Ein Himmel voller Elche
Die Gattung der Geweihfarne, von der wir hierzulande fast ausschließlich eine mittelgroße Art als Zimmerpflanze hegen, bildet eine der bizarrsten Laubkronen der Botanik aus.
In einer der hübschesten Boutiquen der Wiener Innenstadt, in der es vor allem um Duft und Kultur geht, um wohlriechende Essenzen und um ausgesucht schöne Gegenstände aus aller Welt, hingen vor einigen Jahren zahlreiche Geweihfarne von der Decke. Die urzeitlichen Pflanzen waren an einer abgehängten Gitterkonstruktion befestigt und machten als Shopdekoration mächtig was her.
Gelegentlich wurden sie heruntergeholt und mittels Tauchbads mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Möglicherweise fielen sie manchen Besuchern gar nicht auf, doch sie verliehen dem Raum eine bezaubernde dschungelartige Atmosphäre, eine dezente samtig-grüne Stimmung, die perfekt zu diesem Geschäft passte.
In seinem natürlichen Habitat wächst der bizarre Farn tatsächlich ebenfalls im Urwald, und zwar als Epiphyt hoch oben in den Bäumen Australiens und Südostasiens. Er krallt sich mit wasserspeichernden Rhizomwurzeln und sogenannten Nischenblättern an der Rinde fest, bildet solchermaßen sein eigenes Blumentöpfchen als Reservoir für Feuchtigkeit, Humus und Nährstoffe. Daraus streckt er die stark an Elchgeweihe erinnernden, mit flauschigen Härchen bewachsenen Wedel dem Dämmerlicht unter dem Blätterdach entgegen.
Es gibt etwa 18 Arten dieses faszinierenden Farns. Manche, wie die philippinische Variante Platycerium grande, werden fast mannshoch. Als Zimmerpflanze kommt meist die mittelgroße, aus Australien stammende Art Platycerium bifurcatum in den Handel. Nicht zu viel Nässe. Wer eine solche erwerben will, sollte sehr genau darauf achten, ob die Pflanze auch richtig gepflegt wurde und kerngesund ist. Denn viel zu oft stehen die Geweihfarne in den Geschäften zu feucht. Andere Farne brauchen und schätzen das, der Elchwedel hingegen verträgt zu viel Nässe gar nicht, und ist ein Geweihfarn erst einmal beleidigt, so ist es sehr fraglich, ob er wieder gesund gepflegt werden kann.
Doch auch übermäßige Liebe und Zuwendung verträgt er nicht, wie ich aus schmerzlicher Erfahrung berichten muss. Der prächtigste aller Geweihfarne hing in meinem Badezimmer an einem eigentlich unmöglichen, weil recht dunklen Platz. Er war sensationell. Niemals in vielen Jahren fiel auch nur ein Sonnenstrahl auf seine Blätter. Er gedieh trotzdem fantastisch und bildete nicht, wie in der Fachliteratur gelegentlich angegeben wird, bis zu drei, sondern mindestens doppelt so viele neue Blätter pro Jahr aus, vielleicht sogar noch mehr.
Da er lang dort hing, sich in der konstanten Wärme des luftfeuchten Badezimmerklimas offenbar recht wohlfühlte und kaum alte Blätter abwarf, wuchs er sich über die Zeit an diesem recht finsteren Platz zu einem beeindruckenden skulpturalen Geschöpf aus. Die erwähnten Nischenblätter umwucherten in vielen Schichten wie eine Klammer seinen Topf, von dem nur beängstigend wenig zu sehen war. Deshalb wollte ich ihm eines Tages Gutes tun, löste ihn vorsichtig aus dem Gefäß und bettete ihn in ein größeres um.
Vorschriftsmäßig kamen die Wurzeln in ein Gemisch aus Orchideenerde und etwas Humus. Anfangs wohnte den Geweihwedeln noch genug Kraft inne, doch bereits nach ein paar Tagen wurden sie schlaff, und binnen weniger Wochen ging der treue alte Gefährte meiner morgendlichen Duschbäder den Weg alles Irdischen. Ich glaube keinen Verlust einer anderen Pflanze jemals so betrauert zu haben wie diesen.
Der erste Nachfolger stammte aus einem großen Grünmarkt, wo er offen- sichtlich gemeinsam mit all den anderen bedauernswerten Geweihfarnen rund um ihn zu lang zu feucht gehalten worden war. Macht nichts, dachte ich trotz offensichtlicher Schwächung und brauner Blattspitzen, zumindest dich werde ich retten. Das gelang jedoch nicht, wahrscheinlich waren die empfindlichen Wurzeln bereits verfault.
Das derzeitige Exemplar hingegen war von dem offensichtlich besser geschulten Personal einer kleinen lokalen Gärtnerei gepflegt worden, es erreichte mein Bad in tadellos gesundem Zustand und ist zwischenzeitlich dabei, sich seinem Vorgänger in Sachen Größe und Schönheit anzunähern.
Niemals werde ich ihn umtopfen, obwohl das von der Fachliteratur im Rhythmus von drei Jahren vorgeschrieben wird. Ich bekenne auch, ihn nicht wie empfohlen mittels Tauchbads zu wässern, sondern gelegentlich mit der Kanne zu gießen. Er wird auch nicht geduscht, denn auch das verabscheut er. Offenbar bleiben die Wedel unter dem dichten Blätterdach der Dschungelbäume trocken, und nur das in den Astgabeln aufgefangene Wasser tränkt ihn in seiner natürlichen Umgebung.