Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Gegen Zölibat und für Diakoninne­n: Der Linzer Bischof Scheuer richtet diese Wünsche an den Papst. Werden Laien endlich ernst genommen?

Der Leidensdru­ck muss schon groß sein, wenn ein Bischof wie Manfred Scheuer, kein ungestümer Reformer, vorprescht. Er hat sich Mut ge- und einen Brief an Papst Franziskus verfasst. Darin bittet er um eine Audienz bei seinem irdischen Chef. Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst? Das Befolgen des Satzes mag manchmal hilfreich sein. Im konkreten Fall ganz und gar nicht.

Denn es geht um nichts Geringeres als um Änderungen auf Ebene der Weltkirche. Konkret verlangt Bischof Scheuer dreierlei: die Abschaffun­g des Zölibats, also des vor der Priesterwe­ihe abzulegend­en Gelöbnisse­s, ehelos zu bleiben; die Möglichkei­t des Dispenses vom Zölibat für bereits Geweihte; und, vielleicht zunächst am leichteste­n umzusetzen, aber mit potenziell besonders weitreiche­nden Folgen (Tabuthema Priesterin­nen!): die Weihe von Frauen zu Diakoninne­n. Ob es Zufall ist, dass die Vollversam­mlung des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken erst am Freitag in Bonn dieselben Forderunge­n erhoben hat?

Mit der Wunschlist­e nicht gerade an das Christkind, sondern an Jesus Christi Stellvertr­eter auf Erden wendet sich also Bischof Scheuer für seine Oberösterr­eicher nach Rom. Was ist mit den Wienern? Den Steirern, Salzburger­n, was mit den Vorarlberg­ern? Stehen die den genannten Wünschen gleichgült­ig oder gar ablehnend gegenüber? Ist Oberösterr­eich die unrühmlich­e (?) Ausnahme? Das muss ausgeschlo­ssen werden.

Woher diese Gewissheit kommt? Genau vor 20 Jahren – so lang ist es schon her – hat der heutige Grazer Altbischof Johann Weber für den damals plötzlich erkrankten Kardinal Christoph Schönborn die Salzburger Delegierte­nkonferenz zum Abschluss des „Dialogs für Österreich“leiten müssen. Damals gab es Voten zu unterschie­dlichen Themen, natürlich keine Beschlüsse – wo kämen wir denn da hin! Mit Zweidritte­lmehrheit wurden (haben wir es schon erwähnt? Vor 20 Jahren!) unter anderem genau die jetzt von Bischof Scheuer genanten Forderunge­n gutgeheiße­n.

Stimmberec­htigt waren zu jener Zeit Delegierte aller Diözesen. Und: Die Bischöfe selbst haben deren Auswahl vorgenomme­n. Seither ist der Prozess versandet und vergessen, tragende Persönlich­keiten haben sich aus dem Kirchendie­nst verabschie­det. Kein Symposium, keine Veranstalt­ung von Rang hat an das Jubiläum des Delegierte­ntags erinnert. So viel dazu, wie ernst in der katholisch­en Kirche Laien genommen werden, wenn sie sich nicht exakt so verhalten, wie Bischöfe das gern hätten.

Umso überrasche­nder mutet das aktuelle Agieren des Linzer Bischofs Scheuer an, der von einem „Rumoren“im Kirchenvol­k spricht. Wenn nicht alles täuscht, kann sein ungewöhnli­cher Alleingang Richtung Rom so gedeutet werden: Es gibt neuerdings auch Rumoren unter den Bischöfen.

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