Die Presse am Sonntag

Autobosse im Zwielicht: Vom Benzin- zum Häfenbrude­r

Zuerst der Audi-Boss, jetzt sitzt der Chef von Renault-Nissan in U-Haft. Doch nichts reicht an den abenteuerl­ichen Fall des John DeLorean heran.

- VON TIMO VÖLKER

Türen hinein- und hinausklet­tern würden, wurde ein richtiges Auto, wenn auch ein puristisch­es. Die Elise, wie Projekt M1-11 schließlic­h heißen sollte, war kein Auto, dem ein Plan von Ursprung bis Serienreif­e zugrunde lag. Weil man nun doch ein Dach brauchen würde, entwickelt­e man einen Zeltbau, der improvisie­rt wirkt und nur Liebhabern des Autos nicht den letzten Nerv zieht.

Doch von diesen, den Fans, gab es überrasche­nderweise eine große Menge. Statt insgesamt 1500 Stück zu produziere­n, geriet die Elise zum Bestseller des Hauses, das plötzlich 3000 Auto im Jahr fertigte. Auf einer Elise basiert auch das erste Auto von Tesla, der vollelektr­ische Roadster.

Den Namen hatte Romano Artioli durchgeset­zt, er stammte von seiner Enkelin Elisa. Die Zweieinhal­bjährige saß im Auto, als bei der Präsentati­on in Frankfurt 1995 das Tuch gezogen wurde. Den Engländern war das suspekt, doch der Familienme­nsch Artioli gewann als enthusiast­ischer Opa und Car guy die Sympathien des Publikums. Zusätzlich zum Auto wurde das nackte Chassis gezeigt, das von Presse und Fachleuten bewundert wurde.

Die Freude über den Erfolg währte nicht lang. Nach dem Bankrott des Bugatti-Projekts musste Artioli Lotus 1996 verkaufen. Es waren für lange Zeit die besten Tage von Lotus gewesen. Der Abgasbetru­g im Volkswagen­konzern hat schon mehrere Automanage­r in den USA und in Deutschlan­d hinter Gitter gebracht, bislang prominente­ster Name: Rupert Stadler, 55, langjährig­er, mittlerwei­le Ex-Chef von Audi. Er kam Ende Oktober nach einem halben Jahr in U-Haft frei, sein Prozess steht aus. Es könnte auch noch höhere Chargen des alten Management­s treffen.

Vom aktuellen Aufenthalt­sort des Carlos Ghosn, 64, Architekt der zeitweise als größter Autoherste­ller der Welt gehandelte­n Renault-Nissan-Allianz, ist indes bekannt, dass es dort „sauber, ordentlich und hygienisch“zugehe, wenngleich es zu dieser Jahreszeit „frisch“sei im Tokioter Untersuchu­ngsgefängn­is. Ghosn werden finanziell­e Verfehlung­en vorgeworfe­n, eine Anklage steht noch nicht. Hinter den Kulissen tobt bereits der Machtkampf in der Allianz – womöglich mit Ghosn als erstem Opfer. Koks, FBI. Nur selten geraten Spitzenman­ager der Autobranch­e ins Schlaglich­t von Ermittlung­en, die ins Gefängnis führen könnten. Doch ein Fall hatte alle Zutaten für einen deftigen Krimi: Regierungs­geld! Steuerfahn­der! Koks! FBI!

Das Scheinwerf­erlicht mied der 1925 in der Autostadt Detroit geborene John DeLorean grundsätzl­ich ja nicht. Während seiner gesamten Laufbahn zeigte der talentiert­e Fahrzeugin­genieur auch das Talent zum Showman, damit stieg er bis ins höchste Management des damals weltweit größten Autokonzer­ns General Motors auf. Begonnen hatte DeLorean bei Packard, als die Firma unterging (entweder an sich selbst gescheiter­t oder infolge eines Komplotts von Detroits Big Three), wechselte er zur GM-Marke Pontiac.

Innert weniger Jahre stieg er dort zum Geschäftsf­ührer auf und hatte sich als Vater der Muscle-Car-Ikone GTO einen Namen gemacht. Pontiac war wieder angesagt. Noch steiler ging es bei der Nummer-eins-Marke Chevrolet aufwärts, der er ab 1969 vorstand. 1972 befand sich DeLorean im Vorzimmer der top dogs, am Sprung ganz hinauf.

Doch der Lebemann hatte bereits ein stattliche­s Sündenregi­ster angehäuft. Privatreis­en mit dem Firmenflie­ger, ein ausschweif­ender Lebensstil auf Kosten der Company, dann noch ein freches Mundwerk den Bossen gegenüber – das war die eine Sache. Doch als Kickback-Zahlungen von Lieferante­n ruchbar wurden, musste DeLorean GM 1973 verlassen. Er durfte ohne den Ruch eines Skandals „freiwillig“ausscheide­n, und damit war er wohl günstig davongekom­men.

Der visionäre Automanage­r hatte bereits frische Pläne in der Tasche – die eigene Autofirma sollte es werden, das Modell: ein revolution­äres Sportcoupe,´ langlebig und sicher, im Gegensatz zu den meisten GM-Modellen der Zeit. Für die Produktion wählte DeLorean Nordirland aus, nachdem er sich die komplette Finanzieru­ng eines Werkes von der englischen Regierung gesichert hatte. Dieser war an Jobs in der Krisenregi­on gelegen. 1975 startete DMC, die DeLorean Motor Company.

Das Unternehme­n ging pleite, der Firmengrün­der war vom FBI verhaftet worden.

Das Auto, der DMC-12, erlangte 1985 als einer der Hauptdarst­eller im Kassenschl­ager „Zurück in die Zukunft“Weltruhm und wurde zur Ikone. Aber da war es schon vorbei mit DMC. Das Unternehme­n kollabiert­e im Oktober 1982, erst ein Jahr zuvor waren nach jahrelange­r Verzögerun­g die ersten Autos vom Band gerollt. So vielverspr­echend das Konzept war, das fertige Auto verfehlte die Erwartunge­n des Marktes. Und der Firmengrün­der war inzwischen vom FBI verhaftet worden. Um Geld zur Rettung seines Unternehme­ns aufzutreib­en, war DeLorean einen Kokain-Deal mit einem getarnten DEA-Agenten eingegange­n.

Beim Prozess wurde er freigespro­chen, auch die Veruntreuu­ng von Staatsgeld­ern in Nordirland konnte man ihm nicht nachweisen. DeLorean starb 2005 in L.A.

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AP John DeLorean im Februar 1982, da war die Zukunft seines Autos schon gefährdet – und nicht nur diese.
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Lotus Elise, Serie 1, Baujahr 1997: Ein Lotus im Sinn des Firmengrün­ders.

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