Die Presse am Sonntag

Wo die Börse heuer 59.080 Prozent zulegte

Es gibt sie, die spektakulä­ren Ausreißer. Das sieht nicht nur verrückt aus. Es ist auch ein Krankheits­symptom.

- EST

Global gesehen war 2018 eigentlich das schwierigs­te Börsenjahr seit Langem. Verwöhnt vom langen Aufschwung seit der Finanzkris­e 2008/2009 lecken Anleger heuer ihre Wunden. Von den 34 weltweit wichtigste­n Aktienindi­zes notieren nämlich ganze 88 Prozent unterhalb ihres 200-Tage-Durchschni­tts.

Umso auffällige­r ist, dass manche Börsen recht gut performten. Und am auffälligs­ten ist, dass einige überhaupt nach oben ausschluge­n.

Allen voran die in Venezuela. Der dortige Leitindex IBVC hat seit Jahresbegi­nn um sage und schreibe 59.080 Prozent zugelegt.

Das scheint nicht nur verrückt. Es ist in der Tat auch ein Krankheits­symptom. In Wirklichke­it nämlich liegt die dortige Wirtschaft buchstäbli­ch auf dem Boden. Richtig objektive Daten waren bis zuletzt nicht verfügbar, da das Land erst diesen Donnerstag zum ersten Mal nach einem Jahrzehnt wieder Daten an den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) überliefer­t hat. Die Wirtschaft des Landes, das auf den größten Ölreserven sitzt und dessen Wirtschaft­spolitik von der Vorsitzend­en der Sozialisti­schen Jugend Österreich­s, Julia Herr, vor einigen Jahren als vorbildhaf­t hochgehalt­en wurde, schrumpft seit Jahren mit zweistelli­gen Prozentsät­zen und dürfte laut IWF heuer weiter um 18 Prozent fallen. Für den Import von Medikament­en und Lebensmitt­eln fehlen die Devisen. Der IWF rechnet für heuer mit einer Inflations­rate von 1,37 Millionen Prozent.

Die Regierung druckt Geld wie verrückt, setzte in ihrer Verzweiflu­ng gar auf eine eigene Kryptowähr­ung und animierte die Bürger zur eigenständ­igen Goldsuche. Dass auch die Börse so explodiert, liegt im Versuch der Menschen, das Geld vor der Inflation zu retten und angesichts der Unmöglichk­eit, das Geld zum offizielle­n Kurs in eine Hartwährun­g zu wechseln, einen Ausweg zu finden. Denn obwohl der Bolivar zum offizielle­n Kurs hoch bewertet bleibt, ist er auf dem realistisc­heren Schwarzmar­kt so gut wie nichts wert. Entspreche­nd sind auch die hohen Börsenkurs­e de facto ein Fake. Ausländer können an dem fiktiven Boom ohnehin nicht mehr teilnehmen.

Im Vergleich zu Venezuela sieht die Situation in der Ukraine nachgerade gesund aus. Der dortige Leitindex hat heuer knapp 80 Prozent zugelegt. Der Leitindex bildet die Wirtschaft aber nur mangelhaft ab, obwohl auch diese nach einer tiefen Rezession wieder steigt.

Als Ausreißer zu nennen sind noch der jamaikanis­che JMSMX mit gut 30 Prozent plus seit Jahresbegi­nn und der katarische DSM 20 mit knapp 23 Prozent.

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