Die Rückkehr der Österreicher
Die Hafenstadt Triest erfindet sich neu: Die Adria-Metropole will zum alten Glanz der Habsburger-Ära zurückfinden. Österreicher gestalten auch heute die Triester Renaissance mit.
Die österreichische Kaiserin wird bald wieder in „ihrer“Hafenstadt thronen: Ein Jahrhundert, nachdem Triest italienisch wurde, soll die Statue Maria Theresias einen der schönsten Plätze der Adria-Metropole schmücken. 2019 wird das Denkmal auf der Piazza Ponterosso errichtet werden, gleich beim Canal Grande, im Herzen des Borgo Teresiano – in jenem Viertel also, das die Monarchin Mitte des 18. Jahrhunderts erbauen ließ und damit die Stadt zur hochmodernen Metropole machte.
Das Maria-Theresia-Monument hatten sich die Triestiner im vergangenen Jahr zum 300. Geburtstag der Herrscherin gewünscht, monatelang sammelten sie dafür Unterschriften. Denn die Habsburger sind in Triest wieder en vogue: Denkmäler von Erzherzog Maximilian, „Sisi“oder den Kaisern Leopold I. und Karl VI. stehen ungestört neben Straßen und Plätzen, die an Helden und Heldentaten des Risorgimento erinnern – jener nationalistischen Bewegung im 19. Jahrhundert, die zur Einheit Italiens führte und sich daher auch gegen die k. u. k. Herrschaft richtete. In den Prunkräumen des Palazzo del Lloyd Triestino, heute Sitz der Regionalregierung, hängen riesige Porträts von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Regionalpräsident Massimiliano Fedriga, gebürtiger Veroneser, erzählt stolz: Seine Eltern hätten ihn zu Ehren der Adoptivstadt Triest nach dem Habsburger Erzherzog benannt, der im Schloss Miramare lebte. Dornröschenschlaf. Hinter dieser altösterreichischen Nostalgie steckt auch die Sehnsucht nach dem Glanz alter Zeiten, als Triest noch eine Weltstadt war. Maria Theresia hatte Österreichs größten Hafen zum wichtigsten Handelszentrum der Adria gemacht, hier experimentierte sie mit modernster Stadtplanung. Sie lockte Arbeiter und Händler nach Triest und verwandelte es in eine multikulturelle Metropole.
Nach dem Ersten Weltkrieg begann dann der Niedergang: Die einst pulsierende Metropole verkümmerte zum verschlafenen Provinznest, der prächtige Habsburger-Hafen verfiel zur hässlichen Ruinenstadt. Auch der Bau des neuen Hafens konnte Triest nicht mehr ins Zentrum der Handelswege rücken.
Das soll sich nun ändern – zumindest träumt der energische Bürgermeister Roberto Di Piazza davon, der Triest bereits in seiner dritten Amtszeit regiert. In seinem Büro mit atemberaubendem Blick auf die zentrale Piazza dell’ Unita´ und der dahinterliegenden tiefblauen Adria erläutert er, wie er Triest aus seinem 100-jährigen Dornröschenschlaf wecken will. „Die Geschichte wird sich wiederholen. Das wird wieder die Stadt, die sie unter Maria Theresia war“, prognostiziert Di Piazza selbstbewusst.
Der Schlüssel zum Erfolg steht mitten in seinem Büro: „Da ist sie: unsere verbotene Stadt“, sagt der Bürgermeister und zeigt auf das riesige Modell des alten Habsburger-Hafens. Denn heute ist der Großteil des 60 Hektar umfassenden Areals eine Geisterstadt hinter Stacheldraht, für die meisten Triestiner nur vom Meer aus ersichtlich. Di Piazzas Zukunftsvision: Hier soll das neue Herz Triests entstehen, ein riesengroßes Zentrum aus Museen, Hotels, modernsten Wohngebäuden, Ausstellungsräumen, Kongress- und Forschungszentren – gesäumt von grünen Alleen, Spielplätzen, Brunnen und Freizeitzentren. Wie in Barcelona oder Hamburg soll auch Triests renovierter Hafen der Stadt einen jungen, hip-urbanen Anstrich geben.
Pläne zur Renovierung des alten Hafens gab es in der Vergangenheit zuhauf, doch nun scheint man wirklich einen großen Schritt weiter zu sein: Das einstige Staatsgut wurde 2015 der Stadt Triest übergeben, die Regierung in Rom bewilligte bereits 50 Millionen Euro für die Renovierung. Damit soll unter anderem ein „Museum des Meeres“sowie ein internationales Forschungszentrum für Biotechnologie finanziert werden. Die Bauarbeiten haben begonnen.
Zum Verkauf stehen nun die vielen Habsburger-Hafengebäude: Die Nachfrage sei groß, sagt Di Piazza und fügt verschmitzt hinzu: „Und jetzt kommen die Österreicher wirklich zurück.“Das Interesse ist tatsächlich bedeutend – und nicht nur am alten Hafen: Der Immobilienentwickler MID Holding aus Klagenfurt kaufte das alte Messegelände am Stadtrand, dort soll ein Einkaufszentrum entstehen. Österreicher investieren auch in Villen und Altbauwohnungen, viele wohnen hier im Urlaub oder am Wochenende. Denn Triest boomt in der Alpenrepublik: Inzwischen kommen fast die meisten ausländischen Touristen aus Österreich. Adventswalzer. Di Piazzas neues Triest soll jedenfalls im Geiste Altösterreichs entstehen. Wie für viele Triestiner ist auch für den Bürgermeister die Habsburger-Ära Symbol für „Ordnung, Zuverlässigkeit, Regeln. So wie mir das gefällt“. Inspiration von Kaiserin Maria Theresia holt sich der Bürgermeister aber auch aus einem anderen Grund: „Triest blühte auf, weil Maria Theresia es zur multikulturellen Stadt machte. Sie holte Menschen von überall her nach Triest, die durch harte Arbeit unsere Stadt groß gemacht haben.“
Ein Tor zum Orient könnte sich bald am neuen Hafen öffnen. China will massiv in den Freihandelshafen investieren, um die Adria-Metropole als zentralen Punkt auf der „Seidenstraße“zu positionieren. Der „Ausverkauf“des Hafens an Peking wird von vielen kritisch gesehen, nicht zuletzt in Brüssel, das chinesische Investitionen in strategische europäische Infrastrukturprojekte begrenzen will. Die EU befürchtet gefährliche Abhängigkeiten.
In Triest sieht man Chinas Millionen vor allem als Chance, wieder wichtigster Hafen im nördlichen Mittelmeer zu werden. Zumal Triest jetzt neuer Hotspot für Adria-Kreuzfahrttouristen wird: Die international führende Kreuzfahrtgesellschaft MSC Cruises hat einen wesentlichen Anteil am Kreuzfahrthafen erworben und will Triest als neuen Heimhafen ausbauen, um ihn ab Sommer 2020 regelmäßig anzulaufen.
Vorerst feiert Triest aber Advent. Und erstrahlt im – mitteleuropäischen – Vorweihnachtsglanz. 40 Tannen mit schlichten Lichterketten schmücken die elegante Piazza dell’ Unita,´ im Hintergrund erklingen Weihnachtslieder. Das Warten aufs Christkind verkürzen sich die Triestiner besonders stilvoll: Zwischen Meer und Palästen wird getanzt. Donauwalzer, versteht sich.
Im alten Habsburger-Hafen soll das moderne, junge Herz Triests entstehen.