»Blümel soll sich entscheiden«
Walter Ruck, Chef von Wiens Wirtschaftskammer, übt ÖVP-interne Kritik und rät Stadtparteichef Gernot Blümel, der auch Minister ist, eines der Ämter abzugeben.
Ist der einflussreiche Präsident der Wirtschaftskammer Wien türkis oder schwarz? Walter Ruck: (Lacht.) Ich bekenne mich zur ÖVP – einer großen Partei mit vielen Meinungen, die man intern dann auf eine Meinung bringt. Das mag stimmen, ist aber nicht die Antwort auf meine Frage. Also: schwarz wie Tirols Landeshauptmann, Günther Platter, oder türkis wie Gernot Blümel, in dessen Wiener ÖVP es ja beide Flügel gibt. Ich möchte im Konsens Politik für die Unternehmer machen, das gehorcht keiner Farbenlehre. Es gibt in allen Parteien unterschiedliche Zugänge, die Gruppen vermischen sich aber – daher kann man nicht so einfach in Schubladen denken. Einem Vorgänger, Walter Nettig, wurde wegen seiner engen Freundschaft zu Michael Häupl ÖVP-intern vorgeworfen, „in Wirklichkeit ein Roter“zu sein, wie es hieß. Sie sind eng mit Michael Ludwig befreundet: Sind Sie der neue Walter Nettig? Wir sind eigene Persönlichkeiten; auch wenn wir in der Konstellation zufällig dieselben Vornamen haben. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass die Achse Wirtschaftskammer–Stadt sehr eng ist. Ist diese enge Freundschaft hilfreich für Ihre ÖVP, die in Wien in Opposition ist? Ich kenne Michael Ludwig seit vielen Jahren, mein Auswahlkriterium für Freundschaften ist nicht Ideologie. Der Wiener Kammerpräsident ist außerdem überparteilich. Sie sind aber noch immer Obmann des wichtigsten ÖVP-Bunds in Wien. Als Wirtschaftskammerpräsident vertrete ich die Interessen der mehr als 130.000 Wiener Unternehmer. Dabei ist Sachpolitik wichtiger als Parteipolitik. Eine gute Gesprächsbasis mit dem Rathaus ist da essenziell. Wie zufrieden sind Sie eigentlich mit der Performance Ihrer Wiener ÖVP? Wäre heute eine Nationalratswahl, würden 24 Prozent der Wiener die ÖVP wählen, bei einer Landtagswahl 16 Prozent. Diese Differenz lag in der Vergangenheit normalerweise bei zwei bis vier Prozentpunkten. Sie sind unzufrieden? Wenn ich nur die nüchternen Zahlen betrachte, sehe ich momentan nicht sehr viel Grund für ein übersteigertes Selbstbewusstsein. Da muss man noch Gas geben. Da muss, wenn man nach der nächsten Wien-Wahl relevant mitregieren will, ein Zweier davorstehen. Hohe Vorgaben für eine Partei, die 2015 nur 9,2 Prozent holte. Soll Minister Gernot Blümel, der auch ÖVP-Wien-Chef ist, die Bundesbühne mehr nutzen oder sich mehr auf Wien konzentrieren? Als ich hier Präsident wurde, habe ich andere Ämter zurückgelegt. Ich bin grundsätzlich der Meinung, man soll sich für eines entscheiden. Das würden Sie Blümel raten? Das ist meine Position. Sie erwarten sich jedenfalls eine bessere Performance von Ihrer ÖVP Wien? 16 Prozent in aktuellen Umfragen ist mehr als neun Prozent. Aber es gibt eine gewaltige Differenz zu einem bundesweiten Ergebnis. Ihre Erklärung? Die bundesweite Performance wird deutlich besser wahrgenommen als die Wiener Performance. Daraus ergibt sich, woran man schrauben sollte. Woran würden Sie schrauben? Das werden wir parteiintern diskutieren. Aber eine Freude, dass wir gegen- über 2015 um sieben Prozentpunkte in aktuellen Umfragen zugelegt haben, wäre für mich die falsche Ableitung. Apropos ÖVP. City-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel, die später zur FPÖ ging, hatte öfter Konflikte mit Ihrer Vorgängerin Brigitte Jank. Nun wiederholt sich das mit Ihnen und Markus Figl. Uns ist mit der grünen Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, ein Pakt gelungen, den wir seit 1. Dezember umgesetzt haben – die Öffnung der Anrainerparkzonen für die Wirtschaft. Der Bezirksvorsteher hat naturgemäß einen anderen Standpunkt. Ihr Verhältnis zu Figl ist getrübt? Wir haben ein gutes Verhältnis. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich das (Widerstand der Bezirke gegen Anrainerparkplätze für den Wirtschaftsverkehr, Anm.) für eine überzogene Form der Subsidiarität halte. Was heißt das konkret? Aus meiner Sicht ist die Situation der Parkraumbewirtschaftung eher kommunal zu lösen denn auf Bezirksebene. Außerdem wäre ein Zonenmodell besser als die Entscheidung mit Grenzen per Häuserblock. Sie möchten ein neues Parkpickerlmodell? Konkret verstehe ich nicht, dass man
Walter Ruck
wurde 1963 in Wien geboren. Nach einem TUStudium absolvierte er 1989 die Baumeisterprüfung.
1991
übernahm er die Geschäftsführung der Baufirma seines Vaters. Er ist auch gerichtlich beeideter Sachverständiger.
2014
wurde er zum Obmann des Wiener Wirtschaftsbunds gewählt. Das ist die einflussreichste Teilorganisation der Wiener ÖVP, die von Minister Gernot Blümel geleitet wird.
Im Juni 2014
wurde Ruck Präsident der Wiener Wirtschaftskammer. Sie gilt als einflussreichste Teilorganisation der Österreichischen Wirtschaftskammer. Verkehrsagenden auf Bezirksebene delegiert. Dort haben sie, gesamtheitlich gesehen, nichts zu tun. Sie möchten die Verkehrspolitik von Bezirks- auf Stadtebene zurückholen? Mein Verständnis von Subsidiarität ist nicht, dass jede Entscheidung auf die unterste Ebene gehört. Sie gehört auf die richtige Ebene. Die Bezirksebene ist in Verkehrsangelegenheiten nicht die richtige Ebene, das zu entscheiden. Damit werden Sie wieder Diskussionen mit Markus Figl und anderen Bezirken haben. Mag sein. Aber die Arbeiterkammer ist in einer Studie zu ähnlichen Schlüssen gekommen. Es war ja auf dieser Ebene. Das Jahr 2018 geht nun zu Ende. Ihre Bilanz? Viele unserer Forderungen wurden heuer von der Politik umgesetzt. Die Grundsatzentscheidung zum Bau einer neuen multifunktionalen Eventhalle. Für die Verlängerung der Breitspur-Eisenbahn von der Slowakei nach Wien, eine unserer drängendsten Forderungen, gab es einen Ministerratsbeschluss. Die Börse wurde für KMU geöffnet. Und die Anwohnerparkzonen werden werktags für Zehntausende Unternehmer geöffnet, dazu ist die Parkkarte für Unternehmen entbürokratisiert worden. Das alles trägt unsere Handschrift.