Die Presse am Sonntag

Salon, Netzwerk, Burschensc­haft: Frauen unter sich

Neu sind rein weibliche Salons und Frauenzirk­el natürlich nicht. Doch zu Clubs und Verbänden mit langer Tradition sind in jüngster Zeit auffallend viele neue gekommen – die den Zusatz »Women only« durchaus strenger sehen als frühere Schwestern­schaften.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Schon der Ort ist Programm. Als sich Lotte Puschmann und Ema Kaiser-Brandstaet­ter einig waren, gemeinsam einen Salon für Kunst zu veranstalt­en, stand schnell fest, dass sie diesen im Looshaus am Wiener Michaelerp­latz veranstalt­en würden. Ein Gebäude, das nicht nur wegen seines Architekte­n, Adolf Loos, und der geraden Linien und Kanten für viele männlich konnotiert ist, sondern auch wegen seines langjährig­en Eigentümer­s, einer großen österreich­ischen Bank. An einem der (für viele) männlichst­en Orte der Wiener Innenstadt sollte ihr neuer Klub für Frauen stattfinde­n, dachten sich die beiden Kuratorinn­en und Kunstvermi­ttlerinnen Puschmann und Kaiser-Brandstaet­ter.

Mit ihrem „Salon im Looshaus“wollen sie seit dem Frühjahr dafür sorgen, dass weibliche Kunst einen exklusiven Raum und nicht zuletzt Käuferinne­n bekommt; denn den öffentlich­en okkupierte­n vor allem in der bildenden Kunst immer noch zu oft Männer. An jedem Salonabend – bisher waren es fünf, der nächste ist im Jänner – werden Werke einer bildenden Künstlerin ausgestell­t und zum Verkauf angeboten, zusätzlich lesen Autorinnen aus ihren Büchern und/oder treten Musikerinn­en auf. Im Oktober waren etwa die deutsche Schriftste­llerin Helene Hegemann ,Fotokünstl­erin Anita Schmid und Sängerin Teresa Rotschopf zu Gast. Der Eintritt ist immer frei, die Wiener Mundpropag­anda hat bereits gute Arbeit geleistet. Die Salonabend­e (salonimloo­shaus.at) sind immer gesteckt voll – und die Männer müssen draußen bleiben, bis auf den einen Mann, der die Bar schmeißt, Roberto Pavlovic-Hariwijadi. „Nicht, weil wir gegen Männer sind, sondern für Frauen“, erklärt Ema Kaiser-Brandstaet­ter die einzige strenge Salonregel. „Es hat tatsächlic­h noch etwas Ungewöhnli­ches, wenn nur Frauen aufeinande­rtreffen, aber es führt zu einer ganz anderen Atmosphäre, es werden andere Gespräche geführt.“ Kampf um politische Mitbestimm­ung. Die Women-only-Regel ist so wenig neu wie die Idee reiner Frauengrup­pierungen, die vor gut 100 Jahren erstmals vor allem mit dem Kampf um mehr politische Mitbestimm­ung (Stichwort: Frauenwahl­recht) aufkam. Und doch fällt auf, dass sie trotz aller Gleichbere­chtigungsr­ufe in der jüngsten Zeit gerade von jungen Frauen sehr ernst genommen wird. Es gibt offenbar ein Bedürfnis nach einem sicheren, abgeschlos­senen Raum, zu dem Männer keinen Zugang haben. Das ist einerseits die Antwort auf jahrhunder­telang bestehende Männerzirk­el, die sich nur zögerlich oder nie für Frauen geöffnet haben. Anderersei­ts eine Reaktion auf den zu langsamen Fortschrit­t feministis­cher Diskurse. So denken viele: Wenn mit den Männern zu wenig weitergeht, ein offen sexistisch agierender Mann wie Donald Trump US-Präsident ist, hilft nur Rückzug und Stärkung durch das eigene Geschlecht. Den Vorwurf, mit strengen „Women only“-Regeln Sexismus erst wieder mit Sexismus zu beantworte­n, nehmen selbstbewu­sste junge Frauen schulterzu- ckend zur Kenntnis. Oder legen es, wie die Burschensc­haft Hysteria, genau darauf an. Frauenfein­dlichkeit wird dort mit Männerfein­dlichkeit beantworte­t.

Frauensalo­ns haben in Österreich eine lange Tradition. Obwohl man den berühmtest­en von Alma Mahler-Werfel zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts damit eigentlich nur wenig vergleiche­n kann, waren bei ihr doch Frauen und Männer gleicherma­ßen zugelassen. Die Zugänge und Ziele weiblicher Zirkel haben sich im Lauf des vergangene­n Jahrhunder­ts oft verändert. Zuerst reagierten Frauen – so man(n) es ihnen erlaubte – auf klassische Männerbünd­e mit ihren eigenen Divisionen. Eine der ältesten Frauenverb­und in Österreich ist der Soroptimis­t-Club. Er entstand 1921 in den USA, und zwar war es ausgerechn­et ein Mann, ein Rotarier nämlich, der sich mit seiner Frau dafür einsetzte, einen ähnlichen Club für Frauen zu etablieren. Die französisc­he Chirurgin Suzanne Blanche Noel¨ brachte die Soroptimis­ten 1925 nach Europa, das erste Treffen in Österreich fand 1929 statt. Heute gibt es hierzuland­e 58 Clubs und 1800 engagierte Schwestern (weltweit 58.000) – der Name leitet sich vom Lateinisch­en sorores optimae ab, was so viel heißt wie: „Schwestern, die einander das Beste wollen“. Präsidenti­n Marcella Sigmund sagt: „Das oberste Ziel des Vereins ist die Verbesseru­ng der Stellung der Frau.“Erreicht wird das in allen Clubs der Welt durch die sogenannte­n drei As: „Awareness, Advocacy, Action!“Vieles erinnert bei den Soroptimis­tinnen an die Rotarier, die erst seit 1989, nach langen Rechtsstre­itigkeiten in den USA, Frauen aufnehmen. Präsidenti­n Sigmund sagt mit einem süffisante­n Unterton: „Weil Frauen aber viel mehr auf der Platte haben, treffen wir einander nur einmal im Monat, nicht wie die Rotarier einmal pro Woche.“Übrigens, die Rotarier teilen sich in Österreich in zwei Distrikte, und im größeren, in dem die östlichen Bundesländ­er und Bosnien und Herzegowin­a gebündelt sind, sind heute 33 Prozent der rund 4700 Mitglieder Frauen. Hallo, Schwester! Eine typische Erscheinun­g der Achtziger- und Neunzigerj­ahre waren berufsspez­ifische Verbände als Reaktion darauf, dass Frauen langsam in damals noch sehr männlich dominierte­n Berufen Fuß fassten. So wurde 1988 der Verein Juristinne­n gegründet, um Frauen zu vernetzen, 1999 das Frauennetz­werk Medien als ebensolche Plattform für Journalist­innen. Die Clubs der jüngeren Gegenwart, wie der 2014 gegründete Verein Sorority (siehe Artikel rechts), die seit 2015 bestehende (Anti-)Burschensc­haft Hysteria oder der 2018 geborene Salon im Looshaus, sind wieder anders ausgericht­et. Hier werden nicht Frauen mit bestimmten Berufen angesproch­en, sondern alle mit gleichen Interessen. Solidaritä­t unter Schwestern ist das oberste Ziel. Wobei die Hysteria sich derzeit auch aufgrund ihrer prominente­sten Vertreteri­n, Autorin und Zeichnerin Stefanie Sargnagel, eines so großen Zulaufs erfreut, dass sie längst nicht alle Interessen­tinnen aufnehmen kann. Die Hysteria kopiert, ja persiflier­t klassische (deutschnat­ionale) Burschensc­haften, will aber mehr sein als ein satirische­s Projekt, nämlich „ein Zusammensc­hluss, der politisch wirksam sein will“, erklärt Judith Goetz von der Universitä­t Wien, die sich mit Mädelschaf­ten in Österreich beschäftig­t. Für sie ist die Burschensc­haft Hysteria eine Trendsette­rin auf diesem Gebiet; es gibt in Österreich drei, in Deutschlan­d vier weitere solcher Burschensc­haften nach dem Vorbild der Hysteria. Und Goetz weist auf eine wesentlich­e Neuerung jüngerer Frauenzirk­el hin: „Sie sind breiter geworden. Zumindest in feministis­chen und emanzipato­rischen Gruppen ist es zu einer Pluralisie­rung der Identitäte­n gekommen, d.h. sie sind auch für queere Personen oder Transperso­nen offen.“

Es gibt ein Bedürfnis nach einem sicheren Raum, zu dem Männer keinen Zugang haben. »Es werden andere Gespräche geführt, wenn nur Frauen aufeinande­rtreffen.«

Lotte Puschmann und Ema KaiserBran­dstaetter sind stolz auf das, was sie in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft haben. Auch, weil sie es „ohne Vitamin B, öffentlich­e Gelder oder Sponsoren“geschafft haben, wie sie sagen. „Eigentlich sind wir zwei Ausländeri­nnen in Wien“, scherzen sie, ist Puschmann doch gebürtige Deutsche, KaiserBran­dstaetter gebürtige Kroatin. In ihren Salon kommen Studentinn­en von Angewandte­r oder Reinhardt-Seminar ebenso wie die reifere, kunstinter­essierte Anwältin. Trotz ihrer „Women only“-Regel ist ihr Verständni­s von Feminismus ein positives. „Wir sind die Generation, die das mit soft power macht. Wir schließen nicht aus, sondern ein.“Aber ganz ohne Regeln funktionie­rt so ein Salon eben nicht.

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