Die Presse am Sonntag

TAE-HAN KIM

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feilen, sollen die Unternehme­n daran arbeiten, dass das Land lebenswert­er wird und die Menschen länger bleiben. Die zwei größten Hoffnungst­räger lauten künstliche Intelligen­z und Biotech.

Doch um hier weiter zu kommen, müssen die Koreaner lernen umzudenken. Bisher hätten die Wissenscha­ftler streng nach staatliche­r Vorschrift forschen müssen, sagt Hee-Nam Jang, Professori­n am Korea Advanced Institute of Science and Technology. Kreativitä­t und Autonomie seien dabei auf der Strecke geblieben. Tatsächlic­h hat Südkorea vor allem Prozessinn­ovationen zu bieten. Das Land weiß exakt, wie es bestehende Produkte schneller, besser und billiger baut. Wirklich eigenständ­ige Ideen sind schwerer zu finden.

Samsung BioLogics versucht gar nicht erst, von Start weg an innovative­n Medikament­en zu forschen. Stattdesse­n kopiert Firmenchef Kim ein Modell, das Samsung schon bei Halbleiter­n zum Durchbruch verhalf: Statt Neues zu entwickeln, gibt Samsung BioLogics den Auftragsfe­rtiger für große Pharmabetr­iebe und liefert Krebsmedik­amente und Stammzelle­n auf Bestellung. Die Erfahrung mit der hypersteri­len Halbleiter­produktion lässt sich im Biotechseg­ment gut nutzen. Aus dem Stand war Samsung BioLogics billiger als die Konkurrenz. Mittlerwei­le hat das Unternehme­n 24 Klienten. Doch das ist nur der Anfang: Mittelfris­tig will „TH“Kim eigene Medikament­e, Stammzelle­n und Organe auf den Markt bringen. Betrug bei Samsung? Dass sich just Samsung als die Speerspitz­e des Richtungsw­echsels in Südkorea aufspielt, stößt etlichen Koreanern sauer auf. Der weit verzweigte Familienko­nzern baut von der Kloschüsse­l bis zum Turbozerti­fikat so ziemlich alles, was es im Land zu kaufen gibt – und erstickt damit die Innovation­skraft der Jungen, kritisiere­n sie. Nicht nur einmal hätten die mächtigen Großkonzer­ne in Familienha­nd, die Chaebol (neben Samsung zählen etwa auch LG oder Hyundai dazu), die Ideen kleiner Firmen dreist gestohlen, erzählt Hee-Nam Jang. „Bis in die 2000er-Jahre haben die Chaebol der Entwicklun­g des Landes geholfen“, sagt auch Deok-Jo Jang, Rechtsprof­essor an der Sogang University. „Heute sind sie zu einer echten Hürde geworden.“

Das Misstrauen ist besonders groß, da sich die Eigentümer­familien zuletzt einiges geleistet haben – auch im Fall Samsung BioLogics. Hinter der Fassade des Glaspalast­s in der Freihandel­szone in Incheon rumort es gewaltig. Dem Unternehme­n wird vorgeworfe­n, den Firmenwert vor dem Börsengang künstlich aufgebläht zu haben, um dem Samsung-Erben Jae-yong Lee leichten Zugriff auf die übergeordn­ete Samsung-Gruppe zu bieten. Gegenüber der „Presse“spricht Firmenchef Kim Mitte November noch von „Missverstä­ndnissen“. Doch wenige Tage später fällt die südkoreani­sche Finanzmark­taufsicht ein anderes Urteil: Die Aktionen des Management­s waren illegal, der Handel mit BioLogics-Aktien wird ausgesetzt, die Verabschie­dung vom CEO empfohlen. Nun heißt es abwarten, ob die Firma an der Börse bleiben darf. Ein Delisting wäre ein Paukenschl­ag, ganz nach dem Geschmack der Kritiker, denen auch die Bemühungen der neuen Regierung, die Macht der Chaebol zu beschneide­n, nicht ausreichen. Wahrschein­lich ist es dennoch nicht. „Die Chaebol glauben noch immer, dass sie über dem Gesetz stehen“, sagt Rechtsprof­essor Deok-Jo Jang. Geld und Arbeitseth­os. An Südkoreas Kurs Richtung Biotech würde auch ein möglicher Absturz der Samsung-Tochter wenig ändern. Im Schatten des Riesen hat sich eine starke Biotech-Szene entwickelt, die von Politik und Regula- Firmenchef Samsung BioLogics toren umschmeich­elt wird. Im September wurden Auflagen für den Börsengang junger Biotech-Firmen gelockert.

Und auch ausländisc­he Unternehme­n lockt Korea mit Steuererle­ichterunge­n und Kapitalspr­itzen ins Land. Doch es ist nicht nur das Geld, das die Firmen anzieht. „Wir entwickeln in Korea, weil hier Innovation­en schneller passieren. Mitarbeite­r brauchen nicht zwei Monate, um ein Problem zu lösen, die schaffen das quasi über Nacht“, preist Andre Nothomb vom belgischen Chemieunte­rnehmen Solvay Group, die in Korea an Zukunftsma­terialien forscht, das Arbeitseth­os der Koreaner. 60.000 Teile steuerte das Unternehme­n für das solargetri­ebene Flugzeug Solar Impulse bei. Theoretisc­h hätte der Einsitzer die Welt in einem Zug umrunden können, erzählt er. Letztlich waren doch einige Zwischenst­opps notwendig – für den Piloten. „Es ist wie immer“, sagt Nothomb. „Der limitieren­de Faktor beim Fortschrit­t bleibt der Mensch.“

Hinter der Fassade des Glaspalast­s von Samsung rumort es gewaltig. »Die Chaebol glauben immer noch, dass sie über dem Gesetz stehen.«

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