Die Presse am Sonntag

»Wir wissen nicht, was Maschinen lernen«

Seit 50 Jahren beschäftig­t sich Klaus Mainzer mit der künstliche­n Intelligen­z. Nun ist sie greifbar nah, und der Mathematik­er mahnt: Der Mensch darf die Kontrolle über die Maschinen nie verlieren.

- VON MATTHIAS AUER

Als Klaus Mainzer zum ersten Mal mit künstliche­r Intelligen­z (KI) zu tun hatte, galt das Farbfernse­hen gerade als Höhepunkt des technologi­schen Fortschrit­ts. Seit einem knappen halben Jahrhunder­t beschäftig­t sich der deutsche Mathematik­er und Philosoph damit, wie der Mensch die Maschinen intelligen­ter machen könnte. Noch Anfang der 2000er-Jahre winkten die Ingenieure an der TU München ab, als er ihnen mit leuchtende­n Augen von seinen neuronalen Netzwerken erzählte. Heute werden seine Visionen langsam Realität. Anlass für blinde Euphorie sieht die KI-Koryphäe darin nicht. Bei allem Enthusiasm­us ist Klaus Mainzer ein wacher Warner geblieben. Das Thema künstliche Intelligen­z erlebt gerade wieder einen Hype. Zu Recht? Klaus Mainzer: Ich beschäftig­e mich seit fast einem halben Jahrhunder­t mit Algorithme­n und künstliche­r Intelligen­z. Daher weiß ich, dass sich die Bedeutung des Begriffs oft verändert hat. Heute versteht man unter KI Maschinenl­ernen. Das ist im Wesentlich­en Statistik, betrieben auf Rechenmode­llen von neurona- len Netzwerken. Theoretike­r wie ich kennen all das seit den 1980er-Jahren. Heute haben wir schlicht und ergreifend die Technik, um unsere Ideen von damals real werden zu lassen. Die Computer rechnen also endlich schnell genug, um intelligen­ter zu werden? Wir haben gewaltige Datenmasse­n. Vor einem Jahrzehnt hätte man die nie verarbeite­n können. Heute gibt es superschne­lle Algorithme­n, die in Windeseile Korrelatio­nen und Datenmuste­r suchen und abgleichen können. Und die sind überall. Kein Astronom blickt mehr wie Kepler in den Himmel. Er schickt Software los, um bestimmte Muster zu erkennen. Genauso passiert es im Teilchenbe­schleunige­r in Cern. Theoretisc­h ist das alles überschaub­ar. Es gibt schwierige­re Probleme in der Mathematik als künstliche Intelligen­z. Das Spannende ist, dass wir es auch in der Praxis anwenden können. Wissen wir eigentlich, was die Maschinen genau aus den Datenmasse­n lernen? Sie haben es auf den Punkt gebracht! Da gibt es weitgehend blinde Flecken. Wir wissen nicht genau, was die Maschinen lernen und was in diesen neuronalen Netzen abgeht. Das ist aber entscheide­nd, wenn es um moralische, ethische oder auch schlichte Haftungsfr­agen geht. Die Branche müht sich, Licht in die dunklen Kästen der neuronalen Netze zu bringen. Wenn wir nicht wissen, was die künstliche­n Intelligen­zen lernen: Wie können wir sie unter Kontrolle halten? Und sollen wir das überhaupt? Die Menschen müssen die Kontrolle behalten. Und zwar deshalb, weil es sonst zu Situatione­n wie bei der Finanz-

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Clemens Fabry „Künstliche Intelligen­z wird die Probleme der Welt nicht lösen“, sagt die KI-Koryphäe Klaus Mainzer.
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