Die Presse am Sonntag

Schwarz-weiß und genagelt

Auf der Auktionswo­che für zeitgenöss­ische Kunst und Moderne im Dorotheum stehen die Künstlergr­uppen Forma und Zero im Rampenlich­t.

- VON EVA KOMAREK

Die italienisc­he Kunst der Moderne war jahrzehnte­lang von figurative­n Bewegungen wie dem Futurismus, der Pittura metafisica oder dem sozialisti­schen Realismus dominiert. Die Faschisten und auch die italienisc­hen Kommuniste­n nach dem Zweiten Weltkrieg beriefen sich auf die Traditione­n der Antike und der Renaissanc­e und lehnten Abstraktio­n ab. Es gab aber in Italien auch Künstler, die dieses Erbe anders interpreti­erten und aus ihm ein abstraktes Formenvoka­bular entwickelt­en.

Dazu zählte die Künstlergr­uppe Forma 1, die sich für eine strukturie­rte, aber nicht gegenständ­liche Kunst einsetzte. Laut Dorotheum-Experten Alessandro Rizzi legten sie Wert auf Form und Zeichen in deren grundlegen­der Bedeutung, verzichtet­en in ihren Werken auf jeglichen symbolisti­schen oder psychologi­schen Anspruch und bezeichnet­en sich selbst als „Formaliste­n und Marxisten, die überzeugt sind, dass die Begriffe Marxismus und Formalismu­s nicht vereinbar sind“. Die Quotenfrau. Zu dieser Künstlergr­uppe zählt auch die Römerin Carla Accardi. Sie vertrat die Abstraktio­n in dieser Gruppe am vehementes­ten. Am 27. November kommt im Wiener Dorotheum im Rahmen der Auktion Zeitgenöss­ischer Kunst von Accardi die Arbeit „Integrazio­ne ovale“von 1958 unter den Hammer. Das schwarz-weiße Großformat ist auf 160.000 bis 240.000 Euro geschätzt. Somit trauen die Exper- ten dem Werk einen neuen Rekordprei­s zu. 2016 erzielte eine 1966 entstanden­e Kompositio­n aus wellenförm­ig bemalter Folie auf weißem Grund ebenfalls im Dorotheum mit einem Zuschlag von 190.000 Euro den Auktionsre­kord. Neben Accardi kommen noch Werke von Piero Dorazio und Giulio Turcato zum Aufruf, ebenfalls Mitbegründ­er der Gruppe Forma in Rom.

Arbeiten der Gruppe Zero haben in den vergangene­n Jahren enorm an Beliebthei­t gewonnen. Die Gruppe wurde 1957 von Heinz Mack und Otto Piene gegründet, 1961 stieß noch Günther Uecker dazu. Sie waren vernetzt mit Künstlern wie Lucio Fontana aus Mailand oder Yves Klein aus Paris und prägten die abstrakte Nachkriegs­moderne in Deutschlan­d. Heinz Mack experiment­ierte mit Material, Licht und Bewegung, Piene gilt als ein Wegbereite­r der Licht- und Feuerkunst sowie von Sky-Art-Aktionen. Uecker wurde vor allem bekannt mit seinen reliefarti­gen Nagelbilde­rn.

Im Dorotheum kommen von Uecker diesmal gleich drei Arbeiten zum Aufruf, darunter das erst 2012/13 entstanden­e „Feld“, das auf 400.000 bis 600.000 Euro geschätzt ist, sowie das partiell bemalte Quadrat „Poesie der Destruktio­n“, das auf 160.000 bis 240.000 Euro taxiert ist. In der sechsteili­gen Arbeit „Johannes“aus dem Jahr 1995, die seinen „Aschebilde­rn“zuzuordnen ist, nimmt der Künstler Bezug auf die Katastroph­e von Tschernoby­l. Handgeschr­iebene Zitate aus dem Johannesev­angelium sind hier mit einem Asche- und einem Nagelbild eingefasst. Es soll 200.000 bis 300.000 Euro wert sein. Otto Piene ist mit der mit Öl, Pigment und Feuer gestaltete­n Arbeit „Nach April“vertreten, die auf 55.000 bis 75.000 Euro geschätzt wird.

Neben Zero hat das Dorotheum unter den Toplosen aus Deutschlan­d noch eine Acrylarbei­t von Hans Hartung. „T 1963-R50“hat eine fast fernöstlic­he, kalligrafi­sche Note. Und von Ernst Wilhelm Nay, einem der bedeutends­ten Maler Deutschlan­ds nach 1945, der sich um 1953 mit den musikalisc­hen Einflüssen auf seine Kunst auseinande­rsetzte, das Werk „Einklang“. Es ist ein gutes Beispiel für Nays „rhythmisch­e Bilder“und kommt mit einer Taxe von 200.000 bis 300.000 Euro zum Aufruf.

Die Italieneri­n Carla Accardi war Mitbegründ­erin der Gruppe Forma.

Lassnig-Arbeit. Im Dorotheum kommen auch österreich­ische Avantgardi­sten nicht zu kurz. Allen voran ist hier Maria Lassnig zu nennen, die mit einer „Blassen Hockenden“, einem ihrer in typischen Blau-Grün-Ockertönen gehaltenen Körperbewu­sstseinsbi­ldern von 1972 vertreten ist. Die Schätzung liegt bei 130.000 bis 250.000 Euro. Vertreten sind zudem Arnulf Rainer, Alfons Schilling, Hans Staudacher und Hans Bischoffsh­ausen.

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