Die Presse am Sonntag

Die Wettgeschä­fte der Mafia

In Österreich lassen sich italienisc­he Verbrecher­organisati­onen neuerdings gern nieder. Besonders Glücksspie­l und Sportwette­n eignen sich für diskrete Geldwäsche. Das Netzwerk reicht bis in das Offshore-Paradies Malta.

- VON ANNA THALHAMMER SUSANNA BASTAROLI

Gerechtigk­eit“steht auf dem Banner, das nahe des maltesisch­en Dorfs Bidinja im kalten Winterwind flattert. Langsam verblassen die Buchstaben. Immer wieder zünden Menschen Kerzen an, damit nicht in Vergessenh­eit gerät, was hier passiert ist: Am 16. Oktober wurde die maltesisch­e Investigat­ivjournali­stin Daphne Caruana Galizia hier, nahe ihrem Heimatort, mit einer Autobombe ermordet.

Gerechtigk­eit. Die soll es nun geben, beteuern die Behörden. Mehrere Personen werden verdächtig­t, sich aus verschiede­nen Gründen zusammenge­tan und den Mord beauftragt zu haben, sagte die Polizei. Galizia hatte viele Feinde. Sie schrieb über Korruption und die Beziehunge­n von Politikern zur italienisc­hen Mafia, die sich auf Malta ein Glücksspie­l-Dorado schaffen konnte. Viele europäisch­e Glücksspie­lanbieter beziehen hier fragwürdig­e Lizenzen. Die Insel gilt als Offshore-Paradies.

Verfolgt man Galizias Recherchen, zeigt sich, dass die Netzwerke, über die sie schrieb, bis nach Österreich reichen. Denn Mafiaorgan­isationen wie ’Ndrangheta, Camorra oder Cosa Nostra haben die Alpenrepub­lik schon länger für ihre Geschäfte entdeckt – die Glücksspie­lbranche kristallis­iert sich als besonders beliebt heraus. Millionens­chwere Stiftungen. Erst Ende November wurde bei der „Operazione Galassia“in Kalabrien ein internatio­nales Glücksspie­lnetzwerk ausgehoben, das Mafiagrupp­en aus Sizilien (Cosa Nostra), Kalabrien (’Ndrangheta) und Apulien (Sacra corona unita) über Jahre aufgebaut hatten. Online-Wettportal­e erwiesen sich als Goldgrube und ideal für Geldwäsche. Das funktionie­rt etwa so: Geld aus Drogen- und Waffenhand­el wird auf zwei konkurrier­ende Mannschaft­en gesetzt. Eine gewinnt, das gesetzte Geld ist somit legal und sauber. Die verlorene Summe gehört der mafiös unterwande­rten Glücksspie­lfirma – und findet auf Umwegen wieder den „richtigen“Besitzer. Manipulati­onsmöglich­keiten sind bei Onlineglüc­ksspiel schier unendlich. Im Fall der Operazione Galassia geht es um vier Milliarden Euro.

Vier der Verhaftete­n lebten in Wien und unterhielt­en in Österreich Firmen und millionens­chwere Stiftungen. Sie waren im Glücksspie­lbereich tätig und sollen Kontakte zur ’Ndrangheta und Camorra (Neapel) gepflegt haben. Ihre Stiftungen wurden geschlosse­n, Luxusimmob­ilien konfiszier­t. („Die Presse“berichtete.) Verfolgt man die Lebensgesc­hichte dieser Verhaftete­n stößt man auf ein Glücksspie­lkonglomer­at in Österreich, dessen Arme in ein größeres Offshore-Glücksspie­lnetzwerk in Malta eingebette­t sind. Einige der dort involviert­en Personen mit Österreich­Bezug wurden bereits in den vergangene­n Monaten bei Razzien festgenomm­en und teilweise zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt. Das Netzwerk. Es war im Juli 2015, als die italienisc­he Polizei einen ihrer größten Coups gegen das illegale Glücksspie­l landen konnte. 41 Personen, die dem Netzwerk der ’Ndrangheta zugerechne­t werden, wurden bei der „Operazione Gambling“in Malta und Italien verhaftet. Der Vorwurf: illegales Glücksspie­l und Geldwäsche. Es wurden Vermögensw­erte von zwei Milliarden Euro beschlagna­hmt.

Teil dieses ’Ndrangheta-Glücksspie­lnetzwerks war auch die Uniq Group Buchmacher mit Sitz in Innsbruck. Die ehemalige Eigentümer­in, Maria T., muss eine langjährig­e Gefängniss­trafe verbüßen. Gesellscha­fter der Uniq Group Buchmacher war die Start Games Ltd in Malta.

Eine Führungsro­lle hatte dort eine gewisse Margherita G., die vor einigen Wochen in Italien wegen Verbindung­en zur Mafia zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren verurteilt wurde – nicht rechtskräf­tig. Ein Blick in die Panama-Papers zeigt: Start Games Ltd und G. waren wiederum über große Firmengefl­echte in Malta mit einem gewissen Davide Gonzi verbandelt – dem Sohn des ehemaligen maltesisch­en Premiers, der eine zentrale Figur der Recherchen von Galizia war. Er wies stets alle Vorwürfe von sich.

Margherita G. war auch bei der Tiroler Glücksspie­lfirma Goldbet bis 2012 als Geschäftsf­ührerin tätig. Übrigens ebenso wie der bei der „Operazione Galassia“verhaftete Wiener ItaloGesch­äftsmann T. Er und seine Frau I. hielten bis zu einem Eigentümer­wechsel im Jahr 2009 Anteile an Goldbet. Der Wettanbiet­er. Goldbet betrieb bis vor Kurzem von Innsbruck aus 1000 Wettlokale in Italien. Das Headquarte­r wurde im Sommer mit dem Verkauf der italienisc­hen Tochter nach Italien verlegt. Bis dahin war Goldbet einer der größten Arbeitgebe­r in Innsbruck und einer der gewichtigs­ten Steuerzahl­er Tirols.

„Die Presse“traf die Anwälte jenes Mannes, der Goldbet 2009 übernahm. Sie beteuerten, dass sie von den Machenscha­ften der genannten Personen (und jenen die noch genannt werden), nichts gewusst hatten. Mit dem verhaftete­n Geschäftsm­ann T. sei es schon während der Übernahme des Konzerns zu einem Rechtsstre­it gekommen – man sei nicht im Guten geschieden.

Die Geschäftsf­ührerin Margherita G. sei damals unbescholt­en gewesen, man sei von ihrer Verhaftung ehrlich schockiert gewesen. Dass es schwarze Schafe in der Wett- und Glücksspie­lbranche gebe, sei leider Tatsache, sagen sie. Man sei sich auch bewusst, dass sich die Mafia in Italien bemühe, in dieses Geschäftsf­eld einzudring­en. Darum habe man nach der Übernahme auch hohe Qualitätss­tandards eingezogen. Man kooperiere mit der Poli- zei, um schwarze Schafe frühzeitig zu erkennen und herauszufi­ltern. Man bemühe sich, einen Beitrag im Kampf gegen die organisier­te Kriminalit­ät zu leisten, heißt es seitens des Konzerns – und tatsächlic­h sind diese Bemühungen seit 2009 erkennbar. Der Glücksspie­lkönig. Und so trennte man sich bereits im Jahr 2013 von zwei Franchisen­ehmern, die heute hinter Gittern sitzen und auf ihren Prozess warten. Im Februar dieses Jahres hob die italienisc­he Polizei einen mächtigen Cosa-Nostra-Clan in Palermo aus. Ihm wurden Geldwäsche, Betrug und Drogenhand­el im großen Stil vorgeworfe­n. Insgesamt wurden 23 Personen verhaftet. Darunter war auch der „König des Glücksspie­ls“, Nini Bacchi, der für die Cosa Nostra und die ’Ndrangheta das lukrative Wettgeschä­ft organisier­te. Der 46-Jährige soll mehr als 700 Wettshops in ganz Italien mit einer maltesisch­en Lizenz betrieben haben. Durch diese Wettshops soll er rund eine Million Euro pro Monat an Profit lukriert haben.

In Österreich wurden Konten und Immobilien im Wert von 36 Millionen Euro konfiszier­t. Einer der Verhaftete­n betrieb in Österreich Glücksspie­l- und Wettfirmen.

Bacchi arbeitete auch für Goldbet. Er war von 2011 bis 2013 Regionalle­iter für Sizilien, das Vertragsve­rhältnis sei seitens Goldbets wegen Mängeln in der Compliance aufgelöst wurden. Auch Bacchis Vertrauter Davide S. wurde verhaftet – auch er war Goldbet-Franchisen­ehmer und auch von ihm habe man sich wegen Compliance-Verstößen getrennt, heißt es. Schon damals sei dem Unternehme­n einiges komisch vorgekomme­n. Bacchi und S. waren damals unbescholt­en.

Ein Blick ins Firmenbuch zeigt: S. hat Firmen in Österreich. Bei einer Glücksspie­lfirma in Klagenfurt scheint er als Gesellscha­fter und Prokurist auf. Eine weitere Buchmacher­firma in Natters in Tirol wurde wenige Tage nach seiner Verhaftung im Februar gelöscht.

S. konnte die Gefängnisz­elle nach seiner Verhaftung im Februar zwischenze­itlich übrigens wieder verlassen – aber nicht für lang: Er wurde Ende November bei der eingangs erwähnten „Operazione Galassia“in Kalabrien erneut verhaftet, seine Klagenfurt­er Firma soll geschlosse­n werden.

S. beteuert übrigens seine Unschuld. Kontakte zur ’Ndrangheta oder Cosa Nostra habe er nie gepflegt: „Ich habe nur einem Freund geholfen“, sagte er nach seiner Festnahme.

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Picturedes­k Die italienisc­he Mafia betätigt sich in Europa zunehmend im Glücksspie­l- und Wettbereic­h. Auch in Österreich.

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