Nicht nur Schuld
Neue Grenzen, keine Dokumente: Warum Restitution afrikanischer Kunst schwierig bis unmöglich ist.
Der Anspruch ist hoch im Bericht, den die französische Kunsthistorikerin Be-´ nedicte´ Savoy und der senegalesische Ökonom Felwine Sarr am Freitag ihrem Auftraggeber, dem französischen Präsidenten, übergeben haben: Sie wollen nicht nur eine Neudefinition des nationalen Kulturerbes, um den Weg für Rückgaben freizumachen. Viel brisanter ist eine andere Forderung: Jedes Objekt, das ohne ausdrückliche oder zumindest sehr wahrscheinliche Einwilligung der Eigentümer oder Hüter mitgenommen wurde, solle afrikanischen Staaten zurückgegeben werden, die es beanspruchen.
Jedes Ding also, das etwa in den Besitz eines Forschers, Beamten, Soldaten oder Missionars geriet, dann weitervererbt, verschenkt oder verkauft wurde, wäre betroffen: Sofern nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass der Besitzerwechsel beiderseits freiwillig erfolgte. Genau dies aber wird mangels Dokumenten kaum je möglich sein.
Doch auch wenn es kaum beweisbar ist: Nicht jedes Objekt aus der Kolonialzeit ist problematisch, nicht alles ist Raubgut. Ein weiteres Problem: Welcher Staat hat Anspruch auf bestimmte Exponate? 1885 teilten die Europäer in der Berliner Konferenz Afrika unter sich auf, zogen völlig neue Grenzen. Auch seitdem haben diese sich stark verschoben. Dazu kommt ein Argument, das zu Unrecht nur als europäische Arroganz abgetan wird: Die Museen in vielen afrikanischen Staaten erfüllen derzeit nicht die Anforderungen, um wertvolle Objekte zu bewahren. Restitution – ein „Phantom“. Restitutionen werden wichtig sein; aber die Geschichte der Sammlungen kann nie zufriedenstellend aufgearbeitet werden. Auch die Schuldfrage ist nicht ohne Ambivalenzen: Viele Exponate wären nicht mehr vorhanden, hätten sie in Europas Museen nicht ein sicheres Zuhause gefunden. Rückgaben seien „fast so etwas wie ein Phantom, das nur in der öffentlichen Diskussion immer mal wieder auftaucht“, sagte auch in einem Interview die Leiterin des in Sachen Provenienzforschung höchst aktiven Übersee-Museums in Bremen, Wiebke Ahrndt. „Was wir seitens der Herkunftsgesellschaften erleben, ist der Wunsch, zu wissen: Was habt ihr, woher kommt es, macht es zugänglich, stellt Transparenz her.“Diese Klarheit sei auch dem Museum wichtig.