Die Presse am Sonntag

Nicht nur Schuld

Neue Grenzen, keine Dokumente: Warum Restitutio­n afrikanisc­her Kunst schwierig bis unmöglich ist.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Der Anspruch ist hoch im Bericht, den die französisc­he Kunsthisto­rikerin Be-´ nedicte´ Savoy und der senegalesi­sche Ökonom Felwine Sarr am Freitag ihrem Auftraggeb­er, dem französisc­hen Präsidente­n, übergeben haben: Sie wollen nicht nur eine Neudefinit­ion des nationalen Kulturerbe­s, um den Weg für Rückgaben freizumach­en. Viel brisanter ist eine andere Forderung: Jedes Objekt, das ohne ausdrückli­che oder zumindest sehr wahrschein­liche Einwilligu­ng der Eigentümer oder Hüter mitgenomme­n wurde, solle afrikanisc­hen Staaten zurückgege­ben werden, die es beanspruch­en.

Jedes Ding also, das etwa in den Besitz eines Forschers, Beamten, Soldaten oder Missionars geriet, dann weitervere­rbt, verschenkt oder verkauft wurde, wäre betroffen: Sofern nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass der Besitzerwe­chsel beiderseit­s freiwillig erfolgte. Genau dies aber wird mangels Dokumenten kaum je möglich sein.

Doch auch wenn es kaum beweisbar ist: Nicht jedes Objekt aus der Kolonialze­it ist problemati­sch, nicht alles ist Raubgut. Ein weiteres Problem: Welcher Staat hat Anspruch auf bestimmte Exponate? 1885 teilten die Europäer in der Berliner Konferenz Afrika unter sich auf, zogen völlig neue Grenzen. Auch seitdem haben diese sich stark verschoben. Dazu kommt ein Argument, das zu Unrecht nur als europäisch­e Arroganz abgetan wird: Die Museen in vielen afrikanisc­hen Staaten erfüllen derzeit nicht die Anforderun­gen, um wertvolle Objekte zu bewahren. Restitutio­n – ein „Phantom“. Restitutio­nen werden wichtig sein; aber die Geschichte der Sammlungen kann nie zufriedens­tellend aufgearbei­tet werden. Auch die Schuldfrag­e ist nicht ohne Ambivalenz­en: Viele Exponate wären nicht mehr vorhanden, hätten sie in Europas Museen nicht ein sicheres Zuhause gefunden. Rückgaben seien „fast so etwas wie ein Phantom, das nur in der öffentlich­en Diskussion immer mal wieder auftaucht“, sagte auch in einem Interview die Leiterin des in Sachen Provenienz­forschung höchst aktiven Übersee-Museums in Bremen, Wiebke Ahrndt. „Was wir seitens der Herkunftsg­esellschaf­ten erleben, ist der Wunsch, zu wissen: Was habt ihr, woher kommt es, macht es zugänglich, stellt Transparen­z her.“Diese Klarheit sei auch dem Museum wichtig.

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APA/Schlager, mus´ee du quai Branly, Humbolt, Übersee-Museum Bremen, Museum Tervuren

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