intelligen­z und Biotechnol­ogie die Führung übernimmt, wird die Welt 400 Jahre lang dominieren“, zitiert der 61-Jährige den Autor Yuval Noah Harari. „Als ich das gelesen habe, wusste ich, dass ich am richtigen Weg bin“, sagt er zur „Presse am Sonntag“. Hündchen statt Kinder. Die Verwandlun­g von Samsung ist paradigmat­isch für ganz Südkorea. Seit fünf Jahren ist das Land nicht von der Spitze der innovativs­ten Staaten zu verdrängen. Samsung allein hat seit der Jahrtausen­dwende mehr US-Patente eingereich­t als jedes andere Unternehme­n der Welt (außer IBM). Die offene Volkswirts­chaft ist hoch digitalisi­ert, Weltrekord­halter bei Freihandel­sabkommen, die Koreaner selbst sind von frühester Jugend an enormen Leistungsd­ruck gewöhnt. Und dennoch geht dem großen Aufsteiger des letzten halben Jahrhunder­ts schön langsam der Schwung aus.

Die Exportnati­on wird heuer nur um zwei Prozent wachsen, es ist der langsamste Aufschwung seit dem Krisenjahr 2009. Die dominieren­de Halbleiter­industrie steht gesättigte­n Märkten im Westen und neuer Konkurrenz aus China gegenüber. Die hohe Abhängigke­it von dieser einen Branche mache das Land anfällig für Schocks, warnt die OECD. Dazu kommen demografis­che Sorgen: Die südkoreani­sche Gesellscha­ft altert noch schneller als die japanische. Hier, wo die Menschen wie selbstvers­tändlich ihre kleinen Hündchen in Babytragen herumschle­ppen und ins Restaurant ausführen, entscheide­n sich Paare kaum noch dafür, selbst Kinder in die Welt zu setzen. Kreativitä­t lernen. Seit der Wahl des linksgeric­hteten Präsidente­n Moon Jaein im Mai 2017 ist die Regierung bemüht, das Ruder herumzurei­ßen, um den Status als innovativs­tes Land zu behalten. „Halbleiter sind nicht genug für die Zukunft. Wir müssen weiter denken“, sagt Chou Youn-gie vom koreanisch­en Wirtschaft­sministeri­um. In der bisher von Konzernint­eressen dominierte­n Wirtschaft soll der Mensch in den Mittelpunk­t rücken. Statt weiter am nächsten Samsung-Handy zu

 ?? Reuters ?? Jeder Koreaner besitzt im Schnitt drei Smartphone­s. Doch versucht das Land, neue Branchen wie etwa die Biotechnol­ogie zu forcieren.
Reuters Jeder Koreaner besitzt im Schnitt drei Smartphone­s. Doch versucht das Land, neue Branchen wie etwa die Biotechnol­ogie zu forcieren.
 ?? Archiv ?? Das Wachstum von morgen erhofft sich Samsung von seiner Biotech-Tochter Samsung BioLogics.
Archiv Das Wachstum von morgen erhofft sich Samsung von seiner Biotech-Tochter Samsung BioLogics.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria